ROCK- UND POP-LEXIKON
von Vivienne – März 2004
Paul McCartney, Teil 1
Die Beatles habe ich in unserem Rock-Lexikon schon sehr ausführlich vorgestellt. Die heutige wie die nächste Ausgabe befassen sich mit dem berühmtesten, erfolgreichsten und wohl auch populärsten Beatle: mit James Paul McCartney. Mit Glück allein wäre der Sohn einer Familie aus dem unteren englischen Mittelstand (geboren am 18. Juni 1942) – die Mutter war Krankenschwester und Hebamme, der Vater Baumwollhändler – wohl nicht aus seiner Geburtsstadt Liverpool herausgekommen und bis in den Musikolymp gelangt. Sein Talent und sein unleugbarer Geschäftssinn, gepaart mit Witz, Charme und Bescheidenheit haben viel dazu beigetragen. Trotzdem gilt Paul McCartney immer noch als der liebe Junge von Nebenan. Wie weit das wirklich zutrifft, möchte ich dahingestellt lassen
Als Mitglied der Beatles lebte er in einer von den Medien geschaffenen Welt voller turbulenter Mythen, Spekulationen und verkaufsfördernden Unwahrheiten. Als die eine Hälfte des Songwriter-Duos Lennon-McCartney war er für unzählige unsterbliche Hits wie „Hey Jude“ oder „Yesterday“ verantwortlich. Letzteres Stück hält einen unglaublichen Weltrekord: „Yesterday“ ist mit über sechs Millionen Radioeinsätzen allein in den USA und gut zweitausendzweihundert aufgenommenen Coverversionen der populärste Popsong aller Zeiten. Als 1969 die Bilder von seiner Trauung mit der New Yorker Fotografin Linda Eastman im TV liefen, weinten Millionen Mädels rund um den Globus. McCartney ist und bleibt ein Mann für Frauen, und er zählt auch noch heute auf eine große weibliche Fangemeinde.
1970 setzte Paul also den Schlussstrich unter die Beatles. Pauls Vermögen war zu einem nicht geringen Teil an Apple gebunden und lag aufgrund der unsicheren Rechtslage längere Zeit auf Eis. Eine der vielen Situationen, in denen Paul Linda, seiner Frau, nicht nur in menschlichen Belangen viel verdankt. Da sie aus ziemlich wohlhabendem Hause stammte, ihr Vater war ein prominenter Anwalt, sprang sie zu dieser Zeit auch finanziell ein. Familie McCartney zog sich nach Schottland auf Pauls Farm zurück. Das erste Soloalbum „McCartney“ (Singles Another Day, Lovely Linda) gehört zu seinen wichtigsten Platten: im Alleingang aufgenommen, mit einem Vierspurrekorder.
Galten die Beatles irgendwie als eingefleischte Junggesellenband (obwohl letztlich alle vier Beziehungen pflegten und John seine erste Frau Cynthia ein wenig ungewollt relativ früh heiratete), so hatte Paul vor, an diese Erfolge anzuknüpfen. Allerdings nun in einer Familienband mit seiner Frau. Aus dieser Motivation entstanden die Wings. Obwohl deren Besetzung über die Jahre immer wieder wechselte, kann man heute auf über drei Dekaden zurück blicken, die Paul McCartney mit Solo- und Wings-Alben markierte. „Band On The Run“ gilt mit den Singles „Jet“, „Let Me Roll It“ und „Ninteen Hundred And Eighty Five“ als Meilenstein. Die Platte wurde in Afrika, genauer in Lagos unter schwierigen Bedingungen aufgenommen. Neben weiterem Malheur wurden an einem Tag sämtliche Bänder gestohlen, dann brach auch noch die Cholera aus. „Venus and Mars“ entstand hingegen in Nashville.
Auch nach den Beatles blieb der Erfolg nicht aus. Für den James Bond Film „Live And Let Die“ (der erste mit Roger Moore) schrieb Paul den Titelsong. Die Single „Mull Of Kintyre“ aus dem Jahre 1977 (im Grunde ein furchtbarer Schmachtfetzen) verkaufte sich über zwei Millionen Mal. Allein die Wings brachten es auf elf große Tourneen, nachdem die Gruppe zu Beginn noch für ein paar Pfund in englischen Universitäten gespielt hatte. Bei der großen US-Tour 1976 hatten Paul und Linda ihre Kinder dabei. Musikgeschäft gelebt als Familientrip.