„Kriselt die Branche?“
Der Verlagsleiter schaute mich ungläubig an.
Wir kannten uns nun schon etwa 12 Jahre und jedes Mal tauschten wir uns seither anlässlich der Frühjährlichen Messe in Leipzig, über die Aktivitäten der hier versammelten Büchermacher aus.
Doch nun konnte er über meinen Gruß nicht lachen.
„Sie meinen, nur weil der Trend zur Konzentration bei den Buchverlagen anhält, würde es der Branche mies gehen?“
Mit großer Geste bot er mir im Hintergrund des Messestandes einen Sessel an. Ich nahm Platz, während er auf diesen tollen, chromblitzenden Kaffee-Automaten deutete. Ich nickte.
„Geschüttelt, nicht gerührt.“, versuchte ich einen Witz zu machen.
„Na gut, Thalia geht es nicht so gut, doch noch ist Hoffnung.“
Während er mir die Dose mit den Keksen rüber schob, kippte ich mir Milch in den Kaffee und rührte mit dem Löffel um.
Der Verlagsleiter hob die Augenbrauen, also hatte er meinen Zynismus doch nicht mitbekommen.
Da ich ihn nun als einen sehr humorigen und überaus liebenswerten Menschen kannte, dem ich auch in der Vergangenheit nicht wenige Freundlichkeiten verdankte, brachte mir seine heutige Unausgeglichenheit den Verdacht nahe, dass es in diesem Jahr auf der Messe wohl doch nicht ganz so gut gelaufen war.
Bei den Verhandlungen meiner früheren Ehefrau, ihrer gut gehenden Reisetagebücher wegen, war er im Verlag immer unser erster Ansprechpartner für das jeweils neue Projekt gewesen.
Zur Mitte der diesjährigen Messetage hatte es noch nach einem neuerlichen Besucherrekord ausgesehen. Dann, zum Ende hin, war der Strom der Besucher deutlich abgeflaut.
Es stellte sich dann doch noch ein kleiner Rekord ein. 163 500 gezählte Enthusiasten hatten die Hallen bevölkert. Einige wenige Hundert mehr als 2011.
Also kriselt sie nun oder doch nicht?
„Tatsache ist und hier könnte es einen Trend geben, die Branche ist 2011 insgesamt um 2% Jahresumsatz geschrumpft. Nicht gerade viel, aber angesichts der gestiegenen Erstellungskosten in der Buchherstellung, doch noch sehr bedenklich.“
Seine Stirne bekam noch ein paar Falten mehr.
„Na ja, Eichborn nun bei Lübbe und wie man hörte, geht Blumenbar an den Aufbau-Verlag und bei Suhrkamp stehen die Zeichen auf Krieg, was nicht verwunderlich ist. Aber daraus eine echte Krise abzuleiten…, ich weiß es nicht.“
„Der Berlin-Verlag gehört nun bald auch den Schweden?“, versuchte ich ihn zu locken.
Er wirkte nun ein wenig zerfahren.
Nun grüßte er einige Leute draußen im Gang, unter denen ich einen in Deutschland sehr viel gespielten Dramatiker erkannte.
„Frau Berkewicz dürfte zu beneiden sein, wenn der Verkauf nun endlich über die Bühne geht.“
Er meinte Frau Ulla Unseld-Berkewicz, die Witwe von Siegfried Unseld, dem wohl letzten wirklich echten Verleger der Republik.
„Das eBook kommt?“, versuchte ich meine Anfangsfrage neu einzukleiden.
„2.000 Leutchen haben einen Weltrekord im eBook-Staffellesen aufgestellt über die Messetage.“
Seine Stimme klang so, als würde ihn diese Meldung eher bedrücken.
„Aber, dagegen stehen immer noch mehr als 2.600 Leseveranstaltungen im ganzen Stadtgebiet. Doch, doch, aber das eBook kommt. Gar keine Frage!“
„Skoobe hatte diese Aktion ziemlich perfekt durchgezogen und Skoobe ist nun mal eine Online-Bibliothek mit verdammt viel Hunger und vor allem, `ne Menge Hirnschmalz.“
Er sah etwas unentschlossen aus, als ich nun aufstand. Ich hatte meine Ex, Brigitte, erspäht. Wir hatten uns für 3Uhr hier am Stand verabredet.
Ganz der alte Österreichische Kavalier küsste er ihr die Hand.
Dann rief er uns noch nach, dass die Branche sich wohl nicht unbedingt warm anziehen müsse, aber ein Regenschirm wäre wohl in Zukunft keine ganz unnütze Investition.
Alpha Sierra, im Jahr der Leipziger Buchmesse 2012 (Ähnlichkeiten bewusst nicht zufällig)