Es war nördlich von Da Nang.
Wir hatten die Küstenstadt Hue frühmorgens nach Norden verlassen, um in den nächsten drei Tagen mit unserem Platoon im Gelände, so etwas wie eine funktechnische Infrastruktur aufzubauen.
Der Chrysler-Motor unseres M113, wie der leicht bewaffnete Schützenpanzer im Inventar-Verzeichnis der US-Army stand, surrte wie ein Kätzchen und ich schaute mir den riesigen pechschwarzen Kerl an, der sich heute Morgen als unser neuer Zugführer vorgestellt hatte und der sich mich wohl herausgesucht hatte, um den Kameraden und mir zu zeigen, wo der Hammer hängt!
„Deutscher? Was bist du Private? Ein Sch.eißdeutscher? Und so was schickt mir Onkel Sam zum Verheizen in den Urwald? Das Signal Corps der US-Army braucht verschissene Deutsche, um diesen Scheiß-Krieg zu gewinnen? Ich war verdammt noch mal lange genug in Deutschland und ich will verdammt sein, wenn es mir da nicht gefallen hätte, Private! Wie kommt ein verschissener Deutscher dazu, sein Land zu verlassen, nur um seinen Arsch für Onkel Sam zu riskieren?“
„Sir, ich lebe sehr gerne in diesem Land Amerika und ich wollte nur……“
Weiter war ich nicht gekommen, weil mir der Kerl keinen ganzen Satz erlauben wollte.
„Scheiße, ich geb` einen Scheiß für Irgendetwas und für deutsche Grünschnäbel die gar nicht wissen was sie hier erwartet schon mal gar nichts. Wir bauen unsere verschissenen Masten auf und Private, ich will nicht mit einem Auge immer zu dir schielen müssen, damit dir Charlie nicht den Arsch aufreißt und ich anschließend Berichte schreiben muss, nur weil du ein verdammtes Greenhorn bist das lieber in Heidelberg sitzen sollte, als uns hier auf die Nerven zu gehen.“
Er hatte mich mit blitzenden Augen angeschaut. Wollte wohl seinem Vortrag eine besondere Bedeutung geben. Herrgott, was hab ich den Kerl da schon gehasst!
Meine bisherige Einheit, in der ich nun zwei Monate Dienst getan hatte, war aufgelöst worden und ich war zum Signal Corps versetzt worden, weil wie es hieß, dort Leute gefragt waren, die anpacken konnten. Warum man dabei auf mich verfiel, war mir schleierhaft.
Nun gut, ich hatte mich freiwillig gemeldet weil Mutter nach ihrer Trennung von Dad`, wieder zurück nach Hamburg wollte. Mein Bruder Frank war schon im letzten Jahr zurück in die Heimat und für mich, mit meinen gerade mal siebzehn Jahren, kam der Besuch des Rekrutierungs-Sergeanten in der Schule gerade Recht.
Als ich von dem erfahren hatte, dass ich auch als Deutscher ohne wenn und aber zu Onkel Sams Armee könnte, stand mein Entschluss fest. Als mir dann auch noch ein Musikstudium in Berkeley auf Staatskosten nach zwei Jahren Dienst in Aussicht gestellt wurde, unterzeichnete ich, ohne auch nur irgend jemanden, oder gar Mom` zu fragen.
Eine Woche vor unserer Abreise kam dann der Bescheid.
Ich musste nach Lousiana zur Ausbildung und meine Mom` fuhr also alleine zurück nach Deutschland.
Ihr Blick war starr, als Dad` und ich sie zum Flughafen brachten.
*
Sergeant Johnson saß genau wie der Rest von uns in dem Schützenpanzer, auf den Klapppritschen entlang der Seitenwände und wir hatten trotz der Schaukelei versucht, noch eine Mütze Schlaf nachzuholen, weil wir heute schon sehr früh aus den Federn mussten.
