Es war mir vor kurzem ein Bedürfnis, daß ich in der Rubrik „Reflexion“ meine Gedanken über die Konfliktfähigkeit der Menschen niederschreibe. Da mich dieses Thema durchaus ein wenig in seinen Bann gezogen hatte stieß ich im Zuge einer Internetrecherche auf den Begriff der sogenannten Kritikkompetenz. Ich möchte euch den Link zu dem informativen Artikel auf Wikipedia nicht vorenthalten, will aber in meiner Kolumne heute auch gerne einige persönliche Ergänzungen dazu anbringen.
Die Kritikkompetenz wird als kreative Facette der sozialen Kompetenz betrachtet. Die Definition der verschiedenen Typen erfolgte durch Dr. Annette Bruce, deren Dissertation sich 2006 dem Thema „Kritikkompetenz im Management“ widmete. Es wird grundlegend zwischen der aktiven und passiven Kritikkompetenz unterschieden, also zwischen den Fähigkeiten konstruktive Kritik zu erteilen und andererseits der Bereitschaft, eine solche auch annehmen zu können. Das spannende an diesem Thema waren für mich die Gedanken zu einer persönlichen Selbsteinschätzung, aber auch einer Einschätzung meiner Mitmenschen – wenngleich eine solche Zuordnung nicht immer ganz einfach und eindeutig möglich ist.
Der Begriff der Kritik ist im heimischen Sprachgebrauch oftmals negativ belegt, weil dabei oftmals an den Nörgler und Besserwisser gedacht wird. Dieser Umstand ist eigentlich schade, weil er auf einem falschem Umgang mit Kritik – aktiv wie passiv – beruht. Eine wohlwollende Kritik kann aber auch eine echte Bereicherung sein, der man sich nicht verschließen sollte. Wir sollten bei der Betrachtung dieses Themas nicht von einer Auseinandersetzung auf Basis eines persönlichen Konfliktes, sondern vielmehr von einem Feedback ausgehen. Es ist natürlich auch vorauszusetzen, daß Kritik immer in einem fairen und angemessen Ausmaß erfolgen sollte.
Aktive Kritikkompetenz
Dem „kompetenten Kritiker“ wird eine hohe Konfliktfähigkeit nachgesagt, welche auf einem hohen Selbstwert des Kritikers beruht. Eine angemessene Kritikkompetenz ist in manchen Positionen auch einfach notwendig und wichtig. Denken wir dabei einfach an die Führungskraft, den Coach oder auch den Lehrer – hier wäre dieser Typus wohl durchaus zielführend.
Für den „kumpelhaften Kritiker“ steht die soziale Anerkennung für sein Verhalten im Vordergrund, was ihm aber daran hindern kann unbequeme Entscheidungen zu treffen. Dieser Typ ist wohl weiter verbreitet, als man glauben wollte. Letztlich macht es aber auch immer einen nicht unwesentlichen Unterschied in welchem persönlichen Verhältnis Kritiker und Kritiknehmer zu einander stehen.
Beim „autoritären Kritiker“ trifft eine hohe Konfliktfähigkeit mit einem Mangel an sozialer Kompetenz aufeinander, was eine sinnvolle Kooperation oftmals verunmöglicht. In zahlreichen Fällen wird dieser Typ möglicherweise hierarchisch über dem Kritiknehmer stehen, womit wir dann schon bei dem weitläufigen und schwierigen Themengebiet des autoritären Führungsverhalten angelangt wären. Ein Auskommen mit einem autoritären Kritiker im Bekanntenkreis kann oftmals strapaziös sein.
Der „konfliktscheue Kritiker“ versucht sich in die Perspektiven anderer Menschen hineinzuversetzen. Seine niedrige Konfliktbereitschaft vermeidet es aber, daß er in spannungsgeladenen Situationen das Konfliktpotential ausspielt. Diesem Typus würde ich mich wohl selbst am meisten zugeordnet fühlen. Es hängt letztlich immer vieles von der Basis der Kritik ab, wo berücksichtigt werden sollte ob es sich um wohlwollende Kritik oder doch einen ernsthafter Konflikt handelt.
Passive Kritikkompetenz
Der „kompetente Kritiknehmer“ ist in der Lage, die an ihm geäußerte Kritik konstruktiv zu verarbeiten. Die Fähigkeit zur Selbstkritik und die Bereitschaft zur persönlichen Weiterentwicklung zeichnen diesen Typus wohl aus.
Der „konfliktäre Kritiknehmer“ faßt Kritik als Bevormundung auf und fühlt sich angegriffen, sodaß rasch ein Konflikt entstehen kann. Auch solche Menschen werden euch wohl schon untergekommen sein, sie zeichnen sich zumeist auch durch eine geringe Kooperationsbereitschaft aus. Durch das konfliktäre Verhalten wird aber kritisches Feedback abgewehrt und die Möglichkeit einer persönlichen Weiterentwicklung ausgeschlossen.
Der „kooperative Kritiknehmer“ scheut den Konflikt, widersetzt sich aber nicht der Kritik. Die Meinungen und Kritiken anderer werden unzureichend hinterfragt, sodaß sich häufige Verhaltensschwankungen ergeben können. Auch wenn diesem Typus eine rasche Zustimmung entlockt werden kann, fehlt die Bereitschaft zu einer produktiven Umsetzung der dargebrachten Kritik.
Der „unabhängige Kritiknehmer“ ist zwar dazu fähig Konflikte zu bearbeiten, letztlich verfügt er aber nur über eine geringe Bereitschaft zur Veränderung. Wenn eine übertriebene Selbsteinschätzung hier jegliche Kritik abwehrt kann die Möglichkeit einer sinnvollen Weiterentwicklung verbaut werden.
Pedro