Alles braucht seine Zeit. Der Mensch ist immer viel zu ungeduldig um abwarten zu können. Sei es im Job, sei es in der Liebe… Das beste Beispiel für Letzteres sind dabei wohl Ali und ich. Wenn ich bedenke, wie lange es dauerte, bis wir nach unserer ersten Begegnung in unserer damaligen Firma endlich zusammenfanden, dann möchte man sich fast die Haare raufen wegen der vergeudeten Zeit… Vergeudete Zeit? Mitnichten! Alles entwickelt sich zum richtigen Zeitpunkt, und ein Apfel kann auch nicht schon einen Tag nach der Blüte heranreifen. Und so dauerte es im Falle von Ali und mir einige Jahre, bis wir uns wieder über den Weg liefen und sich die Gegebenheiten auf jene Weise zu entwickeln begannen, die uns anscheinend immer schon vorbestimmt war…
Ich muss immer schmunzeln, wenn ich an zwei Bekannte von Ali und mir denke, Steffi und Gerhard, bei deren Liebe Gott Amor wohl auch einen Zeitzünder in Verwendung hatte, ähnlich wie bei Ali und mir. Steffi ist eine unheimlich sympathische Frau, nur wenig jünger als ich, und wir haben uns im letzten Jahr beim Kroatien-Urlaub im Flieger kennen gelernt. Weil wir uns vier auf Anhieb sympathisch waren, blieben wir nach der Rückkehr in Kontakt, noch dazu, wo die Wohnung der beiden sich in der näheren Umgebung von unserem Wohnblock befindet. Und als wir, Ali und ich, das erste mal bei Steffi und Gerhard zu Kaffee und Kuchen eingeladen waren, erzählten sie uns natürlich auch die Geschichte ihrer Liebe auf Umwegen…
Steffi und Gerhard waren, ähnlich wie Ali und ich, längere Zeit Arbeitskollegen im selben Unternehmen gewesen. Steffi hatte im Büro der Firma die Außendiensttermine eingeteilt, während Gerhard einer jener Außendienstkollegen war, die dafür in ganz Oberösterreich andere Unternehmen besuchten. Man sah sich daher regelmäßig, man plauschte über Belangloses und war sich dabei ganz sicher nicht unsympathisch – aber der Funke sprang nicht über. Darüber waren sich beide im Nachhinein noch einig. Über vier Jahre dauerte das Nebeneinander bis sich die beiden bei einem Grillfest der Firma an einem Freitagnachmittag das erste Mal näher kommen sollten…
Dabei war der Anlass dafür fast grotesk. Steffi war am späteren Nachmittag von einem angeheiterten Kollegen, der anscheinend immer ein wenig in sie verliebt gewesen war, belästigt worden. Sprich: er hatte sich an sie, die sich im angeregten Gespräch mit Kollegen befand, herangepirscht und sie von hinten umarmt. Damit war er aber bei Steffi an die Falsche geraten. Sie wehrte sich, riss sich ungehalten los und sah sich gleich Hilfe suchend um, ob da jemand wäre, der ihr gegen den Typen beistehen hätte können. Zufälligerweise kam gerade Gerhard mit ein paar Grillkoteletten des Weges, die er verteilen wollte. Steffi nahm ihm einfach einen Teller ab und setzte sich mit ihm an einen der Tische um zu essen und zu reden, wie sie sagte… Und der aufdringliche Kollege suchte schnell das Weite.
Es blieb nicht bei dem Kotelette, das Steffi und Gerhard miteinander verzehrten. Später holte Gerhard je einen Gspritzten für sich und Steffi und als der Abend einer wunderschönen lauschigen Nacht wich, spazierten die zwei schon hinter das Firmengelände und schwärmten über den herrlichen Sternenteppich über ihnen. Bei der Gelegenheit tauschten die beiden auch die Handynummern aus, aber Steffi dachte sich nichts Besonderes dabei. Die meisten Leute würden ja doch nie anrufen, war sie überzeugt… In Gerhard sollte sich Steffi aber täuschen. Am nächsten Morgen, kurz vor Mittag, läutete nämlich ihr Handy und Gerhard meldete sich – mit einer Einladung zum Italiener… Sabine räumte ein, etwas perplex gewesen zu sein, aber sie nahm die Einladung eigentlich sofort an.
In den folgenden Tagen kamen sich die beiden schnell nahe, sehr schnell sogar – man realisierte auf beiden Seiten, dass man verliebt war und dass der Liebesgott mit Verspätung endlich getroffen hatte. Und das umso nachhaltiger. Ein paar Wochen später zogen die beiden schon zusammen, frei nach dem Motto: das passt einfach! Nach einem Jahr suchten sich die beiden eine größere Wohnung. Die Kollegen in der Firma traf fast der Schlag, als sie schließlich dahinter kamen, was sich da für eine heimliche Romanze halb im Verborgenen entwickelt hatte. Manch Unkenruf zum Trotz heirateten die beiden dann nach drei gemeinsamen Jahren und die beiden Kinder kamen in kurzem Abstand zur Welt.
Man sollte ja nie die Flinte ins Korn werfen! Was weiß man schon, welche romantische Liebesgeschichte im Verborgenen brütet und welcher nette Kerl oder welche sympathische Lady nicht schon auf einen wartet. Selbst dort, wo man vermeintlich nie etwas zum Grasen gefunden hat – bildlich gesprochen jetzt… Man sollte vielleicht einfach nur aufhören zu suchen und anfangen zu finden. Alles entfaltet sich zum richtigen Zeitpunkt…
© Vivienne