Neue Bohnen Zeitung


KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne  –  Juli 2002



Typisch … und der Konsument darf’s ausbaden!

Es sind die kleinen Dinge des Alltags, die einem immer wieder vor Augen führen, wie absurd sich unser Leben immer wieder gestaltet. So geschehen heute morgen, als ich zum dritten Mal in dieser Woche in einer Trafik am Linzer Hauptbahnhof den Anlauf nahm, eine simple Briefmarke, Wert O,51 Euro, käuflich zu erwerben. An den beiden anderen Trafiken ebendort hatte es am Vortag jeweils immer geheißen, man habe keine Briefmarken mehr. Diesmal betrat ich einen Container außerhalb des eigentlichen Bahnhofs, der ja – wie bekannt – eine einzige Baustelle ist, und deponierte meinen Wunsch erneut. Die Angestellte, eine große Frau mit langen, rötlichen und dauergewellten Haaren, sah mich mit großen Augen an und erwiderte: „Gibt’s nicht mehr bei uns, müssen’s bei der Post schauen – die beliefern uns nicht mehr.“ –  Ein andere Kunde, der vor mir drangekommen war, ergänzte im Hinausgehen: „Die haben die Spannen erhöht. Das rechnet sich nicht mehr.“

Entgeistert sah ich die Frau an und meinte: „Davon hör ich das erste Mal.“ „Ja“, verfiel die Trafikantin in einen heftigen Redeschwall. „Was glauben’s. Die von der Post denken wirklich, wir stellen uns an wie jeder normale Kunde und holen uns die Briefmarken vom Schalter. Die wollen uns die Briefmarken nicht mehr schicken, einfach so. Also sollen sich die Leute die Briefmarken eben bei der Post holen!“ Energisch streckte mir die Frau ihren Kopf entgegen um das Gesagte zu bekräftigen. „Kundenfreundlich ist das ja nicht gerade!“ sagte ich mehr zu mir selber, als ich die Behelfstrafik wieder verließ und mich auf den Weg zum nahen Bahnhofspostamt machte. Ich wollte mir, erstens, endlich die Briefmarke kaufen, und, zweitens, auch unbedingt anhören, was man mir am Schalter der Post zu dieser Sache sagen würde.

Das Postamt war um diese Zeit, 7:30 Uhr morgens, relativ leer, die meisten Schalter waren deshalb nicht besetzt. Ich trat an einen Briefschalter und wiederholte meine Frage nach einer Briefmarke. Während die Angestellte mit flinken Fingern eine Mappe öffnete, der sie die gewünschte 51-Cent-Marke entnahm, ließ ich meine bewusst etwas provokante Frage auf sie los: „Stimmt es, dass die Trafikanten jetzt keine Briefmarken mehr bekommen und man jetzt die Briefmarken nur mehr am Postamt kaufen kann?“ Die Angestelle blickte mich durch ihre Brillengläser sehr gelassen an und antwortete: „Die Trafikanten wollen sich die Briefmarken nicht mehr von der Post holen.“ „Aber“, blieb ich hartnäckig, „kann man sie ihnen denn nicht schicken?“ Die Frau sah mich bei ihrer Äußerung nicht einmal mehr an. „Das geht mich nichts an, das ist an höherer Stelle entschieden worden.“ Und bediente schon eilfertig den Kunden hinter mir…

Kopfschüttelnd verließ ich die Post und dachte mir meinen Teil, während ich zur Straßenbahn ging. Die Sachlage war ganz klar. Da ist auf der einen Seite die Post, die das Briefmarkengeschäft für die Trafiken anscheinend nicht mehr sehr rentabel gestaltet und die jetzt von den Trafikanten auch noch voraussetzt, sie mögen sich die Briefmarken selber vom Postschalter holen. Da sind auf der anderen Seite die Trafikanten selber, die empört auf dieses Verhalten der Post reagieren und kurzer Hand fast durchwegs von einem Tag auf den anderen den Handel mit Briefmarken eingestellt haben, weil sie darauf beharren, sie müssten ihnen wie früher geschickt werden. Stur und unnachgiebig sind beide Seiten bis auf ein paar vereinzelte Trafiken, deren Besitzer sich zum Gang auf die Post nicht zu gut sind. Und wir Konsumenten müssen es schmecken!

