Konfliktfähigkeit – Aus dem Leben

Persönliche Gedanken zu Peters gleichnamigem Beitrag

Streiten ist nicht meines, nicht üblicherweise. Ich bin sehr harmoniesüchtig und wenn ich ehrlich bin, hielt ich es einige Zeit oft so: ich lasse die anderen in Ruhe, also sollen sie mich auch in Ruhe lassen. Dass man damit nicht weiterkommt, wurde mir klar. Nach und nach, und teilweise mit bitteren Erfahrungen… Streit ist nach wie vor nicht meines, aber ich reagiere. Oder besser gesagt, ich leiste Widerstand, passiv. Sie mauert! beschrieb das ein früherer Chef von mir gerne. Ich ließ ihn reden. Er musste einsehen, dass er dann nicht mehr an mich heran kam, was immer er sagte und versuchte…

Mit so einem Vorgesetzten ist man echt geschlagen. Warum ich nicht früher Widerstand leistete? Weil ich damals der Meinung war, dass es nichts gebracht hätte. Auch wenn ich heute darüber reflektiere, weiß ich, dass ich chancenlos war. Er war der Abteilungsleiter. Er durfte mir Fragen stellen wie, ob ich ohnedies rasiert wäre. Er konnte mir erzählen, dass es sein Traum war, beim Sex ausgepeitscht zu werden. Und er konnte mich belehren, dass eine Frau in meinem Alter sexuell immer wilder und unersättlicher wurde. Ich hätte ihm natürlich sagen können, dass das sexuelle Belästigung war. Ich hätte mich auch beschweren können, dass er mich sexuell belästigt. Er hätte gelacht, alles ins Lächerliche gezogen und im besten Fall gemeint, ich hätte da was falsch verstanden. Im schlechtesten Fall hätte er behauptet, ich hätte das alles nur erfunden… Sie sehen, gebracht hätte es nichts. Das einzig Sinnvolle wäre gewesen, so schnell wie möglich zu gehen… aber dafür brauchte ich einige Zeit.

Aber wissen Sie, liebe Leser, irgendwie habe ich ihm das alles doch heimgezahlt, auf viel subtilere weil passive Art und Weise. Und so habe ich es oft gehalten. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – der Spruch hat etwas für sich. Durch schwere Schuldkomplexe aus der Kindheit werde ich nie ein heftiger, starker Diskussionspartner werden. Ich lasse die Leute reden. Weil ich ganz besonders nicht Kraft und Energie in Leute investiere, die gezielt Streit suchen oder mich provozieren. Oder durchaus auch nur sehr einfach gestrickt sind… Diskussionen um den Fall Kampusch sind ja gang und gebe in diesen Tagen und niemand wird bestreiten, dass das junge, zigfache Missbrauchsopfer in seiner Vorgehensweise mit den Medien oft schlecht beraten ist. Dass sich dennoch viele Leute wie zwei Bekannte von mir über Gebühr über die junge Frau aufregen, ist mir nicht verständlich. Ganz besonders nicht, dass sie vehement fordern, die Frau möge endlich in der Versenkung verschwinden. Diese Einstellung entlarvt die beiden Damen. Solche unangenehme Kriminalfälle wie jener, der wahrscheinlich noch viel weitere, entsetzliche Kreise gezogen hat, sollen einfach unter den Teppich gekehrt werden. Nichts mehr wissen, nichts mehr sehen, ist ja einfacher so. Bei einer ausgeprägten Diskussion neulich zu dem brisanten Thema, bei der mir eine der Damen ganz gezielt und justament widersprochen hat, ließ ich mich nicht auf das Niveau der beiden ein. Das war mir dann doch zu tief. Schweigen heißt noch lange nicht akzeptieren, es heißt auch klug sein…

Wann ist es klug, für seine Meinung, für seine Rechte einzustehen und zu kämpfen? Ich weiß es nicht. Jeder Fall sieht wieder anders aus. Es wird einem in diesem Land nicht verziehen, wenn man für sich und das, von dem man überzeugt ist oder das einem zusteht, eintritt. Gefallen lassen muss man sich aber auch nicht alles. Zu einer alten Bekannten von mir, Ex-Kollegin und selbsternannte Superglucke, pflegte ich über ein paar Jahre einen losen Kontakt. Gemeinsamkeiten gab es außer der früheren Ex-Firma wenige, Belehrungsversuche der Frau ignorierte ich einfach. Wenn es mir zu viel wurde, ging ich auf Tauchstation. Als wir aber wegen einer einige Jahre zurückliegenden Sache in der alten Firma zu streiten begannen und die Frau begann mich wie ein dummes Rotzmensch runter zu machen, beendete ich den Kontakt. Subito. Ich habe es nicht bereut und ich vermisse sie und die zahlreichen Fotos ihrer Enkelkinder nicht.

Natürlich hätte ich es mit der Frau ausstreiten können, dass sie mich mit Respekt zu behandeln hat und dass sie ihre Grenzen weit überschritten hat. Aber ehrlich, auch auf den Respekt dieser Person legte ich ehrlicherweise schon lange keinen Wert mehr. Das ist mir im Laufe dieses Konflikts bewusst geworden. Wer mir den Respekt vor mir nicht zusteht, ist auch meinen nicht Wert. Und falls die Frau jetzt daheim wartet und hofft, ich würde mich tränenreich und voller Entschuldigungen bei ihr melden und um ihren ach so wertvollen Rat bitten, dann wird sie das bis zum Sankt-Nimmerleinstag tun – und natürlich vergeblich.

Bin ich konfliktfähig? Wohl nicht so wirklich, das gebe ich zu. Aber wie gesagt, jeder bringt nicht die gleiche mentale Stärke und Kraft mit in sein Leben, die Kindheit prägt. Man muss für sich einen Weg finden, und manchmal bleibt nur ein rascher Schnitt und Auf Wiedersehen für immer. Nur sollte man nicht glauben, dass die anderen fair sind, nur weil man sich selber bemüht, fair zu sein. Je mehr man Konflikten aus dem Weg geht, desto mehr zieht man sie an. Manchmal auch auf bizarre Weise…

Ein Gesetz des Lebens.

Vivienne

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