von Vivienne – Oktober 2004
Terminal
Seit nunmehr 16 Jahren sitzt ein Iraner am Flughafen in Paris fest. Weiterreise verboten, Rückkehr in die Heimat unmöglich. Opfer einer Gesetzeslücke ist der Flughafen (englisch Terminal) sein neuer Wohnsitz geworden und bisweilen macht der Mann, der weiter beharrlich um seine Weiterreise kämpft, auch Schlagzeilen. Steven Spielberg, seines Zeichens Meisterregisseur, griff diese Geschichte auf. Nach dem Drehbuch von Gervasi/Nathanson drehte er einen unglaublich schönen, berührenden wie manchmal zum Brüllen komischen Film, der auch Platz geschaffen hat für leise Töne und eine zartbittere Liebesgeschichte, der keine Erfüllung beschieden sein soll
Viktor Navorski (Tom Hanks) befindet sich auf dem Flughafen New York. Wie zig tausende Menschen täglich will er nach dem anstrengenden Flug aus Krakozhia (dem fiktiven slawischen Staat, aus dem er stammt) die Formalitäten erledigen. Was Viktor nicht weiß: in seinem Land tobt seit Kurzem ein Bürgerkrieg, die USA haben sein Visum widerrufen und er gilt quasi als Staatenloser. Keine Einreise in die USA möglich, aber auch keine Rückkehr nach Krakozhia. Viktor begreift nicht, was ihm der Dienststellenleiterstellvertreter Dixon (Stanley Tucci) erzählt, denn er versteht kaum ein Wort Englisch. Was dem karrieregeilen Dixon, der kurz vor einer Beförderung steht, ziemlich egal ist.
Viktor wird mit ein paar Essensgutscheinen, einem Pieper und einem Bon für ein Fünfzehnminuten-Freigespräch ausgestattet. So irrt er am Flughafen in einem Bereich für Wartende hin und her. Beim Versuch, einer Reisenden beim Schließen des viel zu kleinen Koffers zu helfen, ruiniert er nicht nur den Koffer sondern verliert auch seine Gutscheine. Aber nach der ersten Verzweiflung resigniert Viktor nicht, er beginnt zu lernen und sich anzupassen. Mit dem Rücktransport der Gepäckswagen organisiert er sich vorerst jenes Geld, mit der er sich das nötige Essen, sinnigerweise bei Burgerking, besorgt. Dixon wird das bald ein Dorn im Auge. Wenn seine Vorgesetzten den Flughafen kontrollieren, soll Viktor nicht mehr auffallen und ihm Schwierigkeiten machen. Er sorgt dafür, dass Viktor den Wägelchen-Job verliert und gibt ihm den wohl gemeinten Rat, den Flughafen illegal zu verlassen. Nicht uneigennützig, die Fremdenpolizei soll Viktor dann fassen, aber Viktor durchschaut die Finte.
Und der nächste Nebenjob naht, denn ein verliebter Angestellter in einem Restaurant bittet Victor, er möge die junge Beamtin, die Viktors Reiseanträge jeden Tag ablehnt, über alles Mögliche ausfragen. Der junge Mann ist nämlich verliebt in sie. Dafür gibt es reichlich Essen jeden Tag und Viktor erledigt den Job mit Bravour. Aber Viktor tut nicht nur das, er beginnt die englische Sprache zu erlernen, er lernt die Flughafenbestimmungen, er schafft sich, geschickter Handwerker der er ist, in einem ungenutzten Bereich (Gangway 67) eine kleine, bescheidene Wohnung. Und er kreuzt die Wege der hübschen Amelia, einer Stewardess (Cathrine Zeta-Jones), die ihr ganzes Leben gewartet hat und nicht nur beruflich von der Hand in den Koffer lebt. Ihr verheirateter Freund liebt sie auf Abruf: wenn er gerade Zeit hat. Eine berührende Romanze beginnt zwischen den beiden ungleichen Menschen, die sich einige Zeit an diesem Terminal immer wieder über den Weg laufen. Eine Liebe, der trotzdem keine Zukunft beschieden ist
Wir erfahren in Terminal über Viktors Vorleben wenig. Weder ob er eine eigene Familie hat, noch was er beruflich tut. Aber er trägt ein Geheimnis mit sich herum, im wahrsten Sinn des Wortes, in einer Erdnussdose, denn Viktor wollte eine Mission erfüllen, als er nach New York reiste Obwohl Dixon Viktor das Leben weiter schwer macht, sucht sich dieser eine weitere Einkommensquelle, die er als schwarz angestellter Bauarbeiter findet wegen seiner unglaublichen Geschicklichkeit. Schließlich sperrt Dixon Victor ein, er will am Tag, der über seine Beförderung entscheidet, kein Risiko eingehen. Ein Vorfall mit einem jungen Slawen, der unerlaubte Medikamente ausführen möchte und mit Selbstmord droht, macht ihn jedoch von Viktor abhängig. Viktor beruhigt aber seinen weiteren Landsmann und hilft ihm mit einem Trick, wie er die Medikamente trotzdem ausführen kann, was Dixon zu einem Wutanfall hinreißt vor den Augen der Kontrolleure. Aber Viktor wird daraufhin zu einer Art Star am Flughafen und Amelia beschafft ihm über ihren Freund ein Eintagesvisum für New York, um seine Mission zu erfüllen.