Wiehert da nur wieder einmal der Amtsschimmel oder sind die Trafikanten nicht auch sehr unnachgiebig? Ich habe halt das Gefühl, dass in diesem Fall wieder zwei Justament-Standpunkte aufeinanderprallen. Mein Verständnis für die Post ist sehr gering, möchte ich betonen. Nicht nur, dass jetzt in ganz Österreich etliche Postämter wegen Einsparungen schon geschlossen wurden und noch geschlossen werden. Ich habe sehr wohl auch registriert, dass die Briefkästen nicht mehr so häufig wie noch vor ein paar Jahren geleert werden, was vor allem in der Stadt auffällt. Wer sich jetzt schnell in einer Trafik eine Briefmarke besorgen will, wird in Zukunft öfter drei, vier oder mehr Trafiken aufsuchen müssen, bevor er erhält was er will – falls er es bekommt. Und den Trafikanten ist das ziemlich egal, die beharren unnachgiebig darauf, dass man ihnen die Marken schicken muss, weil es anscheinend unzumutbar ist, wenn man sich als Trafikant am Schalter anstellen muss wie ein Normalsterblicher. Gut, letzteres kann ich nur sehr schwer nachzuvollziehen, weil ich den Arbeitsalltag der Trafikanten nicht kenne und nicht beurteilen kann, wie schwierig sich das Besorgen von Briefmarken während der Geschäftszeit einer Trafik einteilen lässt. Merkwürdig erscheint es mir trotzdem.

Denn im Interesse der Kunden sollten beide Seiten einen Kompromiss schließen. Ist doch im Grunde eine Frechheit, wenn man bedenkt, dass man jetzt entweder nur mehr auf gut Glück eine Briefmarke in einer Trafik erhält oder sich deshalb auf die Suche nach einem Postamt machen muss. So viele Trafiken verkaufen neben Briefpapier und Umschlägen in allen Größen schon verschiedene und sehr hübsche Sorten von Post- und Ansichtskarten, womit es mir als Otto-Normalverbraucher nur logisch erscheint, wenn man dort auch gleich die nötigen Briefmarken erhält, um sie zu verschicken. Man denke dabei nur an die vielen Touristen, die es auch in Linz mittlerweile gibt, denen die Grüße an die Daheimgebliebenen verleidet werden, weil beide Seiten so stur sind und sich nicht einigen wollen. Die Bedürfnisse von uns Konsumenten, das ist offensichtlich, sind beiden Seiten völlig egal, sonst hätten wir nicht diesen Status Quo zu beklagen.

Mir kommt halt vor, dass diese Geschichte wieder etwas typisch Österreichisches ist, das woanders nicht so leicht passiert – schon weil der Kunde eigentlich König sein sollte. Aber wenn zwei Sturschädel aufeinanderprallen und keiner nachgeben will, weil es ein Zeichen von Schwäche wäre, wenn man den ersten Schritt zu einer für beide Seiten akzeptablen Lösung macht, dann kann natürlich nicht viel dabei herauskommen. Schon gar nicht etwas, von dem irgend jemand profitieren könnte. Auch nicht die beiden Unnachgiebigen. Denn wer ein wenig hinter deren oberflächlichen, beleidigten wie ungerührten Statements blickt, wird erkennen, dass sich die Kunden, die Konsumenten, das sicher merken, und auf ihre Weise sehr sensibel darauf reagieren werden: wer lässt schon gerne so einen lächerlichen Streit auf seinem Rücken austragen, meint

Vivienne

 

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