Zum Beispiel Afghanistan

„Was,“ würde ich schreiben, „was, Herr Jung, machen unsere Jungens eigentlich so in Afghanistan?“

“Sie fragen Fragen, Herr Chefschlumpf,“ würden er oder sicherlich einer seiner Hofschranzen im Berliner „Ministerium für Verteidigung“ zurückschreiben, „Nationbuilding“ natürlich, ist doch klar, Herr Chefschlumpf! Das weiß doch ein Jeder! Die Bundeswehr macht Nationbuilding und damit unterscheiden wir uns schon ganz gewaltig von den anderen „Alliierten im Kampf gegen den Terror“! Während die anderen Nationen die Gewaltexzesse der Talibankämpfer zu verhindern versuchen, helfen wir der Landbevölkerung, indem wir Schulen bauen, Brunnen bohren und staubige Landstraßen mit einer Teerschicht überziehen. Nationbuilding eben!“

„Ist er richtig,“ würde ich zurückschreiben, „dass die Amerikaner mittels ihrer hochmodernen Waffen den Talibankämpfern ganz fürchterlich auf die staubigen Turbane hauen und dabei schon mal der eine oder andere Zivilist etwas abbekommt, nur weil er nicht schnell genug die Platte putzt? Ich meine, sich nicht schnell genug vom Kriegsgeschehen entfernen kann?“

„Das haben sie sehr schön ausgedrückt, Herr Chefschlumpf, hätten ich oder der Herr Minister Jung auch nicht besser sagen können!“

„Ist es auch richtig, Herr Schranze, dass die Bevölkerung im Norden Afghanistans mit den frisch geteerten Straßen gar nicht so glücklich ist, weil der in der Mittagshitze beinahe flüssige Teer sich beinahe gar nicht mehr von den Füßen abwaschen lässt und daher die Bevölkerung lieber weiterhin weit neben den Straßen ihrer Wege geht? Dort wo die im Staub verbuddelten Bomben lauern?“
“Stimmt leider, Herr Chefschlumpf, die Bevölkerung muss sich erst mal dafür begeistern lassen, dass sie nun so schöne Brunnen und frisch geteerte Straßen hat und das mit den Teerbrocken zwischen den Zehen gibt sich, sobald der Wüstenwind die Straßen wieder mit Sand bedeckt hat. Im Übrigen bauen wir diese Straßen eigentlich eher für unsere Einsatztruppen, damit die nicht dauernd auf möglicherweise im Sand versteckte Sprengfallen fahren.“

„Und, Herr Hofschranz, ist es richtig, dass ihre Brunnenbauaktionen, die sich über die Jahrhunderte natürlich entwickelten ökonomischen Prozesse in einem Land ohne geregelte soziale Versorgung dermaßen stört, dass die erste Aktion, der die Wasserrechte bisher Besitzenden, diese einfach wieder zuschüttet, um nicht mit den alten Clansrechten ihre bisherigen Lebensgrundlage zu verlieren?“

„Könnte sein, Herr Chefschlumpf, näheres ist mir da aber nicht bekannt. Bei der großen Anzahl der von uns gebohrten Brunnen, können wir doch nicht nachher mal nachschauen, dass alles in Ordnung ist.“

„Und die frisch errichteten Schulen, Herr Hofschranz, können sie feststellen, ob der Schulbesuch der Mädchen hier regelmäßig genug erfolgt, oder ob hier der Einfluss der Clans den Schulbesuch verhindert?“

„Herr Chefschlumpf, wie kommen sie nur darauf, dass wir uns um alles in Afghanistan kümmern können? Wir haben schon soviel damit zu tun, uns selber im Land zu bewegen und wir gehen einfach mal davon aus, dass die Afghanen wissen, wer ihr Freund ist und dass die Taliban, die ihnen von den Koalitionstruppen genommene Macht nur zurück erobern wollen, um wieder ein Schreckensregime aufzubauen.“

„Und wie, Herr Minister Jung,“ würde ich schreiben „erklären sie sich, dass die Bevölkerung Afghanistans nun schon wieder einen Anschlag auf unsere Jungs verübt haben, bei dem leider drei Soldaten gestorben sind, wenn sie doch eigentlich froh sein sollten, dass ihre Nation von uns gebaut wird?“

„Das war nicht die Bevölkerung, die diesen perfiden Anschlag verübt hat! Das waren die Taliban, deren Macht mit allen Mitteln gebrochen werden muss. Die Mehrheit der Bevölkerung ist auf unserer Seite“
“Mit aller Macht gebrochen, sagen sie Herr Hofschranz oder Minister, auch mit Gewalt?“
“Natürlich auch mit Gewalt, aber zunächst mit Brunnen, Straßen und Schulen für Mädchen!“

„Und ist man sich darüber im Ministerium im Klaren, dass, sobald die Amerikaner das Land verlassen, auch wir da nichts mehr zu melden haben werden und wir schleunigst aus dem Land verschwinden müssen?“

„Das, Herr Chefschlumpf, wird wohl so sein und Gott möge verhüten, dass die Amerikaner abziehen, bevor wir Friedensstifter und Brunnenbauer die letzte Straßen geteert und die letzte Schule ihrer Bestimmung übergeben haben!“

„Und, dass so was möglicherweise erst in Jahrzehnten geschehen könnte, Herr Jung, ist ihnen auch klar?“

„Wenn sie davon ausgehen, Herr Chefschlumpf, dass ich oder Herr Hofschranz hier, dann noch in ihren Sesseln kleben, muss ich sie enttäuschen. Solange können auch ganz Hartgesottene sich nicht an ihrem Schreibtisch festklammern und eine Legislaturperiode geht eh nur vier schlappe Jahre. Und was in Jahrzehnten alles passieren kann, steht in den Sternen!“

„Tja, Herr Bundesverteidigungsminister, da kann man mal sehen, dass sie und ihre Vorgänger ganz genau wussten, als sie sich der „Koalition der Willigen“ anschlossen und in ein Land einmarschierten, dessen Bevölkerung sich nach den Segnungen der Zivilisation so sehr sehnte, dass sie uns mit Bomben und Raketen empfingen!“

„Worauf sie einen lassen können, Herr Chefschlumpf!“

Ich glaube, ich sollte doch mal an den Minister für Verteidigung schreiben. Verteidigung findet ja, laut Joschka, am Kaukasus statt! Oder war`s der Hindukusch?

Mal sehen, was er antwortet! (ist ja nur so ein Gedanke)

Antoine Susini 24. Juni 2009

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