Es wird Zeit für Tacheles? – Frankie Millers Einsichten

„Frankie Miller, wer rettet eigentlich den freien Journalismus? Ich meine, kann man bei uns jedes Thema unbesorgt ins rechte Licht rücken? Machen Sie sich doch mal ein paar Gedanken zur Lage des Berufes, der uns alle doch immer so schön versorgte und für den wir sogar Steine versetzt und Bäume ausgerissen hätten, wenn denn es nötig gewesen wäre!“

Hatte ich den Herrn Dokter, den, der bei uns die Themen vorgab, wirklich richtig verstanden? Die Blicke der Anwesenden ruhten bei unseres Redaktionsleiters Ansprache an mich, die selbsternannte Edelfeder unseres Käseblättchens, voll auf meiner Wenigkeit!

Rechtes Licht? Wir waren stets bemüht, ein liberales Blatt zu sein, und nun sollten wir das rechte Licht thematisch bedienen? War es wirklich schon soweit? Der Herr Editor hatte wohl in meinem Gesicht die in mir tobenden Fragen erblickt, was ihn zu einem Nachsatz veranasste.

„Nun gut, Miller, wir haben Wahlkampf und es wäre doch schön, unsere Leserschaft mit den etwas unerfreulicheren Thesen und großmundigen Versprechungen der Politik zu konfrontieren, ohne gleich mit der Türe ins Haus zu fallen.“

Wahlkampf, fiebriges Gerangel der Kandidaten um des Wählers Gunst und damit seiner Stimme, galt schon immer als das ganz große Thema der Schreibenden Zunft. Solange ich zurückdenken konnte, waren Redaktionen immer dann im Ausnahmezustand, wenn sich in den Umfragen die bestehenden Regierungen nicht selber wiedererkennen konnten.

An mir war natürlich nicht vollends vorbeigegangen, wie es um die Koalitionäre in Berlin stand und was der Aufstieg der einstmaligen Euroskeptiker von der AfD zur dritten Macht im Staate bedeuten würde, wenn hierdurch die Republik auf Rechts gedreht würde.

Nein, Frankie Miller, was Bundespolitik anging, war immer auf der Höhe der Zeit, wenn auch sein Metier eigentlich immer schon die wirklich wichtigen Dinge im Leben der arbeitenden Bevölkerung umfasste.
Aber, Freiheit nicht der Gummibärchen, der Journaile?

Fragen, welche Antworten verlangen? Konnten Redakteure, also diejenigen die dem Volk Nachrichten verkauften, die dem Volk Aufklärung versprachen, die den Puls der Zeit repräsentierten, nicht schon immer ihre Freiheitswerte verteidigen? Sollte der Beruf des Berichterstatters tatsächlich von Unfreiheit bedroht sein? Gab es irgendwo irgendwelche Einschränkungen bei der Berichterstattung, die Frankie Miller nur noch nicht richtig mitbekommen hatte?

Der Herr Editor, sein stets aufdringlichen Selbstbewusstsein voller Stolz vor sich hertragend, war aufgestanden und an ein Flipchart getreten. Die Morgentliche Redaktionsrunde würde nun auch wieder seinen Eingebungen teilhaftig werden müssen, so meine nicht nur heutige, plötzliche Erkenntnis.

„Frau Merkel und Herr Schulz, bislang noch Repräsentanten einer Großen Koalition, sitzen einem Quartett von gut vorbereiteten Journailisten gegenüber, und sollen diesen Vieren Rede und Antwort stehen, meine Herrschaften.“

Einige Räusperer in der Phalanx der Kollegen, ließen den Editor eine kleine Pause machen.
Folie eins, die er jetzt aufklappte, zeigten die Kürzel der zur Wahl stehenden Parteien.
Donnerwetter, 42 Wahlmöglichkeiten in der Republik waren,womöglich ihrer Bedeutung nach, schön säuberlich aufgereiht. Ich kam wieder nicht umhin, die sehr charaktervolle Handschrift unseres Herrn Redaktionsleiter zu bewundern, zeigte sie doch sehr gut auf, dass auch Geschriebenes nach einer gewissen Harmonie und Gepflegtheit lechzte.

