Katzen sind – das weiß jeder, der einen Stubentiger sein Eigen nennt – sehr eigenwillige Geschöpfe, die sich im Grunde auch nicht wirklich ihren Herrln oder Frauerln unterordnen. Um sich durchzusetzen, um an das Objekt ihrer Begierde heranzukommen, können diese Haustiere sehr schlau und auch ein wenig hinterfotzig vorgehen. Ein Hund gehorcht im Normalfall auf’s Wort – eine Katze nie. Die gibt höchstens zum Schein nach… so wie heute Morgen mein Stocki.
Montag Früh. Ich stand hundemüde auf und kämpfte mich fast traumwandlerisch zur Kaffeemaschine vor. Der Duft des koffeinhaltigen Getränks weckte langsam meine Lebensgeister. Als ich die Zeitung aus dem Postkasten holte, miaute mich Stocki an und sprang mit einem weiten Satz durch den schmalen Türspalt ins Stiegenhaus. Flink und behende – trotz seiner fünf Kilo – überholte er mich, als ich die Stufen wieder hinauf ging und drang ins Wohnzimmer und in die Küche vor.
Seine Futterschüssel war leer, doch ich hatte keine Lust ihn jetzt zu füttern. Zuerst einmal wartete mein Morgenkaffee auf mich, das hatte Priorität. Der verfressene Kater war fast nie satt zu bekommen und fing auch oft Mäuse, um sie dann gar nicht anzurühren. Ich ließ mich durch sein Jammern erst gar nicht überzeugen, ich kannte ihn zu gut! Als ich beim Zeitungslesen einmal kurz aufblickte, hätte mich fast der Schlag getroffen. Stocki war im Begriff, auf den Wassereimer zu klettern, der bei uns immer in der Küche steht und in dem wir Wasser für das Blumen gießen stehen lassen. Offenbar hatte er Durst. „Ja, wirst du..!“ Stocki erschrak und sprang wieder herunter.
Ich blickte meinem Kater scharf in seine grünen Augen und der rote Tiger zog sich rückwärts gehend unter den Küchentisch zurück. Na, was will man mehr! dachte ich mir. Man muss ihm ja nur zeigen, wer der Herr im Haus ist. Sein Futter und das Wasser kriegt er schon noch! Zwei Minuten später riss mich ein Rumpeln wieder aus meiner Lektüre. Ich wollte los schreien, aber meine Augen hingen fast paralysiert am Kater, der sich noch am halb umgekippten Wassereimer festklammerte. Mein Gott, liefen meine Gedanken durcheinander, bitte… Zu spät. Stocki sprang vom Kübel herunter und der Inhalt ergoss sich über den Küchenboden.
Und ich sollte in einer Viertelstunde zum Zug. Stocki krümmte sich zuerst unter meinem wütenden Blick und schoss schließlich aus der Küche in den Flur. Fassungslos nahm ich das Desaster in Augenscheinen. Der ganze Raum war voller Wasser. Nicht zu glauben, in welches Chaos vielleicht sechs oder sieben Liter Wasser einen Wohnraum tauchen können. Eine Überschwemmung – im wahrsten Sinn des Wortes. Stocki hatte sich wirklich handfest dafür gerächt, dass ich zuerst an mein eigenes Frühstück gedacht hatte. Katastrophenstimmung machte sich in mir breit.
Fast betäubt begann ich mit Mistschaufel, Putzeimer und Co ausgestattet Ordnung zu machen. Der eine Zug war so gut wie sicher weg, aber was sollte ich tun! Ich konnte diese Unordnung nicht in der Küche lassen, bis ich wieder von der Arbeit heimkam. Die Arbeit ging mir schneller von der Hand als ich dachte. Während ich den Putzkübel wieder verstaute, sah ich halb hinter mir den roten Kater wieder auftauchen. Offenbar ahnte er genau, dass er etwas angestellt hatte und wollte vorsichtig die direkte Konfrontation mit mir vermeiden.
Aufgebracht drehte ich mich zu ihm um, da fiel mein Blick zufällig auf die große Uhr. Wenn ich mich beeilte, erwischte ich wenigstens den nächsten Zug noch. Ich sah Stocki noch einmal ganz scharf an, und er wich wieder zurück. Dann schnappte ich die Jacke und den Rucksack und schloss die Haustür hinter mir. Meine Eltern würden den Kater füttern, er würde nicht vom Fleisch fallen. Ganz sicher nicht. Während ich mich noch meinem Ärger hingab, blieb ein Auto neben mir stehen. Die Nachbarin nahm mich mit zum Bahnhof und ich kam sogar noch zu meinem normalen Zug zurecht. Dein Glück, Kater, dass ich heute früh keine Zeit mehr für dich hatte!
Vivienne