Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne
02.07.2005, © Vivienne
Vater werden ist sehr schwer
Erleichtert legte ich den Hörer wieder auf. Vicky war letzte Nacht mit leichten Wehen in die Landesfrauenklinik eingeliefert worden. Falscher Alarm sechs Wochen vor dem Geburtstermin wären dann doch etwas zu früh gewesen, das fanden auch Ali und ich. Die Erleichterung hatte auch in Berts Stimme mitgeklungen, als er uns heute Morgen informiert hatte, dass Vicky wahrscheinlich noch heute Vormittag das Spital wieder verlassen würde. An sich ist es nichts Ungewöhnliches, wenn eine Frau ab und an während der Schwangerschaft leichte Wehen verspürt, aber geklärt muss das Ganze werden, und schon vom astrologischen Standpunkt her würde es mir besser gefallen, wenn der kleine Erdenbürger zu seinem normalen Geburtstermin zur Welt kam
Ali und ich saßen nun etwas übernächtig beim Frühstück. Es war zwar Samstag, aber wir saßen um acht Uhr früh beim Frühstück, übernächtig und sehr müde, aber zumindest ich konnte im Moment nicht wieder einschlafen. Und wenn doch, dann wäre ich wohl bis Mittag liegen geblieben und damit der halbe Tag vertan. Nein, ich wollte mich jetzt durchbeißen. Während mir das durch den Kopf ging, biss ich lustlos in ein Kipferl. Der Kaffee schmeckte mir überhaupt nicht heute Morgen. Ali grinste mich an und legte die Zeitung weg. Du siehst aus wie ein Nachtgespenst! Er schenkte sich noch eine Tasse Kaffee ein. Ihm schien das heiße Getränk heute im Gegensatz zu mir sehr gut zu schmecken.
Weißt du, was mir da eben einfällt? Ich konnte Ali kaum verstehen, weil er mit Kauen beschäftigt war. So sah ich ihn nur mit gerunzelter Stirn an. Mein Mann schluckte, dann blickte er mich an. Die gute Laune war ihm ins Gesicht geschrieben. Mein Schulkollege Ernstl, ein alter Freund von mir. Der ist ja auch vor ein paar Jahren Vater geworden Ja? Im Grunde interessierte mich das gar nicht. Ich musste nur eben daran denken, dass Cousin Hubert und seine Frau auch für den Herbst Nachwuchs erwarteten. In relativ kurzen Abständen würden wir wohl öfter kurze Nächte erwarten dürfen Alis Stimme riss mich aus dem Grübeln. Nun schau nicht so müde! Das war echt lustig! Weißt du, der Ernstl war immer ein lebenslustiger Kerl und mit häuslichen Sachen nicht so bewandert. Bis zu seiner Heirat hat ihm regelmäßig die Mutter die Wäsche gewaschen und gebügelt. Und Putzen ist sie auch immer wieder gekommen
Ich schüttelte den Kopf. Fein, das fesselte mich jetzt wirklich ungemein. Als Frau hast du es nicht so leicht, da bist du eher gezwungen, immer penibel auf Ordnung zu halten, weil du sonst als Schlampe giltst Den Kopf leicht schief geneigt sah ich Ali direkt in die Augen. Dann ist es ja ein Glück, dass der junge Mann doch noch eine Frau gekriegt hat, sonst hätte ihm die Mama wohl bis zum Lebensende das Geld für Reinigung und Bedienerin gespart. Besagte Dame war sich ihrer Verantwortung wohl bewusst, oder? Ali prustete los. Bist du aber böse heute. Der Ernstl ist doch kein schlechter Kerl deswegen, er war es halt immer so gewöhnt. Eigentlich war die Mama schuld, dass er in dem Bereich nicht selbstständig geworden ist, sie wollte halt immer das Beste für den einzigen Sohn. Und da kommen dann solche Männer raus. Glaub mir, Vivi, ich war auch einmal nicht viel anders. Das müsstest du eigentlich sogar noch wissen
Ich konnte meine Ungeduld kaum verbergen. Aber der Ernstl hat sich nicht geändert, was? Ali schüttelte den Kopf. Da irrst du ausnahmsweise. Weißt du, vor ein paar Jahren ist er ja Vater geworden, wie ich schon erwähnte, und das hat ihn kurze Zeit aus der Bahn geworfen. Er war völlig fertig nach der langen Geburt, nervlich und körperlich ein Wrack, weißt du. Ich habe ihn nie zuvor so gesehen Wie? brach ich in die Pause Alis ein. Wie hast du ihn nie gesehen? Ali zwinkerte mir zu. Furchtbar hat er ausgesehen. Nicht rasiert. Ungewaschen. Der Ernst hat gestunken, ehrlich, und nicht nur nach Schweiß. Sein Mundgeruch hätte angeblich Tote aufgeweckt. Offenbar hatte er ein paar Tage auf jede körperliche Hygiene verzichtet und nicht einmal die Wäsche regelmäßig gewechselt. Es hätte wohl nicht viel gefehlt, und sie hätten ihn in die Klinik nicht mehr rein gelassen. Ich verfolgte Alis Schilderung bestürzt. Was hat denn seine Frau dazu gesagt? Ali lachte mich an. Sie hat ihn einmal ziemlich brüsk darauf aufmerksam gemacht. Und immerhin hat diese Standpauke gereicht, dass er sich nach fünf Tagen wieder unter die Dusche gestellt hat und seinen Rasierapparat hervorgeholt hat. Angeblich hat er dann wieder wie ein zivilisierter Mensch ausgesehen.
Ganz konnte ich die Geschichte aber trotzdem nicht glauben. Ich versteh das nicht. Wie kann sich ein Mensch so gehen lassen? Ali schlürfte wieder am Kaffee. Verstehst du was ich damit sagen will? Er war das erste Mal Vater geworden. Und völlig aus dem Häuschen. Aber glaub mir Mein Mann stellte das Kaffeehäferl wieder auf die Tasse. Das Ärgste kommt ja noch. Als Ernst seine Frau und die neugeborene Tochter nach einer Woche wieder aus der Klinik holen konnte, fand die dann den Nudelauflauf vom letzen Tag vor der Geburt noch genau so im Herd vor, wie sie ihn hinterlassen hatte. Wollte sagen nicht ganz so Ali schmunzelte über das ganze Gesicht. er war völlig verdorben, schimmelte teilweise schon, aber er war halt unberührt. Ernst hat ganz schuldbewusst ausgesehen, als er mir das erzählt hat. Seine Frau hat ihm nämlich deswegen ordentlich den Kopf gewaschen.
Ich stellt mir die Szene bildhaft vor. Im Nudelauflauf wucherte der Schimmelpilz, das Essen muss furchtbar gestunken haben. Nein, ich glaubte nicht, dass Bert ähnlich unselbständig agieren würde, wenn Vicky demnächst wirklich vom gemeinsamen Kind entbunden würde. Aber die Geschichte war echt amüsant, da hatte Ali Recht. Ich trank meinen Kaffee mit langsamen Schlucken. Tatsächlich, ich war längst nicht mehr so müde Ali nahm ich bei der Hand. Komm, stellen wir heute noch was an! Und auf meinen fragenden Blick hin: Lass dich überraschen!
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