Die großen Fragen der Menschheit… – Tonis O-Ton

Ein Resüme über Nazis und alte Freundschaften

Da treffe ich neulich meinen alten Freund Gerold ganz in der Nähe seines Reiterhofes. Die letzten Jahre hatte ich meine Schritte immer weit um die Zufahrt seines Gehöfetraktes herum wissentlich gerichtet.
Dieser uralte Freund wollte einfach nicht mehr in mein Freunde-Portofolio passen!
Natürlich frage ich mich heute umsomehr was dazu führen konnte!

„Hey Alder, nett, dich mal wieder zu sehen! Hascht Luscht aufen Moscht?“

Neben der Aufzucht von Turnierpferde-Nachwuchs war das Vermosten von Fallobst eine der schon lange bevorzugten Tätigkeiten Gerolds.
Und, bei aller Kritik an meinem alten Kumpel, seine Moste waren schon immer ein Grund einfach mal die Schule zu schwänzen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen.

Ja, doch, Gerold hatte etwas um das er zu beneiden war. Neben all den in alten Damenstrümpfen gefilterten geistigen Wohltaten steckte so etwas wie Wahrheit. Eine Wahrheit allerdings, die uns Schülern in der Achten immer noch von den Lehrern und dazu den Eltern vorenthalten wurde, und wir uns deshalb dazu erdreisteten, uns unsere Gewissheiten selber zu erwerben. Was dann aber auch nie ohne sehr schwere Folgen bleiben konnte.

Der zweite unumstößliche Umstand bei Gerold um den ich ihn beneiden musste, war seine Fähigkeit aus Gitarren Töne herauszuholen, die ich bislang nur von Größen wie B.B.King, Stevie Ray Vaughn oder dem beneidenswerten Johnny Winter jemals gehört hatte.

Darauf angesprochen, behauptete Gerold immer mit angeblicher Selbstbescheidenheit, etwa weitere einhundertundfünfzig Bluesgitarristen „auf der Latte“ zu haben, und nur seltsame, böse Mächte an seinem Mangel an Berühmtheit ihre Schuld hätten!

Heute frage ich mich schon mit Bedacht, ob sich damit sein krudes Weltbild in frühen Jahren erst entwickelte, oder schon in gewisser Weise verfestigt hatte.

„Na klar, Gerold, warum nicht, das Zeug hat uns ja lange genug vom drögen Untericht in der Penne freigestellt!“

Ihm nun nicht zuzustimmen, zugebenermaßen mein erster Reflex, konnte ich der zufälligen Begegnung zuliebe nicht übers Herz bringen.
Seine Freude mich hier und jetzt zu treffen war seinem Gesicht abzulesen. Ja, Gerold trug schon früher immer sein Gefühlsleben vor sich her.

Und das zweite was mir Gerold dann zum eher Unangenehmen machte, sollte dann allerdings unsere weitere Unterhaltung prägen!
Zusammen den Most zu trinken, Witze zum Besten zu geben und dann andererseits zu politisieren, dürfte nicht immer von Gemeinsamkeiten geprägt sein.

Es gibt nichts zu beschönigen, und das wurde mir dann schließlich auch zur Gewissheit, Gerold war und ist bis heute, wenn schon etwas Negatives zu berichten ist, eine alte Nazisau!

Im Keller seines etwas abgelegenen Wohnhauses, schräg gegenüber seiner Pferdekoppel vor dem Waldrand angekommen, nahmen wir Beiden an dem mir noch von früher her bekannten langen Eichentisch platz.
An dieser Tafel zu sitzen, nichts anderes träfe die Bedeutung dieser Ansammlung klassisch geschnitzter Eichenstühle nebst dieser schieren Unmöglichkeit von Eichenplatte besser, hatte mir schon früher immer einen wohligen Schauer über den Rücken gejagt.

So etwa könnte es damals bei König Artus unbedingt gewesen sein. Ja, auch dieser Mythos hatte uns nicht erst nach den ersten Mostgläsern in völlig andere Gefilde transferiert.
Jedoch, so sollte sich nun zeigen, hatte Gerold scheinbar nicht nur der Most ordentlich geschadet. Etwa, das mir gottlob wohl nicht geschuldet war.

„Ja“, sagte ich um die etwas gespannte Atmosphäre zu lockern, „… dieses Arangement ist mir noch von früher her bekannt.“

„Na klar, aber du müsstest mal unsere Treffen besuchen, da geht’s manchmal richtig zur Sache. Alles aufrechte Patrioten!“

„Patrioten, du hälst hier Treffen von Rechten ab?“

Ich konnte es nicht glauben, sollte Gerold wirklich…?

