Das Angebot – Aus dem Hinterhof der Seele

Marina ging zu Bett.
Eben waren sie nach Hause gekommen.
Sie hatte ihren Sohn abgeholt.
Von einer Geburtstagsparty.
In einer angesagten Disco.
In der Nachbarstadt.
Ein Blick auf die Uhr.
3:00 Uhr früh fast.
Martin, ihr Sohn.
War fast im Stehen eingeschlafen.
So müde.
Ein wenig beschwipst.
Gut gelaunt.
Es war geil, Mama…
Marina war stolz.
Stolz.
Dass sie sich verlassen konnte.
Auf ihr einziges Kind.
Sein Vater…
Marina schnaubte verächtlich.
Gesoffen hatte er.
Nichts gearbeitet.
Aber…
Ihre Ersparnisse.
Die hatte er aufgebraucht.
Spielcasino.
Frauen.
Fragwürdige Freunde…

Zehn Jahre war sie daheim geblieben.
Hatte auf Martin geachtet.
Und gebetet.
Dass er nicht werden würde.
Wie sein Vater.
Der sie schlug.
Bedrohte.
Sie hatte wieder zu arbeiten begonnen.
In einer kleinen Firma.
Zuerst nur tageweise.
Und ihr Boss.
Harald Fragner.
Dem war aufgefallen.
Wie verhärmt sie immer aussah.
Er half ihr.
Ihren Mann aus der Wohnung zu werfen.
Sich scheiden zu lassen.
Ein neues Leben zu beginnen.
Marina seufzte.
Bescheidener Wohlstand.
Keine Schulden.
Und ein Peugot.
Ein eigenes Auto.
Harald.
Er hatte es ihr besorgt.
Wie Martins Studienplatz.
An der Fach-Uni…
Seine Firma lief gut.
Und sie…
Sie war längst seine rechte Hand.
Mehr als das.
Die Frau.
Bei der sich Harald ausredete.
Der er von Sorgen erzählte.
Von Ängsten…

Marina lächelte.
Sie war verliebt in Harald gewesen.
Von Anfang an.
Harald sah gut aus.
Athletisch.
Er ging ins Fitness Center.
Dreimal die Woche sicher.
Ein Bild von einem Mann.
Geachtet.
Geehrt.
Sogar im Gemeinderat.
Bei der Feuerwehr…
Und doch…
Stockschwul.
Er hatte es ihr gestanden.
Weil er klare Verhältnisse wollte.
Wie er sagte.
Du bist mir wichtig.
Sehr sogar.
Freundin und Vertraute.
Und darum will ich Offenheit…

Marina dachte nach.
Irgendwie.
War er ihr immer anders vorgekommen.
Sie hätte nicht sagen können.
Was.
Aber da war eine Tochter.
Aus einer früheren Beziehung.
Von der er häufig erzählte.
Dass er schwul sein könnte.
War ihr nie in den Sinn gekommen.
Deswegen.
Dabei.
War das Mädchen nicht sein Kind.
Er hatte sich um die Kleine gekümmert.
Wie er ihr erläuterte.
Weil er die Mutter gekannt hatte.
Aber das ahnte niemand.
Und außerdem studierte sie im Ausland…

Marina nickte ein.
Irgendwann.
Sie träumte verrücktes Zeug.
Plötzlich war da Harald.
Er stand vor ihr.
Im Trachtenanzug.
Und mit Rosen.
Er sagte.
Marina.
Heute heiraten wir…

Marina schreckte hoch.
Machte das Licht an.
Kurz nach halb sechs.
Da konnte sie noch eine gute Weile schlafen…
Sie dreht wieder ab.
Haralds Gesicht.
Es tauchte vor ihrem auf.
Harald.
Er hatte ihr einen Antrag gemacht.
Letzte Woche.
Ganz formlos.
Ich möchte.
Dass wir heiraten.
Ich weiß.
Es klingt verrückt.
Aber irgendwie.
Sind wir schon lange ein Paar.
Auf eine besondere Weise…
Ich wäre gut zu dir.
Ich war es immer.

Er hatte sie in den Arm genommen.
Und du wärst versorgt…
Pension wirst du nicht viel haben.
Durch die Jahre daheim.

Dann hatte er sie angesehen.
Ich möchte.
Dass du es gut hast.
Immer.
Jeder von uns.
Lebt sein Leben.
Wir machen uns nichts vor.
Haben wir nie…

Er hatte sie geküsst.
Ganz sanft.
Sein Schnurrbart kitzelte sie.
Wir gehören doch zusammen…

Marina ging in die Küche.
Trank ein Glas Milch.
Verrückt.
Einfach verückt.
Sorgenfrei leben…
Es wäre ganz einfach.
Zu Harald ziehen.
Bei ihm wohnen…
Und Martin.
Er mochte Onkel Harald.
Obwohl er sein Geheimnis kannte.
Mama.
Das ist nicht wichtig.
Dass er auf Männer steht.

Junge Leute wie er.
Die sahen das locker…
Also.
Einfach ja sagen.
Glücklich werden…
Und doch.
Wäre das nicht Betrug?
Eine riesengroße Lüge?
Konnte sie leben?
Mit dieser Belastung?
Für den Rest ihres Lebens?
Marina.
Sie stellte das Glas hin.
Die Vögel.
Sie begannen zu singen.
Vor dem Fenster.
Draußen wurde es hell…

Vivienne

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