Home Prosa Aus dem Hinterhof der Seele
01.04.2005, © Vivienne
Niemand gefeit
Holger saß in einem kleinen Zimmer.
Auf einer Bank.
Starrte auf die Uhr.
Fixierte die Zeiger.
Er fühlte sich leer.
Mehr als das.
Ausgelaugt.
Nach einer Weile hob er seine Hände leicht.
Blickte sie an.
Zuerst die Linke.
Dann die Rechte.
Die Hände eines Verbrechers.
Holger schloss die Augen.
Lehnte sich zurück.
In seinem schmerzverzerrtem Gesicht stand die Erinnerung.
Monika.
Bildschöne Frau.
Vor ihr waren alle anderen Frauen belanglos für ihn gewesen.
Uninteressant.
Spielzeug.
Wie Isolde.
Was hatte sie geheult, als er sie aus der Wohnung geworfen hatte.
Pack dein Zeug und verschwinde!
Raus.
Ich habe genug von dir.
Ihr Lamentieren ging ihm auf den Geist.
Mehr als das.
Er schlug die Tür zu.
Er wollte es einfach nicht mehr hören.
Nein.
Zimperlich war er nie mit den Frauen umgegangen.
Er begehrte sie.
Wenn immer sie schön und jung waren.
Aber irgendwann verflog die Leidenschaft.
Sie wurden ihm lästig.
Alles hatten sie ihm gegeben.
Und so wurden sie uninteressant für ihn.
Früher oder später.
Die Tür öffnete sich.
Sein Anwalt stürmte herein.
Im dunklen Talar.
Die Schöffen tagen noch.
Dürfte noch dauern.
Der Rechtsanwalt ging zum Fenster und öffnete es.
Frische Luft drang in den Raum.
Kalt.
Und nebelig.
In vier Wochen war Weihnachten
Der Anwalt drehte sich um.
Möchten Sie etwas zu trinken?
Einen Kaffee vielleicht?
Holger wollte den Kopf schütteln.
Dann dachte er nach.
Ja.
Vielleicht ein Glas Wasser.
Seine Stimme klang leise.
Der Mund war ganz trocken.
Sein Verteidiger nickte.
OK.
Ich lass Ihnen was bringen.
Er trat zu seinem Mandanten.
Grübeln Sie nicht zu viel.
Sie sind bisher unbescholten.
Das werden die Schöffen berücksichtigen
Holger wandte sich ab.
Unbescholten
Welch ein Hohn!
Er ging weiter zurück in seinem Leben.
Monika war ganz anders gewesen als die anderen Frauen.
Nicht nur schön.
Oder begehrenswert.
Sie hatte ihn angesehen.
Und er wollte nicht mehr ohne sie sein.
Von dieser Minute an.
Ohne zu begreifen warum.
Und er begann zu kämpfen um sie.
Monika gab sich spröde.
Machte ihm Hoffnungen.
Und ließ ihn wieder eiskalt abblitzen.
Nur einen Tag später.
Holger war so eine Situation bisher völlig fremd gewesen.
Früher waren ihm die Frauen nach gelaufen.
Er hatte oft über die Weiber gelacht.
Und sie benutzt.
Ausgesaugt.
Und wieder ausgespuckt.
Aber Monika
Ein Geräusch ließ Holger aufschrecken.
Eine Angestellte stellte ihm ein Glas Wasser hin.
Wortlos.
Das Glas schepperte.
Etwas Wasser spritzte auf den Tisch.
Holger leckte sich die trockenen Lippen.
Trank einen Schluck vom Wasser.
Wasser!
Wie banal!
Früher hatte er nie Wasser getrunken.
Nur das Beste durfte es für ihn sein.
Er stellte Ansprüche.
Und deshalb hatte er auch Monika gewollt.
Denn sie war die Beste
Nach langen Wochen verbrachte sie die erste Nacht mit ihm.
Holger war überwältigt.
Nun gehörte sie ihm.
Aber Monika änderte ihr Verhalten wenig.
Sie gab sich weiter spröde.
Machte sich rar.
Und schlief nur bisweilen mit ihm.
Wenn sie etwas wollte
Holger betrachte den Rest Wasser im Glas.
Und nahm es doch nicht wahr.
Nicht wirklich
Er sah Monika vor sich.
Ihre glänzende weiche Haut.
Er glaubte sie zu spüren.
Noch immer zu fühlen
Wie in der letzen gemeinsamen Nacht.
Holger war unvorsichtig gewesen.
Er arbeitete in einer Bank
Und plauderte alles Mögliche aus.
Wenn ihn Monika an sich heran ließ.
Auch über Sicherheitsvorschriften.
Und Alarmsicherungen.
In seiner Filiale.
Vor drei Monaten überfielen Freunde von Monika die Bank.
Ein Angestellter wurde erschossen.
Die Truppe wurde erwischt.
Einen halben Tag später.
Die Spur führte die Kriminalbeamten direkt zu Monika.
Holger wurde drei Tage später verhaftet
Holger blickte an.
Sein Verteidiger stand vor ihm.
Kommen Sie mit.
Es gibt ein Urteil
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