Meine Mutter hatte sich in Hans verliebt. Einen Amerikaner, den sie als Hostess auf der Hamburger Messe kennen und wohl auch lieben gelernt hatte. Uns beiden Buben hatte sie ihren Entschluss, Hans nach Georgia zu folgen, erst sehr spät mitgeteilt. Frank war sofort begeistert. Ich hatte meine Bedenken. Nun gut, besser als das Deutschland in der Adenauerzeit, würde es wohl wirklich überall sein. Auch in Amerika. Aber meine Freunde?
Hans, der selber in den Dreißigern aus Sachsen in die USA gegangen war, hatte seine erste Frau bei einem Autounfall verloren und er selber war auch sehr viel älter als Mom`. Doch durch seine Art fiel es uns nicht schwer, ihn sofort als unseren Dad` anzusehen.
*
Sergeant Johnson hatte die Augen geschlossen, obwohl ich von Anfang an das Gefühl hatte, dauernd von ihm beobachtet zu werden.
Er hatte das M16 auf den Knien.
„Private, warum bist du hier?“ hörte ich plötzlich in einem Deutsch, das für die amerikanischen Soldaten die lange in Deutschland gedient hatten, so typisch war.
„He ich hab dich gefragt, warum du verdammt noch mal hier bist! Abenteuerlust? Ärger mit den Alten? Hast du die Tochter vom Prinzipal geschwängert? Hat dir keiner gesagt, dass du hier verrecken wirst? Oder bist du einfach nur bescheuert?“
„Sir, Sergeant, ich weis nicht, ich meine, ich lieb mein Land, ich meine, ich lebe gerne in Amerika und da war dieser Rekrutierungs-Sergeant und da ich ja nach Berkeley will, dachte ich…..“
„Dachtest du, geh nach Vietnam, kill ein paar Charlies und wirst dann zum Amerikaner?“
Er hatte wieder seine Augen geschlossen und es erschien mir, als dass er nun eingeschlafen wäre.
„Warum bist du nicht schon längst Amerikaner, Boyyyyy…..?“
Er hatte mich mit dem wohl schlimmsten amerikanischen Schimpfwort für Nigger bedacht, nur um mich zu demütigen. In mir stieg Hass auf.
„Meine Mutter hatte Angst, dass wir als Citizen eingezogen und nach Vietnam müssten, mein Bruder und ich und darum….“, versuchte ich zu erklären. Er kannte wohl keine Gnade und wollte mich um jeden Preis nur demütigen.
„Und da habt ihr gedacht, ihr macht es Onkel Sam leicht, indem ihr freiwillig diesen Scheißkrieg für ihn führt. Mensch Boyyyyy….., müsst ihr Deutschen doch bescheuert sein!“
Er hatte seine Augen gar nicht aufgemacht, mich auch nicht angesehen, sondern saß ganz entspannt nur da und es schien ihm Spaß zu machen, mich zu beschimpfen.
„Mein Bruder ist mit meiner Mum` zurück nach Deutschland und ich wollte nur nicht wieder dahin.“
„Dein Bruder ist in Deutschland? Dann sind ja nicht alle in deiner Familie so blöd wie du!“
Er hatte mich plötzlich so angesehen, als ob er mich zum ersten mal bemerkt hatte.
„Pass auf, Kraut! Ich sag`s nur einmal! Wenn Charlie uns Schwierigkeiten macht hört alles auf mein Kommando, verstanden? Steh mir nicht blöd im Weg herum. Du machst genau was ich will und ich verspreche, mir geht kein Mann verloren. Verdammt, ich hab auch so ne Mom` und ich hab ihr ein Versprechen geben müssen, verdammt. Und ich hab`s bis heute noch nicht gebrochen, Boyyyyyy………“
„Ach ja, ich heiße Johnson, den Searg…. schenke ich dir. Nur einfach Johnson! Klar?“ hatte er noch hinzugefügt und beinahe schien es, als würde er nun wirklich schlafen.
Der Chrysler schnurrte wie ein Kätzchen. Ich musste an die uns folgenden vier MTW denken und fragte mich, warum ausgerechnet ich hier diesem Johnson in die Hände fallen musste.
Daran musste ich denken, als ich Johnson jetzt in seiner Werkstatt gegenüber saß.
(wird fortgesetzt)
© owarinonai T.R. 2008 mit freundlicher Genehmigung