Liebeskrank – Teil 13

Die Verkäuferin steht ruhig neben mir.
Sehen Sie sich die Reisetaschen einfach mal durch.
Und rufen Sie nach mir, wenn Sie etwas wissen möchten.
Oder wenn Sie sich entschieden haben.
Ich seufze leise.
Da sind ja hundert Taschen!
Zumindest sehr viel.
In allen Farben und Größen.
Und mit den unterschiedlichsten Funktionen.
Was ich suche, ist aber eine einfache Tasche.
Zweckmäßig und robust…
Meine Gedanken schweifen ab.
Frank.
Vielleicht würde er mir nachher behilflich sein.
Heute hatte er mich erst kurz vor Dienstschluss das erste Mal angerufen.

Ich fand das sehr nett.
Nach gestern hatte ich ein kurzes Bedürfnis nach Distanz empfunden.
Unsere gemeinsam verbrachte Nacht war nicht unbedingt eine Offenbahrung gewesen.
Wie sollte sie es auch?
Geprägt von meinen Ängsten.
Und die Geschichte von damals im Hinterkopf…
Dazu die gegenseitigen Erwartungshaltungen.
Ich war froh gewesen, als „es“ vorbei war.
Kein Sturm der Leidenschaft.
Kein Gipfel der Extase.
Sondern einfach zwei Menschen, die sich erst kennen lernen müssen.
Nach und nach.
Auch auf diese Weise.
Mit dem zusätzlichen Manko meines schlimmes Erlebnisses.
Franks Zärtlichkeiten „danach“ waren für mich letztlich das Beste daran gewesen.

Keine Ahnung wie Frank unsere erste Liebesnacht einschätzte.
Er verlor heute Morgen kein Wort darüber.
Schien aber sehr guter Laune zu sein.
Außerdem hatte er sogar Kaffee für mich parat.
Irgendwann beim Frühstück hatte er mir gestanden, dass er selber früher sehr viel Kaffee getrunken hatte.
Aber nach einer heftigen Gastritis hatte er von einem Tag zu am anderen aufgehört.
Der Arzt hatte es ihm nahe gelegt.
Schließlich brachte er mich wieder in die Arbeit.
Da fiel mir dann auf, dass sich sein Verhalten mir gegenüber schon geändert hatte.
Ganz leise.
Er stieg mit mir aus und küsste mich zum Abschied.
Deutlich sichtbar für die Kollegen, die uns beim vorbeigehen amüsierte Seitenblicke zuwarfen.
Frank ließ damit keinen Zweifel daran, dass ich nun seine Freundin war.
Ab jetzt.
Wir sind also nun ein Paar.
Irgendwie gehören wir zusammen.
Und seltsamerweise lässt mich das merkwürdig kalt.
Ich weiß nicht warum.
Nicht dass mir Frank nichts bedeuten würde.
Ganz im Gegenteil.
Aber ich schiebe wohl die erste Auseinandersetzung damit noch weit von mir.
Es wird sich nichts ändern.
Und im Moment wohl wirklich nicht…

Das Handy reißt mich aus den Gedanken.
Das ist nicht Frank.
Unterdrückte Rufnummer.
Skeptisch nehme ich das Telefonat an.
Eine Frauenstimme.
Susanne.
Stefans junge Frau.
Keine Floskeln.
Stefan geht es schlecht.
Der Tumor ist inoperabel.
Keine Chance.
Der deutsche Arzt ist eine Korriphäe.
Er hat uns keine Hoffnungen mehr gemacht…
Stefan ist am Boden zerstört.
Du musst mit ihm reden.
Er will nämlich keine Chemotherapie machen…
Bitte!
Der Schlag trifft mich unerwartet.
Dafür umso heftiger.
Zuletzt hab ich selten an Stefan gedacht.
Weil ich mit mir und Frank beschäftigt war.
Sein Tod schien immer allgegenwärtig.
Und trotzdem.
Nicht so.
Nicht bevor überhaupt sein Kind geboren ist…

Fast tonlos ist meine Stimme.
Als gehörte sie nicht mir.
Ich sehe Stefan wieder vor mir.
Neulich, als ich mich mit ihm in Salzburg traf.
Und seine Worte, die mir letztlich so geholfen haben.
Das ist nicht fair!
Stefan wird sterben.
Daran besteht nun kein Zweifel mehr.
Die Chemotherapie soll nur sein Leben verlängern.
Die Chance, die Zeit mit Frau und Kind so viel Zeit wie möglich zu nutzen.
Ich werde kommen.
Ganz bestimmt.
Ich weiß noch nicht wann.
Aber ich sag dir Bescheid….

Mir ist kalt als ich das Handy abschalte.
Und ich fühle mich schlecht.
Minuten später stehe ich noch immer so da.
Fast betäubt.
Starre auf die Reisetaschen.
Und nehme sie doch nicht wahr.
Ich höre Frank nicht kommen.
Was ist los, Liebes?
Du siehst ja so verschreckt aus.
Er strahlt förmlich und sieht gut gelaunt hast.
Ich drehe mich zu ihm um.
Stefan wird sterben.
Etwas anderes bringe ich nicht heraus.

Dann fange ich zu weinen an.

© Vivienne

Schreibe einen Kommentar