Das Märchen vom reichen Single – Aus dem Leben

Witzig, eben habe ich sie im Geschäft gesehen, die ehemalige Kollegin. Würde man sie mit einer Farbe assoziieren, dann könnte das nur grün sein, giftgrün. Besser noch neidgrün. Eine arme Frau, die mit Kind so bedauernswert ist und die mich in der alten Firma immer angegiftelt hat. Nicht vergessen, ich war ja ein reicher Single, der geborene Sündenbock, auf den man alles aufladen konnte, was einem selbst an Frust und Unmut auf der Seele lag. Reicher Single – man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Ist man als Single automatisch reich? Natürlich nicht, völliger Blödsinn, nicht reicher als notwendigerweise jeder andere. Denn man kann ja auch auf ein individuelles Schicksal verweisen…

Besagte Ex-Kollegin jammerte natürlich nicht ohne Grund und vor allem nicht ohne Neid. Mit dem Kind war sie angehängt und hatte Zusatzkosten. Und der Kindesvater, von dem sie längst getrennt lebte, zahlte eher sporadisch und wenn, dann eher in Naturalien denn in echtem Geld. Aus dem Grund – und ganz besonders deswegen – fehlte es halt an Geld und statt logischerweise den Kindesvater deswegen mit verbalem Unrat zu bewerfen, putzte sie sie sich an mir die Füße ab. Stellen Sie sich vor, ich hätte ihr gesagt, sie wäre einfach dumm gewesen sich ein Kind anhängen zu lassen! Der Teufel wäre los gewesen, weil ich sie in ihrer unantastbaren Mutterschaft angegriffen hätte. Aber es wäre die Wahrheit gewesen – nichts anderes: wer ein Kind bekommt, muss wissen, auf was er oder besser gesagt sie sich einlässt. Mich anzugreifen, weil sie frustriert war, war einfach nur letztklassig.

Das Leben als Single ist auch nicht immer lustig. Und wer da glaubt, dass einem das Geld nur in rauen Mengen zufließt, ist schlichtweg dumm und ahnungslos. So, wie es mir in der vorigen Firma erging mit Stundenkürzungen und dürftigem Gehalt, das nicht zum Leben reichte, weiß ich genau, wie schlecht es einen treffen kann – als vermeintlich reichen Single. Wobei einem Mann üblicherweise nicht so schnell die Stunden gekürzt werden. Aber als Frau – da kannst du dir ja zusätzlich einen Mann anschaffen, der dich aushält. Nicht wahr? Damit wurde in jenem Unternehmen ja auch heftig spekuliert… Ich weiß nicht, wie das weitergegangen wäre, wenn ich geblieben wäre – wieder hätte nur ein weiterer Teilzeitjob auf mich gewartet. Ich probierte es erst gar nicht aus und in meinem neuen Vollzeitjob konnte ich mich finanziell wieder derappeln. Auch wenn manche Leute in jener Firma bis heute nicht kapiert haben, warum ich ging und diesen Teilzeitjob ausschlug – was verstehen die auch von Stolz und Würde und dem Bedürfnis unabhängig zu sein?

Reich bin ich auch jetzt nicht. Wie denn, bei steigenden Lebenskosten und Angst vor der Krise? Aber vielleicht doch ein wenig sorgenfreier. Und ich bin in der neuen Firma erfolgreicher als ich je hoffen durfte. Dort nennt mich übrigens keiner einen reichen Single. Vielleicht, weil es zu viele von der Sorte dort gibt. Vielleicht auch, weil man weniger Dumpfbacken antrifft als in der alten Firma. Leute einfach, die ein wenig über ihre Schuhspitzen hinausschauen – und –denken. Jeder trägt sein Packerl, das lässt sich nicht leugnen. Ein echter Mensch, im humanistischen Sinne des Wortes, würde einem Menschen nie vorschreiben wie er leben sollte. Und sich schon gar nicht aus Frust oder Animosität Märchen kreieren, warum jener Mann oder speziell diese Frau ja nur ein reicher Single sein kann. Der/dem es viel zu gut geht und den/die man bequem als Feindbild aufbauen kann, auf das man sein Gift und seine Bösartigkeit abladen kann.

Ich werde nie ein reicher Single sein, das glaube ich nicht. Im Grunde verdiene ich auch jetzt nicht luxuriös. Ich lege mir etwas auf die Seite für die Pension, obwohl möglich ist, dass ich es eines Tages wegen einer Geldentwertung verlieren werde. Was weiß man schon in diesen Tagen! Aber ich freue mich auf meinen ersten Urlaub seit ich von der Supergau-Firma weg bin und ich weiß jetzt schon: die Reise wird nach Rom gehen. So ein wenig urlauben, von Zeit zu Zeit, das wird der kleine Luxus sein, den ich mir wieder leisten darf. Das gönn ich mir – und ist das nicht eigentlich recht bescheiden, liebe Leute? Ich denke schon…

Da geht sie also, die giftgrüne Ex-Kollegin, die so gerne in ihrem Selbstmitleid badet. Wenn ich mich so erinnere, sparen war auch nie so wirklich ihres. Statt Sonderangebote eben der übliche Preis, sei es für das Fischfilet oder für den Diesel. Das spürt man im Geldbörsel, auch wenn man eine selbsternannte wertvolle Mutter ist. Verzeihen Sie den Zynismus, aber wertvoll ist man nicht notwendigerweise weil man Kinder hat, sondern für das was man letztlich ist: als Mensch, als Charakter, als Kämpfer und Lebenskünstler – meine zumindest ich. Ich – kein reicher Single sondern eine Frau mit Herz…

Vivienne

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