„42 politische Grundhaltungen treffen aufeinander, meine Herrschaften, und wenn man mal genauer hinsieht und in die Zukunft blickt, dann kan man auch ganz ohne die Umfragen zu berücksichtigen, schon heute sehen, dass das Regieren ein Knochenjob sein muss der den ganzen Mann fordert, oder, wie im Falle Merkel, den ganzen Hosenanzug!“

Der Editor, keiner von uns Lohnknechten hatte gelacht, wollte wohl einen Witz anbringen, was immer mit einem gewissen Risiko, das wusste ich genau, in einer Redakteursbesprechung verbunden war.
Ja, 42 Kandidaten für Deutschlands Zukunft, und 42 Fehlbesetzungen wenns ganz schlecht ausgehen würde, und natürlich auch 42 Themenschwerpunkte, wenn man das Ganze ernst genug nähme. Und, dann natürlich auch pro Wähler nur ein einziges Kreuz an der falschen Stelle gemacht, wenn Wunsch und Wirklichkeit für die nächsten 4 Jahre mal wieder völlig auseinander driften würden.

Ach ja, 2 Kandidaten und 4 von der Journaile. Das ZDF, die ARD, RTL und Sat1 hatten geladen!
Fragen sollten gestellt und Fragen sollten beantwortet werden. Merkel und Schulz! Die Eine, unverständlicherweise, für Frankie Miller unverständlich, immer noch Richtlinienkompetente in der Regierung und der Andere, bislang in Deutschland Ungewählte, was für Frankie Miller nicht wirklich unverständlich war, hatte der sich doch bislang nur in Brüssel politisch betätigt.

Und, gegensätzlicher ging es kaum, ein Herr Klöppel, eine Frau Maischberger, eine Frau Illner und, mit offenem Hemdkragen sozusagen seine Kernkompetenz betonend, ein Herr Strunz!

Diese gefühlte Unsitte, von Frankie Miller so gefühlt, noch kurz vor dem Wahltag die Repräsentanten mit Umfrageergebnissen, aktuellen Tagesthemen, Parteiprogrammen, sowie natürlich auch mit Parteipersonalien zu behelligen, ging schon eine ganze Reihe von Jahren so.

Und in der Vergangenheit konnten sich nicht wenige der aufstrebenden Figuren in Politik und Journalistik, in diesen „Schlagabtausch“ genannten Presseereignissen, für die höheren Weihen ihrer Zunft qualifizieren.

Knochenjob! Natürlich macht regieren Mühe und sicherlich auch müde. Und trotzdem muss es da etwas geben, Herr Editor, was nicht wenige Zeitgenossen dazu antreibt, endlich auch mal zu den Regierenden zu gehören.

„ Wie können wir uns als nicht ganz unbedeutende Tageszeitung dabei einbringen?“
Der Herr Chefredaktor hatte schelmisch in die Runde geblickt, was womöglich seinen Flop mit dem regierenden Hosenanzug wieder ausgleichen sollte.

„Freche Fragen stellen? Die Unsicherheit der Bevölkerung angesichts einer kaum bewältigten Zuzugswelle aus Nordafrika, in den verbleibenden zwei Wochen zum Thema machen? Die scheinbare Unfähigkeit der Behörden, abgelehnte Asylbewerber in die Herkunftsländer zurückzuführen?“

Der Herr Editor hatte unsere Antworten gar nicht erst abgewartet und stattdessen, sich soeben schon selber die Antwort gegeben.

Ich hätte sehr gerne die, unsere, Verpflichtung unserer Republik gegenüber zu bedenken gegeben, Verfolgten dieses Planeten Schutz zu gewähren, hielt aber lieber mal wieder die Klappe. Na klar ging draussen die Angst um und seit den Vorgängen in der Sylvesternacht in Köln und vor Weihnachten in Berlin, gab es an den Begründungen dafür auch keinerlei Zweifel mehr.

Nordafrikaner, „Nafris“ im Polizeideutsch, hatten da gar keine Zweifel mehr gelassen! Und dennoch konnte ich mich eines unguten Gefühles nicht erwehren. Einer Gruppe von Menschen die Unfähigkeit anzudichten, sich in unserem Land nicht integrieren zu wollen, nur weil es einige nicht in ihre Birnen bekommen, dass die Wohltaten in diesem Lande nur bei Wohlverhalten ihr Grundrecht sein können? Einige wenige können nicht für die Mehrheit gehalten werden.

