Sprung ins Ungewisse – Teil 22

Hannes saß in einem Lokal.
Es war schon fast halb zwölf.
Er war sinnlos betrunken.
Konnte kaum mehr denken.
Er hatte vergessen, wie viel er getrunken hatte.
An diesem Abend.
In ihm tobte ein Gedanke.
Schmerzhaft und bitter.
Sie war ihm durch die Lappen gegangen.
Sie.
Angelika.
Ein fast perfekter Plan.
Und dann musste die Sekretärin von Schießer stürzen.
Ausgerechnet heute Morgen.
Hätte es nicht morgen früh sein können?
Oder irgendwann?
Warum heute?
Hannes beugte sich nach vorne.
Sein Gesicht wirkte wie schmerzverzerrt.
Er starrte das Glas vor ihm an.
Es war leer.
Er hob es hoch.
Mit zittrigen Fingern.
Hielt es gegen das Licht.
Als ob er es nicht glauben könnte.

Der Kellner kam auf ihn zu.
Hannes blickte ihn mit leerem Blick an.
Dann deutete er wortlos auf das Glas.
Er wollte dasselbe noch einmal.
Aber er konnte nicht mehr sprechen.
Seine Zunge war zu schwer geworden.
Überhaupt fielen ihm alle Bewegungen schwer.
Der Kellner schüttelte den Kopf.
Du hast genug heute.
Geh lieber heim.
Deinen Kater möchte ich morgen nicht haben.
Ruckartig stand Hannes auf.
Er versuchte sich zu sammeln.
Wer war der Kerl da?
Der ihm das Trinken verbieten wollte?
Er stand da.
Konnte sich kaum gerade auf den Füßen halten.
Seine Zunge gehorchte ihm nicht.
Sein Mund war weit geöffnet.
Aber kein Ton drang heraus.
Hannes sah leicht blöde aus.
Der Kellner grinste.
Ich ruf dir ein Taxi, ja?
Selber kommst du ja nicht mehr heim!

Angelika lag im Hotelzimmer.
Sie hatte ein großes Bett ganz für sich allein.
Vorhin hatte sie mit Manfred telefoniert.
Fast eine Stunde.
Was würde das für eine Handyrechnung geben!
Aber egal.
Sie war glücklich.
Nie hatte sie sich Manfred näher gefühlt.
Nie zuvor.
Trotz der Entfernung.
Vielleicht war es wirklich kein Zufall gewesen.
Wie sie ihn damals kennen gelernt hatte.
Ein Mann, der sich um sie sorgte.
Der einfach da war.
Und ihr widersprüchliches Wesen ertrug.
Von Anfang an.
Geli verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
Ein Ruhepol.
Der Mann, bei dem sich zur Ruhe kam.
Und noch viel mehr:
Über Robert hinweg.
Erst hier war es ihr bewusst geworden:
Sie hatte nicht mehr an ihn gedacht.
Seit einer kleinen Ewigkeit.
Und das tat ihr wirklich gut.
Sie begann die Narben und Wunden durch Robert zu vergessen.
Durch Manfred…

Alexa starrte das Telefon an.
Hannes hatte sich nicht gemeldet.
Den ganzen Abend nicht.
Obwohl sie heute alles gemacht hatte.
Wie er es ihr erklärt hatte.
Sie war beinahe gestorben vor Angst.
Als sie an Gelis PC gesessen hatte.
Mit nervösen Fingern tippte.
Immer auf der Hut.
Fiel jemandem auf, was sie tat?
Dass sie an Gelis PC nichts verloren hatte?
Hannes Reaktion war seltsam gewesen.
Zuerst war er ihr noch ganz begeistert erschienen.
Aber nachmittags war er fahrig durch das Büro gelaufen.
Mit kalkweißem Gesicht.
Er hatte sie nicht mehr angesehen.
Meier hatte sich amüsiert.
Wie ein aufgeschrecktes Huhn!
Der Vergleich war nicht schlecht.
Immerhin hatte Hannes dann schon um vier die Firma verlassen.
Ohne ein Wort zu ihr.
Hannes ginge es nicht so gut…
Wer hatte das gesagt?
Alexa wusste es nicht mehr.
Sie fühlte nur:
Irgendetwas hatte Hannes verändert.
Binnen kurzer Zeit.
Sie wusste nicht was.
Aber sie begann sich zu fragen:
Hatte es mit Gelis überraschendem Flug noch Berlin zu tun?
Warum hatte sie, Alexa, diese merkwürdige Mail schreiben müssen?
Von Gelis PC aus?
Was hatte Hannes damit bezweckt?
Alexa setzte sich.
Je mehr sie darüber nachdachte:
Diese Mail war kein Liebesbeweis.
Hannes hatte ihr das nur weisgemacht
Er hatte sie benutzt.
Nur benutzt…

© Vivienne

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