Die Geschichte vom Weihnachtsbaum… – Die bunte Welt von Vivienne

Vorsichtig stand ich am Samstagmorgen auf. Albert schnarchte noch friedlich vor sich hin. Gegen zwei Uhr früh war er von der Weihnachtsfeier seiner Firma heimgekommen – gut gelaunt und beschwipst. Er war mir um den Hals gefallen und fast gleichzeitig eingeschlafen. Und so schnarchte er noch immer… Ich schaltete die Espressomaschine ein und gönnte mir meinen ersten Kaffee. Während ich ein paar Kekse von der Nachbarin kaute, machte sich mein Mann endlich bemerkbar. Er gähnte laut, kuschelte sich mit der Kaffeetasse in der Hand an mich. „War es nett gestern?“ Ali nickte. „Klar. Seit sein Sohn in einem Tiroler Internat die Matura nachholt, ist Rossecker wieder viel umgänglicher. Im Grunde war er geradezu fantastischer Laune – wenn ich da an die letzten Monate denke hat er eine Wende um 180° vollzogen. Und mit ein paar Vierteln Wein ist er sowieso ein anderer Mensch…“

Albert hielt inne. „Da hat er uns gestern eine Geschichte erzählt wie er zu seinem Christbaum kam. Einfach genial. Mit trockenem Humor – wir haben Tränen gelacht!“ Ich biss in ein Croissant. „Christbaum?“ Das ist doch nichts Außergewöhnliches. Man geht hin und kauft, so einfach ist das.“ Ich ließ mir meine Skepsis gut anmerken, doch Ali lachte mich aus. „Das sagst du so. Aber Rossecker hat diese Geschichte so drollig zum Besten gegeben, dass man einfach nur losprustenn kann. Lass dir erzählen…“ Er holte sich noch einen Kaffee von der Espressomaschine und begann dann seinen Report…

„Weißt du, eigentlich begann Rossecker damit, dass er und seine Frau sich wegen des Christbaumes nicht einigen konnten. Die beiden würden alleine feiern, denn die Tochter, die in Wien studierte, würde nur auf einen Sprung vorbeischauen. Also wollte Rossecker keinen Christbaum, seine Frau aber doch. Schließlich schlossen die beiden einen Kompromiss. Eine kleine Tanne durfte es sein, mit der konnte sich Rossecker arrangieren. Zu Maria Empfängnis brachen er und seine bessere Hälfte dann auf um das Bäumchen zu organisieren. In einem nahen Baumarkt wollte Rossecker kurzen Prozess machen. Doch er fand keinen kleinen Baum, nur ewig lange Nordmanntannen. Also fragte er einen Angestellten. Und der zeigte ihm den einzigen kleinen Baum, der noch vorrätig war…“

Albert grinste. Ich zog meine Stirn in Falten. „Und?“ „Der kleine Baum war sehr mitgenommen. Er zog eine Nadelspur über den halben Platz. Und wenn man ihn anfasste, musste man Angst haben, dass er die restlichen Nadeln auch noch verlor. Als Rossecker pro forma den Verkäufer fragen wollte, wie viel der kosten sollte, entdeckte er das Preisschild selber:10 Euro. Wortlos verließ er den Baumarkt. Seine Frau hatte im Auto gewartet und fragte ihn wegen seiner Miene erst gar nicht, ob er erfolgreich gewesen war. Die Reise ging nun weiter zu einem Christbaumverkäufer, von dem Rossecker wusste. Dort begab er sich gemeinsam mit seiner Frau auf die Suche. „Alle Bäume EUR 30“ stand auf einem großen Schild. Rundherum die schönsten Bäume in exorbitanter Größe, aber auch ein paar kleinere, sehr hübsche Bäume.

Rossecker war nun der Meinung, dass sich der Preis unmöglich auch auf die kleinen Bäume beziehen konnte. Aber er wurde eines Besseren belehrt. „Zwei Euro Abschlag kann ich Ihnen gewähren.“ blieb der Christbaumhändler unnachgiebig. Als Rossecker zu handeln anfing, biss er auf Granit. Rossecker fluchte nach eigenen Angaben wie ein Rohrspatz. Seine Frau belehrte er, dass er nun genug hätte von der Christbaumsuche und dass es bei ihnen daheim keinen Christbaum geben würde. Punktum.“ Ich grinste. „Der wirft aber die Flinte schnell ins Korn. Es gibt doch noch mehr Händler in der Stadt, und Baumärkte.“ „Natürlich, Liebes. Aber du kennst ja Rossecker, es hatte ihn nicht mehr interessiert. Seine Frau durfte seine schlechte Laune ausbaden…“

Ich stand auf und wollte ins Bad gehen. Die Stimme meines Mannes holte mich zurück. „Das war es noch nicht, Vivi. Das Beste kommt noch…“ „Da bin ich aber neugierig!“ erwiderte ich. Aber Ali spannte mich nicht auf die Folter. „Weißt du, am Abend wollte Rossecker mit ein paar Freunden Kegeln. Er fuhr mit dem Wagen zu dem Lokal – und da hatte sich doch tatsächlich ein kleiner Christbaumhändler in derselben Straße eingefunden. Rossecker bekam ein schlechtes Gewissen, weil er zu Mittag so grantig gewesen war und sah sich die Bäume an. Tatsächlich fand er da eine wunderschöne kleine Tanne und erkundigte sich nach dem Preis: EUR 15.—Rossecker überlegte nicht lange und schlug zu. Gut gelaunt packte er den Baum in den Kofferraum und verbrachte den Abend mit seinen Freunden.“

Ich war nicht überzeugt. „Und das war der Höhepunkt der Geschichte?“ Albert lachte. „Nein, der kommt jetzt. Rossecker fuhr heim, parkte in der Parkgarage und packte den Baum um nach oben zu gehen. Die schwere Brandschutztür klemmte ihm aber den Baum ein, ohne dass er es gleich merkte und als er den Widerstand spürte und zerrte, halbierte er den Baum. Jetzt hatte er ein 40cm-Bäumchen…“ „Nein“, widersprach ich. „Das gibt es doch nicht. Halbiert? Was hat seine Frau gesagt?“ „Nichts!“ antwortete Ali. Denn Rossecker war wieder schlecht gelaunt und da ließ sie sich auf keine Diskussionen ein. Aber…“ Albert amüsierte sich königlich. „Er hatte zumindest einen Baum…!“

Vivienne

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