„Na klar, ich bin doch jetzt ein richtiger Nazi, musst du wissen!“

„Du meinst, Hitler und so, rechte Spinner mit nem Hang zum Völkermord?“

„Quatsch, Hitler und so, richtige Kerle mit dem Hang, Deutschland zu retten, vor der Merkelschen Volksumsiedelungspolitik. Deutschland soll und muss deutsch bleiben! Wir lassen die Umvolkung Deutschen Blutes nicht zu. Merkel muss weg!“

Das was Gerold nun ansprach war mir wohlbekannt.
Spätestens seit Höckes Ankündigung, „wir holen uns unser Land zurück…“ und der Bestätigung Gaulands, dieses Vordenkers rechten Gedankengutes, „… dass zwölf Jahre Naziherrschaft, nur ein Vogelschiss in der tausendjährigen Geschichte Deutschlands gewesen sind…“ wusste ich was von dieser neuen Partei mit dem Kürzel „AfD“, der Alternative für Deutschland, wirklich zu halten war!

Der Wortlaut bei Höckes Auftritt, Parteiführer in Türingen und nicht etwa vom Fraktionschef im Bundestag, Gauland gebremst, konnte eins zu eins mit dem damals von Dr. Göbbels dem Paladin Adolf Hitlers in der Deutschlandhalle in Berlin verglichen werden.

Lediglich die Beifall einfordernde Frage: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ fehlte bei Höckes Wahlkampfauftritt im Osten. Beinahe ist man gezwungen zu fragen: „Wie lange noch?“

„Und wer kommt alles zu diesen Treffen, Gerold, kenne ich davon welche?“

„Ich weiss nicht, die meisten davon sind erst vor Kurzem zu uns gestoßen! Einen, vielleicht, könntes du kennen. Den mit der Vertretung von Herrenkonfektion, du weist doch den Herbert aus der Eifel. Der, der noch immer Sonntags in die Kirche rennt. Das weiss man ja, die in der Eifel sind strenge Katholen! Aber, wenn der Umsturz kommt, müssen alle verfickten Systemlinge rennen damit wir sie nicht in die Finger kriegen.“

Bei dieser kurzen Ansprache Gerolds konnte ich seine Halsschlagadern wachsen sehen.

„Prost, sage ich, auf den Führer!“

Gerold hob sein Glas, um es in einem Zug zu leeren! Mir blieb beinahe das Herz stehen.

Ich brauchte eine kleine Weile um mich zu sammeln.
Schließlich versuchte ich mich damit, Gerolds Motivation und seinen Hass auf Angela Merkel zu erfassen. Dem Kerl ging es doch gut, soviel ich weiss, und was konnte also der Grund für seine Rechtsüberzeugung sein?

Na klar hatte es damals Prügel gegeben nachdem die Mostverkostungen und die Fehlstunden in der Schule, zum Thema wurden.
Aber, gottlob, hatte es bei uns zuhause lediglich Ermahnungen, bei Gerold aber Schläge mit dem Hosenriemen gegeben. Insofern war ich schon immer beser als der Kumpel dran.

Aber konnte Strenge im Elternhaus wirklich der Grund für Gerolds Geschichtsvergessenheit sein? Hatte der Geschichtsunterricht, im Grunde mein Lieblingsfach, bei Gerold nicht exakt ebenso wie bei mir gefruchtet?

„Was haben wir da eigentlich in Berlin? Eine von den Amis eingesetzte Schattenregierung? Ich geh schon lange nicht mehr wählen. Erst als die AfD diese Europaprofessoren, den Lucke und diesen anderen, wie heisst er noch, rausgeschmissen haben bin ich mal wieder hin, ins Wahllokal!“

„Und hast wehn gewählt, die AfD natürlich?“

„Näh, zuerst nicht. Da hab ich den Wahlzettel mit den ganzen Schnarchnasen drauf ungültig gemacht, indem ich alle Parteien und Kandidaten durchgestrichen hab. War ne verdammt lange Liste, sag ich dir!“

„Na ja, da konntest du ja zumindestens deine ganze Wut mal rauslassen. Ist ja auch mal sehr hilfreich Gerold. Nur warum hast du diese, deine Wut überhaupt?“

Nein, im Grunde wusste ich bereits Alles. Ich wollte nur Gerolds augenblickliches Bedürfnis mir seine Weltsicht zu schildern, nicht abbrechen lassen.

„Scheiße,Wutablassen, merkst du den nicht, wie wir alle hier verarscht werden? Die Merkel holt Millionen von angeblichen Flüchtlingen ins Land und versucht dadurch uns, die alles nach dem uns aufgezwungenen Krieg wieder aufgebaut haben, als Alte Nazis zu verunglimpfen nur weil wir uns gegen diese Umvolkung wehren wollen!“

Da waren sie wieder, Gerolds geschwollene Halsarterien! Pass blos auf, Freund, dass dir die Dinger nicht explodieren, schoss es mir durch den Kopf! Gesagt hatte ich es aber nicht.

