Kürzlich stieß ich auf das im Herbst 2021 erschienene Buch „Den Netten beißen die Hunde“, welches mich sehr unmittelbar ansprach. Der Autor versucht darin zu ergründen, warum Nette ausgenutzt und oftmals nicht ernst genommen werden. Unterlegt ist das Buch auch mit der wichtigen Botschaft sich von Menschen zu distanzieren, welche uns nicht gut tun.
Ich möchte keine Rezension zu diesem „Spiegel“-Bestseller verfassen, sondern vielmehr mein eigenes soziales Verhalten reflektieren. Eine Beurteilung, ob ich selbst als „zu nett“ einzustufen wäre kann und will ich dabei nicht vornehmen. Diese Frage könnten vielleicht allenfalls meine Mitmenschen ansatzweise beantworten …
Der am Cover des Buches angekündigte „große Test“ besteht aus zwölf Fragen, welche auf alltäglichen Herausforderungen – wie wir sie alle mehr oder weniger kennen – basieren. Die Leser haben jeweils die Möglichkeit eine von zwei Antwortoptionen zu wählen. Die Auswertung soll uns dann vermitteln, ob eine „gesunde“, „schwankende“, „gefährliche“ oder „schmerzhafte Nettigkeit“ vorliegt. Es ist nicht immer ganz einfach sich bei den fiktiven Beispielen für die treffenste Antwort zu entscheiden – gerade dieser Umstand verleitet aber zum Nachdenken und kann aus meiner Sicht durchaus hilfreich sein.
Nein, ich werde euch jetzt nicht verraten, wie meine Auswertung ausgesehen hat. Aber ich will vier der zwölf Fragen in verkürzter Form und eigenen Worten zu skizzieren versuchen um meine Selbsteinschätzung niederzuschreiben.
Der Nachbar
Um 4 Uhr reißt uns die laute Musik aus der Nachbarwohnung aus dem Schlaf, was zuletzt mindestens zweimal im Monat vorkommt.
- Stellen wir nun den Nachbarn unmittelbar zur Rede, verbitten uns den Lärm und rufen falls notwendig die Polizei?
- Oder verzichten wir darauf einen Aufstand zu machen und hoffen vielleicht doch wieder einzuschlafen?
Ich kann sagen, dass ich noch nie bei einem Nachbarn wegen lauter Musik angeläutet habe. Wahrscheinlich bin ich von rücksichtsvollen Hausbewohnern umgeben – wenn es anders wäre, würde es mir aber auch äußerst schwer fallen dagegen vorzugehen.
Die Kollegin
In der Arbeit überschüttet uns die „Lieblingskollegin“ – wie fast jeden Tag – mit dem neuesten Tratsch aus der Nachbarschaft, was wir ziemlich langweilig finden.
- Weisen wir die Kollegin darauf hin, dass wir ihre Nachbarn nicht kennen und der Geschichte deshalb nicht folgen können?
- Oder erregt die „einsame und mitteilungsbedürftige“ Kollegin unser Mitleid?
Dass ich keine besondere Vorliebe für Tratsch habe lässt sich nicht bestreiten. Bei den meisten Zeitgenossen ist es mir bisher ganz gut gelungen diesen Umstand zu vermitteln ohne ihm direkt anzusprechen.
In der Mittagspause
In der Mittagspause unterhält ein Kollege die Runde erfolgreich mit seinen derben Witzen, welche überhaupt nicht unser Fall sind.
- Entziehen wir uns dem Gelächter und sagen – falls jemand fragt – dass wir diesen Witz nicht lustig fänden?
- Oder lachen wir halt etwas leiser mit, da es doch unhöflich wäre auf den Witz nicht zu reagieren?
Ich kann mir schwer vorstellen in dieser Situation mitzulachen. Eher würde ich mich wohl von der Gruppe zu entfernen versuchen – wie auch immer das dann wahrgenommen wird.
Im Supermarkt
An der Kasse im Supermarkt drängt sich ein junger Mann in der Schlange vor. Er lächelt uns an und meint, dass er doch nur drei Sachen hätte.
- Weisen wir ihm darauf hin, dass er sich hinten anstellen und beim nächsten mal vorher fragen solle bevor er sich vordrängelt?
- Oder finden wir sein Verhalten zwar nicht richtig, wollen dem Kunden im vollen Supermarkt aber auch keine Szene machen?
Ich befürchte, dass die zweitere Antwort mit ziemlicher Sicherheit auf mich zutreffen würde. Ein derartiges Verhalten fasse ich letztlich als Banalität auf und will meine Nerven nicht durch eine mögliche verbale Auseinandersetzung strapazieren.
Pedro
Den Netten beißen die Hunde
Wie Sie sich Respekt verschaffen, Grenzen setzen und den verdienten Erfolg erlangen
Mit großem „Bin ich zu nett?“-Test
von Martin Wehrle, Verlag mosaik, Paperback, 320 Seiten
penguinrandomhouse.de
Das freut mich sehr, Peter, dass es wieder einen neuen Beitrag von dir gibt! Noch dazu zu einem interessanten Thema, das wohl manche im Alltag immer wieder vor Herausforderungen stellt. Wobei ich selber anmerken möchte zu den Fragen, dass die Reaktion wohl auch von der Tagesverfassung abhängt. Wenn uns an einem Tag schon mehr nervt, könnte man in der einen oder anderen Situation heftiger reagieren als üblich…
Ich finde deine Einschätzungen grundsätzlich sehr pragmatisch, man muss sich nicht über alles aufregen – und bisweilen genügt es, einer Situation einfach auszuweichen…
Silvia
Danke für dein Feedback, Silvia.
Einer Situation auszuweichen kann die Nerven schonen – aber auch unschöne Mißinterpretationen hervorrufen …