Sprung ins Ungewisse – Teil 26

Meier musterte Hannes intensiv.
Schon seit dessen Eintreten.
Der Kollege saß am Schreibtisch in seinem Büro.
Einige Zeit fiel kein Wort.
Hannes hatte ein spöttisches Lächeln aufgesetzt.
Worum geht es denn?
Meier suchte im Gesicht seines Kollegen.
War Hannes nervös?
Versuchte er Unsicherheit zu verschleiern?
Nun.
Du bist über die Affäre auch informiert.
Jemand hat das versucht, Frau Steyrer etwas anzuhängen.
Sagen wir mal:
So was wie Betriebspionage.
Ist dir da etwas aufgefallen?
Hannes nickte.
Ach so das.
Ich habe die Mail von dir natürlich gelesen.
War das nicht einfach ein schlechter Scherz?
Ich glaube nicht, dass da was dahinter steckt.
Er versuchte sich gelangweilt zu geben.
Dabei war ihm schlecht vor Angst.
Meier starrte seine Finger an.
Kann natürlich durchaus sein.
Es gibt halt ein paar Unklarheiten.
Denen muss man nachgehen.
Aber es riecht halt ein wenig nach Mobbing.
Frau Steyrer wäre diese Mail sicher auf den Kopf gefallen.
Wenn sie nicht mit Dr. Schießer nach Berlin geflogen wäre…

Hannes verschränkte die Arme.
Durchaus.
Aber vielleicht sieht es jetzt einfach so aus.
Aufgrund der Umstände.
Ehrlich…
Wer sollte denn ein Interesse daran haben, Angelika zu schaden?
Niemand, wenn du mich fragst.
Ich sage dir.
Das war ein dummer Scherz.
Nicht mehr.
Meier nickte.
Diese Argumentation war schwer von der Hand zu weisen.
Und trotzdem…
Vorhin war es ihm wieder eingefallen.
Hannes war wie ein aufgescheuchtes Huhn durch das Büro gelaufen.
An dem bewussten Tag.
Kalkweiß im Gesicht.
Und dann schon relativ früh heimgegangen…
Meier wandte sich an Hannes.
Du wirst schon Recht haben.
Für mich sieht es ja auch so aus.
Aber du kennst den Chef ja.
Er möchte das geklärt haben.
Er hat einen Narren an Frau Steyrer gefressen.
Und möchte sie nicht verlieren.
Wegen so einer dummen Sache.
Also, wenn dir was einfällt –
Komm einfach zu mir.
Kann ja sein, dass du was gesehen hast.
Und momentan nicht daran denkst.
Ja?

Meier fasste sein Gegenüber scharf ins Visier.
Und entdeckte bei Hannes den Ansatz eines Lächelns.
Fast wie Erleichterung.
Verdammt.
Er hatte sich nicht geirrt!
Hannes hatte seine Hände da im Spiel gehabt.
Und dann musste es auch jemanden geben.
Der ihn an Gelis PC gesehen hatte.
Hannes stand auf.
Ich denke darüber nach.
Aber versprechen kann ich nichts.
Seine Augen verrieten unverhohlene Freude.
Bis dann.
Meier sah ihm nach.
Den Mund halb geöffnet.
Und erschüttert.
Irgendwie.
Er kannte Hannes seit der in der Firma war.
Ein verlässlicher Mitarbeiter.
Kaum im Krankenstand.
Machte seine Arbeit anständig.
Durchaus engagiert.
Seit über zehn Jahren.
Warum drehte ein Mann wie er so ein krummes Ding?
Aus niederen Motiven…?

Meier erinnerte sich.
Heute Vormittag war Geli in seinem Büro gewesen.
Fast eine Stunde.
Wem traust du so etwas zu?
Wer kann dich nicht leiden?
Immer wieder hatte er die Fragen wiederholt.
Geli hatte ihn angestarrt.
Leicht konfus.
Die Achseln gezuckt.
Ich weiß es nicht.
Ich meine…
Ich hatte keine Freunde hier in der Firma.
Aber gehasst hat mich niemand.
Außer Hannes.
Und vielleicht Alexa.
Aber warum macht man so was?
Mobbing in der Form?
Aus zurückgewiesener Liebe?
Aus Eifersucht?
Wer macht sich diese Mühe?
Meinetwegen?
Bei dem Risiko, entdeckt zu werden?
Geli hatte den Kopf geschüttelt.
Das ist doch lächerlich.

Meier nickte.
Im Grunde hatte Geli natürlich Recht.
Aber er hatte Hannes vorhin beobachtet.
Und der hatte sich verraten.
Beweisen konnte er ihm nichts.
Ganz klar.
Aber für sich selbst wusste er:
Hannes hatte mit der Sache zu tun.
Er musste sich nur die Leute im Büro vornehmen.
Einen nach dem anderen.
Dann würde er einen Zeugen finden.
Oder auch mehrere.
Mit Sicherheit.

© Vivienne

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