Seltsam, in der Tat! Da wird ein Björn Höcke auf Gerichtsbeschluss zum „Faschisten“, zumindest darf er so genannt werden. Aber erst, nachdem er sich von einem Deutschen Gericht reinwaschen lassen wollte! Der Faschist Höcke, einer der genau diese Gesinnung wie eine Fahne vor sich hertrug, also die Faschistische Gesinnung, will gerade nicht Fachist genannt werden? Warum denn nicht, lebt er doch genauso wie seine Parteigenossen diese Ideologie?

„Du sagst doch selber, du wärst ein richtiger Nazi, Gerold, was stört dich daran, als Nazi bezeichnet zu werden?“

„Weil ich keiner bin, klaro? Ich würde am liebsten der Merkel mal richtig eine reinhauen, der Volksverräterin! Ich bin einfach nur aufrichtig. Ich will keine Musels mit oder ohne Kopftuch und Burka hier rummrennen sehen. Überall, wo ich hinkomme, trete ich beinahe auf dieses Gewürm. Die sollen sich dahin verpissen woher sie gekommen sind.“

Irrte ich mich, oder hatte der Most Gerold tatsächlich schon so sehr zugesetzt? War er schon früher so schnell voll, oder hatte der Alkohol nur seine Zunge ein wenig gelöst und könnte da an und für sich noch einiges weiteres an Volksverhetzung folgen, was ich auf gar keinen Fall über mich ergießen lassen wollte?
Ich beschloss mich zu verdrücken.

„Pass auf, Gerold, ich mach nun `nen Abflug. Du musst wissen, ich teile deine Ansichten nicht! Und selbst wenn auch ich die Merkel nicht wirklich schätze, persönliche Angriffe gehen nach meiner Meinung nach gar nicht. Und nicht zuletzt Kassel und Halle haben doch gezeigt, wohin solche Verrohungen in der Sprache führen. Ich möchte mich auch nicht mit dieser Problematik wirklich umfassend befassen. Nimms mir nicht übel, aber du bist ein verdammtes Arschloch wenn das wirklich deine Ansichten sind! Und glaub mir, jeder Depp, Nazi, Faschist oder Antisemit soll so genannt werden dürfen. Und bei den Nazis kommt noch dazu, dass sie wohl wissentlich eine böse Volksverhetzung begehen, die niemals unwiedersprochen im Raum stehen dürfen. Machs gut, alter, verblödeter Kumpel.“

Wenige Minuten später befand ich mich wieder auf dem Weg zurück in die Wirklichkeit, die ich nun mit Nachdenklichem zu füllen wusste.
Na gut, Faschist oder Nazi genannt zu werden könnte so Einigen als unangenehm und unangebracht erscheinen. Nur, warum, wenn sie denn genau diese Anforderungen in ihrem Habitus und den Reden erfüllen wollen, bestimmt darauf abzielen, wollen sie diese Kategorisierungen nicht dulden?

Genauso ist es wirklich nicht zu verstehen, dass sich bekannte Rechte, mehrheitlich bekennende Nazis, nie filmen lassen wollen oder fotografieren. Wäre nicht da mal eine ernste Möglichkeit, sich auf ihre Weltsicht einzulassen? Nein, sobald sich irgendwo eine Kamera zeigt werden diese Typen unangenehm und verschlossen.
Ist dieses Volk so ängstlich, dass es sich nur auf durch ihre Führer Vorgestanztes einlassen wollen oder können?
Oder fehlt ihnen einfach nur das Wissen um die Dinge, die sie mit ihrer schweigenden Präsenz zu befeuern gedenken, sie also nur dummes Schlachtvieh sein sollen? Eines, das der höheren Weihen zuliebe gopfert wird?

Ja, wie das berüchtigte Damoklesschwert oder der Knoten des Alexander warten sie auf Erlösung durch den gefeierten Helden, diese nicht beantworteten Fragen. Wobei aber der Held niemals mehr der Kategorisierung eines Adolf Hitlers entsprechen darf. Das alleine schon ist unserer gemeinsamen Geschichte, der meines früheren Freundes und der Meinigen geschuldet.

„Wart nur, wenn der Umsturz kommt wird abgerchnet, auf Mark und Pfennig!“

hatte mir Gerold beim Abschied noch zugerufen.

Meine Güte, Gerold, langsam sollte sich doch auch in deine Kreise herumgesprochen haben, dass in Europa der EURO die nationalen Währungen verschiedener Staaten abgelöst hat.

Die Kleinstaaterei, trotz Brexit Ende Januar, hat gottlob ein Ende. In einer globalisierten Welt hat kleingeistiges Denken mit „Ich“ und „wir“,wenn national begründet, in der Geschichte Europas hoffentlich nur ein „Vogelschiss“ zu sein!

Nun gut, die Hoffnung stirbt ja nie!

© chefschlumpf im Jänner 2020

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