Du würdest es genauso tun… – Ansichtssache

Der Nachbar unseres Sommerhauses in Niederösterreich, Hermann Schraml, arbeitet in der niederösterreichischen Landesregierung in St.Pölten. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit hat er die Position des Amtsdirektors im Personalreferat erreicht. Seine Gattin ist schon seit längerem , seine beiden Töchter und sein Schwager sind seit kurzem im selben Amt – wenn auch nicht in derselben Abteilung – tätig.

Voriges Jahr fand im Juli am Hauptplatz der Gemeinde ein von der freiwilligen Feuerwehr veranstaltetes Sommerfest statt. Zu vorgerückter Stunde, auch der Alkohol hatte eine entsprechende Rolle gespielt, konnte ich eine sich anbahnende Diskussion zwischen Hermann Schraml und dem ansässigen Wirten des Ortes mitverfolgen. Dieser wollte seinem Stammgast im Zuge eines Wortgefechts ankreiden, doch dafür gesorgt zu haben, seine Familienmitglieder im Amt „untergebracht“  – also einen Job im Amt verschafft – zu haben. Der Wirt ist hier sicher falsch gelegen, letztendlich ist ein solches Handeln gar nicht so selten zu beobachten. Schraml wollte aber auch ohnehin gar nichts bestreiten: „Was willst denn? Du würdest es doch bestimmt genauso tun, wenn du könntest! Du wirst doch dein Wirtshaus auch mal an deinem Sohn übergeben.“

Nun, das der Wirt das ihm gehörendes Wirtshaus einem Familienangehörigen übergeben darf ist wohl selbstverständlich, die Funktion eines Beamten ist aber, wie ich denke, doch zweifellos etwas anderes. Schließlich gehört dem Wirten seine Gaststätte, es wäre aber schlimm wenn der Beamte sein Arbeitsumfeld schon als sein Eigentum sehen würde. Es ist schon zu begrüßen, dass Schraml nichts verleugnete, doch bin ich mit der Selbstverständlichkeit die aus seiner Aussage herausgeht nicht ganz glücklich.

Der Versuch eine Handlung, wenn man angegriffen wird, mit dem Satz „Du würdest es genauso tun“ zu rechtfertigen ist eine zweischneidige Angelegenheit, nicht nur zu dem heutigen Thema. Man unterstellt damit einer anderen Person, dass sie eine gewisse Korrektheit oder worum es auch immer geht, außer Acht lassen würde, wenn sie die Möglichkeit dazu hätte. Das Gespräch kann nie zu einem sinnvollen Ergebnis führen, da die angesprochene Person die entsprechende Möglichkeit wohl nicht hat.

Ich verstehe natürlich, dass ein Familienvater wahrscheinlich alles mögliche unternehmen wird um das Beste für seine Sprösslinge zu erreichen, trotzdem muss es aber auch Grenzen geben. Wenn nämlich ein Funktionsträger innerhalb des ihm überantworteten Entscheidungsbereichs sein privates Umfeld übervorteilt bzw. dafür sorgt, dass es übervorteilt wird handelt es sich nicht nur um die im Staate Österreich legendäre Protektion sondern eigentlich auch um Amtsmissbrauch. Schließlich werden durch ein solches Vorgehen all jene benachteiligt die über keine entsprechende Protektion verfügen. „Beziehungen schaden – jenen, die keine haben“ sagt ein altbekannter, leicht zynischer Spruch. Ich verlange aber von den verantwortlichen Stellen, dass diese Botschaft nicht in übertriebenem Ausmaße gelebt wird.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich möchte es hier keinesfalls anprangern, wenn ein Elternteil versucht für seinen Sprössling einen Job zu finden, es muss aber schon die entsprechende Qualifikation als Voraussetzung gesehen werden und einigermaßen gleiche Behandlung mit den Mitbewerbern gelten. Leider habe ich schon von so mancher Entscheidung gehört, wo eine unter Umständen höher dotierte Position an wenig qualifizierte, aber persönlich protegierte Personen vergeben wurde. Oder auch, dass Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Leistung bzw. ihres Verhaltens bereits untragbar geworden wären, weiter gehalten wurden weil sie einen Gönner an entsprechender Stelle haben.

Wie gesagt, unter der Voraussetzung, daß die Qualifikation passt – und die kann und will ich Familie Schraml auch nicht absprechen – ist es natürlich und auch nicht viel dagegen zu sagen, wenn Familienmitglieder bei der Jobsuche in vernünftigen Ausmasse geholfen wird. Trotzdem sollte aber nicht darauf vergessen werden, daß auch der Objektivität immer entsprechend genüge getan wird.

Pedro

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