Dixon versucht selbst das noch zu verhindern, aber Viktors Freunde stehen ihm wie ein Mann zur Seite und ihm gelingt die Flucht in einem Taxi, in die Lexington Road, einem Jazzclub, wo Victor schon vor über neun Monaten bei seiner Anreise hinwollte Der Kreis schließt sich, mehr sei hier aber nicht verraten. – Spielberg gelang mit Terminal ein wunderschöner Streifen, an dem einfach alles passt. Gefühl, Herz, Humor, ohne üppigen Kitsch oder großes Pathos gemacht. Die Filmmusik ist unbedingt zu empfehlen, sie verdichtet die Stimmigkeit des Streifens und die Kameraführung ist überhaupt das Genialste an diesem Film. Mehr als einmal meint man sich selber mitten in dem Gewühl am New Yorker Flughafen zu befinden, neben Victor oder hinter Dixon. Dass Spielberg einen großartigen Darsteller wie Tom Hanks für die Rolle des Viktor gewinnen konnte, machte ihm die Arbeit wohl auch zum Vergnügen. Der Film lebt von und mit Hanks, der mehr und mehr als grandioser Charakterdarsteller brilliert und seine beiden Oscars so wie die zahlreichen weiteren Nominierungen unterstreicht. Längst hat er sich von den netten wie belanglosen Liebesfilmen, mit denen er seine Karriere startete, freigeschwommen.
Man freut sich mit Tom Hanks, man leidet mit ihm. Sein Akzent (auch dank der Synchronstimme!) wirkt nicht lächerlich sondern authentisch, mit seinem Gesichtsausdruck und wenigen Gesten kann er seine ganzen Empfindungen ausdrücken, ohne viele Worte. Seine Tolpatschigkeit wirkt sympathisch, aber nie herabwürdigend. Welch ein Schauspieler! Man würde ihm wohl das Glück mit Amelia gönnen, dieser zarten Liebe zwischen Flugzeugen, Gangway und vielen Koffern, aber diese Romanze ist wohl zu sehr aus dem Besonderen der ganzen Umstände erwachsen als dass sie in der realen Welt eine Chance hätte. Cathrin Zeta-Jones als Amelia gefällt sich in dieser Tragikkomödie durchaus auch von der komischen Seite, ein wenig kalt und steril wirkt sie aber schon im Vergleich zu anderen Filmpartnerinnen, die Hanks schon hatte. Die Chemie zwischen den beiden stimmt nicht hundertprozentig, vielleicht ist man aber auch schon zu sehr auf Meg Ryan an Hanks Seite fixiert Stanley Tucci als Dixon gibt einen tollen Bösewicht ab: egoistisch, kaltschnäuzig, sehr ehrgeizig und ohne jedes warme Gefühl. Aber angesichts von Victor muss auch er resignieren, er hat seinen Meister gefunden
Viktors Freunde am Flughafen sind herrlich gezeichnet, entzückende Charaktere, sehr menschlich und lebendig. Allen voran der Inder von der Reinigung, der für mich den Vogel abschießt! Unvergessen seine Kunststückchen während des ersten Date von Victor und Amelia. Ja, Terminal ist ein sehr witziger Film, lässt aber viel Raum für Gefühl und atmosphärische Dichte. Und für sehr berührende Momente auch ohne Taschentuch (und ich fließe normalerweise bei der geringsten Kleinigkeit über). Spielberg schafft mit Terminal eine Gratwanderung zwischen Komödie und Tragödie, in dem er bei aller Komik auch herzlose Behördenwillkür aufzeigt und wie uninteressant oft ein Einzelschicksal in einer Welt ist, in der sich jeder viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Alles in allem ein Film, den man zufrieden und mit einem guten, warmen Gefühl verlässt
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