Die Telefonschlampe – Die bunte Welt von Vivienne

Es war spät und ich lag schon im Bett. Morgen wartete ein freies Wochenende auf uns, das uns noch am Vormittag in die Einkaufszentren der Umgebung führen würde. Ich gähnte. Noch lieber wäre ich liegen geblieben, ganz lange, aber ein Wochenende hatte eben nicht nur seine Freuden… Ali sang im Bad, er putzte die Zähne und interpretierte „Mandy“ von Barry Manilow neu. Ich dachte schon einige Zeit über eine Geschichte nach, die mir heute wieder in Erinnerung gekommen war. Sie lag schon einige Zeit zurück, und eine Bekannte hatte sie mir erzählt: Susanne. Ich hatte sie über Ebay kennen gelernt. Schließlich hatten wir uns sogar ein paarmal getroffen, und dabei hatte sie mir von dieser Sache berichtet…

Ali ließ sich wie ein Kartoffelsack ins Bett fallen. Er küsste mich zärtlich, ehe er sich auf die Seite rollte und fast sofort zu schnarchen begann. Ich grinste und sinnierte wieder über Susannes Geschichte. Sie hatte vor einigen Jahren in einer kleinen Firma am Rande von Linz gearbeitet. Ein Familienunternehmen, Vater Franz Markinger hatte die Firma gegründet. Sein Sohn Harald übernahm sie später und irgendwann danach war Susanne zu dem kleinen Team gestoßen. Susanne gestand freimütig, dass es zunächst recht gemütlich in der Firma zu arbeiten war, solange die Wirtschaftslage gut war. Aber als die Aufträge ausblieben, wurde der Alltag schwierig. „Harald Markinger hat mich nie leiden können, aber ich war anfangs die einzige, die zu Sofia nett war, die die Telefonzentrale betreute. Was sich allerdings änderte, als während einer Besprechung aus meiner Handtasche EUR 100 verschwanden. Außer Sofia kam niemand in Frage als Täter. Die anderen Kollegen waren entweder auch in der Besprechung oder unterwegs. Aber Sofia bestritt alles und erfand das Märchen vom Unbekannten, der ins Firmengebäude eingedrungen wäre, als sie am WC war. Und der musste mich bestohlen haben!“

Susanne lachte laut. „Völliger Stumpfsinn. Woher hätte irgendjemand wissen können, wo mein Schreibtisch mit der Handtasche stand? Aber Markinger hielt zu Sofia und stellte in Frage, dass ich überhaupt das Geld in der Börse gehabt hätte. Irgendwann begriff ich auch warum: Markinger und die Telefonistin hatten gelegenheitshalber Sex. Wohl gemerkt, kein Verhältnis, nur Sex. Für ihn allein zog sie sich immer freizügiger an und dafür deckte Markinger den Diebstahl und ihre sehr merkwürdige Einstellung zur Arbeit. Für mich war Sofia nach dem Vorfall gestorben, EUR 100 waren und sind für mich kein Pappenstiel, aber das kümmerte offenbar niemanden. Zwar erfuhr ich in Folge von den Kollegen, dass es schon öfter ähnliche Vorfälle mit Sofia gegeben hatte und immer hatte Markinger nicht einmal darüber nachgedacht, die Telefonistin zu kündigen. Die im Grunde häufig mit den Kunden flirtete und auch Dates mit ihnen ausmachte.“

Ich sah Susannes Gesicht wieder vor mir, die zwar grundsätzlich schon über den Dingen stand, der man aber anmerkte, dass sie nach wie vor nicht ganz verstand, dass ein Vorgesetzter Diebstähle einer Mitarbeiterin decken konnte. Und ganz ehrlich: ich konnte ihr das nachfühlen. Das war einfach eine Sauerei! Susanne setzte ihre Geschichte fort… „Geschimpft wurde viel über Sofia: Hure, Schlampe, Dorfmatratze, Diebin, – kaum ein passendes Schimpfwort, das im Zusammenhang mit ihr nicht zitiert wurde. Aber nur hinter vorgehaltener Hand. Man war zu feig, ihr ernsthaft und offen die Meinung zu sagen, weil Markinger hinter ihr stand. Markinger versuchte mir in der Folge klar zu machen, dass ich Sofia falsch verdächtigte. Er gab sich alle Mühe die Fakten so zu verdrehen, dass ich selber als die Unehrliche dastand. Aber ich ließ mir keinen Sand in die Augen streuen. Mit Sofia gab ich mich nur mehr dienstlich und das höchst wortkarg ab. Sofias Anbiederungen ließ ich in Folge an mir abgleiten wie Wasser am Regenschirm.“

Ali blinzelte, grunzte, legte im Schlaf den Arm auf meine Schulter und schlief an mich gekuschelt weiter. Ich lächelte und betrachtete meinen Mann, der fast wie ein großer Bub bei mir lag. Dann holte mich Susannes Geschichte wieder zurück. „Bei einem Betriebsausflug ins Salzkammergut plante Markinger erneut, Sofia und mich zu versöhnen. Der Chef hatte entschieden, dass wir keinen Bus mieten sondern in unseren Privatautos fahren sollten. Drei Autos für zehn Leute, die Benzinkosten sollten geteilt werden. Als wir am Vortag die Einteilung für die Autos festlegen wollten, versuchten mir die Kollegen allesamt einzureden, dass ich mit Sofia und Markinger in dessen Auto mitfahren müsste. Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, und widersprach vehement, aber die Kollegen wollten nicht nachgeben. Da schlug ich mit der Faust auf den Tisch: Mit dieser Frau fahre ich nicht im Auto! Alle erschraken, nicht nur wegen meiner Wut sondern weil sie erst jetzt merkten, dass Sofia sich einen Kaffee holen wollte und im Büro stand.“

Susannas Lachen klang wieder in meinen Ohren. „Pech gehabt, aber ich bereue es nicht. Und zumindest wurde dann die Autoeinteilung schnell geändert. Keine Rede mehr dass ich bei Sofia sitzen musste. Aber mir wurden von allen Seiten Vorhaltungen gemacht, dass ich das Betriebsklima massiv gestört hätte. Dass ich nicht lache! Scheinheiliges Pack! Selber hatten diese Heuchler bei jeder Gelegenheit ihr Maul über die halbseidene Kollegin zerrissen, mit noch viel ärgeren Beschimpfungen. Aber ich war die Böse, weil ich das Pech gehabt hatte, dass mich Sofia gehört hatte. Markinger wusch mir noch den Kopf nachher – er hatte sicher auf die ursprünglich geplante Einteilung gedrungen, weil er uns versöhnen wollte. Aber ich hatte seine Pläne durchkreuzt… Lange war ich dann nicht mehr in der Firma. Wo die Falschheit und die Lüge so hochgehalten werden, sollte man weiterziehen…“ Recht hat sie, die Susanne!

Vivienne

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