Eheprobleme – Aus dem Leben

Gott sei Dank hatte sie jetzt endlich aufgelegt, meine Freundin Tamara. Das Gespräch, es dauerte fast eine Stunde. Nervig, aber irgendwie… Sie konnte nicht aufhören. Aufhören zu berichten, wie toll der Typ gewesen sei, denn sie getroffen hatte. Letzten Freitag. Nach dem Kinoabend mit einer Freundin… „Der Sex war fantastisch!“ beteuerte sie mir. Wieder und wieder. „Ich überlege ernsthaft, Dieter zu verlassen. Der schläft doch früh ein, regelmäßig. Ist viel zu müde, um einmal etwas mit mir auszuprobieren. Du verstehst schon. Wenn er überhaupt mal Lust auf Sex hat, auf Kuscheln, auf Intimität…“

Ganz so euphorisch sah ich Tamaras Seitensprung nicht, gewiss nicht. Ich holte mir einen zweiten Kaffee und dachte mir meinen Teil. Von wegen bester Sex! Alles, ich wiederhole, alles was neu ist, wird schnell als aufregend, super und erfrischend wahrgenommen. Auch ein Kurzzeit-Liebhaber oder eine Kurzzeit-Geliebte. Ganz klar, der Alltag, der vielen eingefahrenen Beziehungen das Feuer nimmt und die Leidenschaft erstickt, der ist in so einem One-Night-Stand ausgespart. Würde man mit diesem Menschen dann länger zusammenleben, öfter schlafen und die üblichen Probleme einer Beziehung teilen, würde sich genau so der fade Geschmack des Alltags einschleichen.

Tamaras Schwärmerei, einfach verrückt. Und die Beharrlichkeit, mit der sie an dem Plan festhalten wollte, ihren Mann zu verlassen… „Willst du diesen Liebhaber wiedersehen?“ fragte ich sie schließlich, in eine Pause hinein. Tamara blieb der Mund offen, ganz weit – man konnte es hören. Dadurch ermutigt fuhr ich fort. „Oder willst du ab jetzt à la carte leben? Heute den und morgen den? Und immer das neue, prickelnde Gefühl und dieser fantastische Sex?“ Tamara spürte meine Ironie und maulte zurück. „Was soll das? Darum geht es doch gar nicht. Natürlich möchte ich eine Beziehung und keine Abenteuer am Fließband. Aber verstehst du nicht: ich kann doch mit Dieter nicht so weiter machen wie bisher!“

Beinahe hätte ich gelacht. Dieselben Probleme, die sie mit Dieter wälzte, würden sie, weil ungelöst, in jede neue Beziehung verfolgen. Abgesehen davon, auch wenn es gut laufen sollte mit Tamara und einem neuen Partner: glaubte sie ernsthaft, dass der Sex immer gleich gut und erregend bleiben würde? Ich riss mich zusammen. „Warum wolltest du Dieter denn verlassen? Weil er bequem und behäbig geworden ist? Und weil du wieder regelmäßig guten Sex haben willst? Hast du das Gefühl, dass du etwas versäumst, wenn du bei Dieter bleibst?“ Tamara griff den letzten Satz gierig auf. „Richtig, genau so ist es. Ich verschwende mich an einen Mann, der mich sexuell nicht mehr erfüllen kann oder will.“ Tamara seufzte laut. „Das Leben ist öde geworden, kein Abenteuer mehr. Alles so absehbar, weißt du? Es ist schlimm. Durch diesen Seitensprung ist mir klar geworden, dass das Leben an mir vorbeizieht. Ich agiere nicht, ich sehe zu…“ Ihre Stimme war immer leiser geworden…

Ich räusperte mich. Das Leben kein Abenteuer mehr? Bei Gott, ich bin froh, wenn mein Leben kein Abenteuer ist und halbwegs absehbar verläuft. Aber das sagte ich Tamara natürlich nicht. „Hast du schon einmal geredet mit Dieter? Hast du ihm einmal gesagt, dass eure Beziehung eingeschlafen ist? Dass du Lust hast auf spontane, verrückte Dinge? Zumindest teilweise?“ Ich versuchte eindringlich zu klingen. „Dieter kennst du, du weißt, was du an ihm hast. Er ist nicht nur ein Langweiler im Bett. Er ist verlässlich, ehrlich und – vergiss nicht – er hilft dir im Haushalt. Das tut nicht jeder. Mit einem neuen Lover kaufst du die Katze im Sack. Und der Kerl könnte ein echter Pascha sein und andere Frauen könnten seine Talente auch schätzen, weil er nicht nein sagen kann… Willst du das in Kauf nehmen nur weil er im Bett ein Gott ist?“

Tamara schwieg wieder. Dann wurde ihre Sprache hektisch. „Reden, reden! Das bringt doch nichts. Dieter ist ein fauler Sack geworden. Und wer sagt dir eigentlich, dass ein neuer Partner nicht ein ganz toller Mann sein könnte? Einer, der überall seinen Mann steht, in der Küche wie im Bett?“ Oh, Mann! Wie einfältig! Diesmal lachte ich wirklich. „Weil es diesen Mann nicht gibt, Tamara. Die wenigen Exemplare sind längst vergeben und die warten nicht auf etwas überreife Frauen wie wir zwei es sind. Natürlich weiß ich nicht, was für ein Typ dein Neuer sein könnte. Aber du solltest nicht vergessen, was du an Dieter hast. Ausrechenbar – im positivsten Sinn des Wortes. In wen immer du dich verliebst. Du weißt nicht, wie sich diese Liebe entwickeln wird…“ Ich steckte all meine Überzeugungskraft in meine Worte. „Rede mit Dieter. Bring selber ein wenig Feuer in euer Bett. Und hör ihm einmal zu, was ihn an dir stört…

Tamara schwieg wieder. Ein gutes Zeichen. „Gut es ist einen Versuch wert. Du hast schon Recht, für eine so lange Liebe sollte man auch kämpfen… Danke, deine Ratschläge sind wie immer unbezahlbar.“ Ich lächelte gequält. Dann rief ich gleich Dieter an. „Du hattest recht, Tamara wollte dich verlassen. Da war eine kurze Affäre. Aber ich habe es ihr ausgeredet.“ Dieter schnaufte. „Du bist ein echter Schatz. Wie kann ich dir danken?“ Da gibt es vieles, dachte ich mir genervt. Sehr vieles. Vor allem ruf mich nicht mehr nächtens heulend an, weil du Angst hast, dass deine Ehe scheitert. Aber ich sagte nichts dergleichen. „Habe ich doch gern getan!“

Ich bin kein Eheberater!

Vivienne

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