„Herr Strunz hat wohl der Mehrheit der Zuschauer aus dem Herzen gesprochen, als er Herrn Schulz unverblümt die Frage stellte, wann denn die 226.000 abgelehnten Asylbegehrenden -wieder weg- seien!“
Dieser Einwurf des Herrn Chef hatte mich wieder von meinem Gedankengerüst herabgebracht.
Ja klar, hätte ich auch gefragt, sogleich meine Überlegung an diesem denkwürdigen Sonntagabend.
Natürlich hat der Journailismus eine Verantwortung. Und diese Verantwortung besteht zu einem ganz großen Teil aus Wahrhaftigkeit. Nein, nicht dem Volk aus dem Herzen sprechen, seine Vorbehalte manifestieren, aber zumindest offensichtliches zur Sprache bringen.

Im normalen Leben stellt sich die Frage, was zu fordern ist wenn gegeben werden soll.
Im Leben eines Schreibers stellt sich diese Frage ganz anders. Hier kommt es zunächst darauf an, nicht so zu berichten, dass damit Meinungen transportiert werden denen es an Wahrhaftigkeit mangelt. Im Falle Strunz ging seine Frage voll nach hinten los. Von nicht Wenigen aus der Branche, die, so der Herr Konduktor, uns immer sehr gut ernährte, kammen volle Breitseiten!

Strunz, so schien es, hatte einen Tabubruch begangen. Er hatte, so nur einer der Anschisse aus den „Qualitätsmedien“, den Steigbügel für die AfD gehalten und wäre nun für alle Zeiten gebrandmarkt. Denn, so der Vorwurf, war die Presse nicht schon immer links?

War dem wirklich so? Hatten diese Presseleute Recht? Die Zunft der Berichterstatter, von einer kleinen Gruppe wirklich Mächtiger mehr recht als schlecht gepampert, obwohl diese eher rechts stzehen dürften, Linkes Gesindel?

Das Herz, so weiss man, schlägt links und trotzdem kann die Gesinnung rechts sein! Zahlreiche Publikationsorgane, an den Bahnhofskiosken zu sehen, bedienen ganz offensichtlich den Rechten Rand unserer Gesellschafft und wenn man mal ins Internet geht, scheinbar auch mit immer mehr Erfolg.
Und trotzdem, Herr Editor, Frankie Miller bleibt davon völlig ungeeindruckt. Er versucht sich eher daran zu orientieren, was in anstehenden Zeiten getan werden muss, und worauf der Leser einen unabweisbaren Anspruch hat, und haben muss.

Na ja, dieser Sonntagabendausflug der oben genannten Sendeanstalten mag in der Nachschau nicht besonders erhellend gewesen sein, wichtige Themen erst gar nicht erst zur Sprache gekommen sein. Aber die geistige Einstellung eines ernsten Journailisten an seiner Fragenstellung festzumachen, geht dann doch wohl zu weit, und doch?

Merkel hatte die Regie vorgegeben. Zuschauer nicht zugelassen. Das ZDF „erpresst“ so hies es. War es dann nicht auch logisch, wenn Merkel auch die Fragen vorgegeben hatte und Frey und Becker von ZDF und ARD da eingeknickt waren, dass das Ganze höchst konspirativ abgelaufen, nur noch von Strunz geretten werden konnte? Herr Strunz als Retter, nicht der Gummibärchen, aber einer der dem freien Journailismus und nicht der AfD den Steigbügel hielt?

Ich schaute um mich. Ich stellte es mir höchst plastisch vor. Wir, alle die hier sassen, im Staub liegend, vom Rücken unserer Rösser gefallen, und dann der Eine, im weissen Onerhemd, barbrüstig unsere Steigbügel haltend, unsere Zukunft im Blick!

Ja, Frankie Miller, lass den Alten quatschen. Du weisst nun was du zu schreiben hast. Nein, nicht den Abgesang auf den Deutschen Journailismus, das Hohelied der Berichtenden, es fehlt noch im Kanon der Selbsbeweihräuchernden, den Unbestechlichen, den Ehr- und Wehrhaften im Pressewesen.
Ja, doch, Bäume versetzen und Steine ausreissen, das was dem Editor am rechten Herzen lag.
Wie war das nochmal? Ehre retten?

Mal sehen was, was Frankie Miller dazu so einfallen könnte. Nur, verrenken dabei, muss auch nicht sein, oder? Schließlich muss unsereins ja auch leben.

Chefschlumpf 2017

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