Zum Teufel mit dem Klima-Wandel – Schlumpfenland ist überall

Die ganze Wahrheit über Weihnachten

>>Hey, Vatter Claas, aufwachen, draußen liegt schon so hoch der Schnee!<<

War da etwas? Dieser Elf mit dem Niederländer-Tick natürlich schon wieder. Ich versuchte gerade verzweifelt das Grauen der Nacht abzuschütteln. Und dann diese unerwünschte Hilfskraft.
Ja ganz recht, das Grauen einer zunächst ermüdend schlaflosen, dann aber doch noch ganz erfolgreichen nächtlichen Beschäftigung mit frischen Träumen und scheinbar nur noch nicht ganz ausgegorenen Wünschen. Ja auch alte Kerle, die so wie ich einen guten Ruf zu verteidigen haben, leiden unter Wünschen, die sich wohl in diesem Leben nicht wirklich mehr erfüllen werden.

Dann, der zipperlichen Prostata wegen, einer oder auch zwei kurze Gänge zur Toilette. Nur um abschließend der hoffnungsvollen Überzeugung Platz geben zu dürfen, es am heutigen Tag doch noch mal ganz entspannt angehen zu lassen.
Wobei, aber das ist schon wieder ein ganz anderer Schnack, eine Flasche frisch gepressten Glühweines – natürlich nur aus dem Supermarkt um die Ecke -, das eigentlich wirklich beglückende am Abend gewesen war.
Jaja das Alter! Nur, wer nicht alt sein will, der muss halt…

>>früher den Suppenlöffel abgeben<<,

…pflegte Großmutter, Gott hab sie selig, immer zu sagen!

Naja. Aber wenn Zipperlein, knackende und knirschende Gelenke, partielle Kurzsichtigkeit und leichter Tinitus beidohrig mit den entsprechenden Mengen an Alkoholischem doch noch kompensiert werden können, sollte man Gott nicht unbedingt allzu böse sein. Dafür, dass er es bei seinen endlosen Versuchen, den perfekten Menschen zu erschaffen, wohl doch ein wenig allzu sorglos angegangen war.

Aber, das mit der Prostata, Herr Gott, musste nun doch nicht wirklich sein!

>>Hey Vatter Claas, aufgewacht, der Alte schimpft schon. Erhebe dich du schwacher Geist, das Fest eilt behänden Fußes auf uns zu und noch sind nicht alle Päckchen gepackt. Die Adressaufkleber sind soeben per Sendboten aus der Zentrale für Christkindliches eingetroffen und ich habe schon mal die Rentiere gestriegelt und poliert. Sie können es scheinbar auch gar nicht mehr erwarten, bis es endlich losgeht. Und außerdem liegt draußen alles unter einer weißen Pracht begraben.<<

Vatter Claas? Das konnte wieder nur dieser vorwitzige Elf sein, Kiragola! Der, den mir der Alte nun zur Seite gestellt hatte, weil mir das ganze festliche Getue scheinbar so ziemlich auf die Nerven ging. Nein nicht, dass ich mich etwa beim Alten über ein Zuviel an Arbeit in der Vorweihnachtszeit beschwert hätte, ganz im Gegenteil! Aber, nach der Pleite vom letzten Weihnachtsfest glaubte der Alte wohl, ich würde diese Riesenanstrengungen alleine nicht mehr packen.
Er hatte mich verd… ernst angeblickt. So wie ein gestrenger Vater seinen Lieblingssohn, der mal wieder mit `ner 5 im Zeugnis herangetrödelt kam und dem nun endlich mal die Hammelbeine langgezogen gehörten.
Er hob an und sein sonorer Altbariton ließ das gesamte Himmelsgewölbe vor Andacht erzittern, wobei er mich nicht aus den Augen ließ. Nun gut, ich kannte ihn ja schon eine geraume Weile und nichts Menschliches war mir fremd, doch wenn der Alte erstmal anfing, war es auf alle Fälle besser, ganz genau hinzuhören.

>>Passt auf, Heiliger Mann, ihr seid ja nun schon so lange bei mir und ich war ja auch immer zufrieden bisher. Doch nun solltet ihr mal einige Gänge zurückschalten. Wir werden ja beide auch nicht jünger. Ich gebe euch zur Probe einfach mal einen von diesen eifrigen Elfen zur Seite. Der kann euch dann bei allem behilflich sein. Nur, macht es bitte nicht so wie im letzten Jahr! Versprochen? Und wenn ich mir euch so heute ansehe, muss ich sogar sagen, dass ich sehr zufrieden bin mit euch. Gut seht ihr aus!<<

Der Alte, von den Menschen immer nur der liebe Gott genannt, konnte doch schon sehr lieb sein, wenn er denn nur gute Laune hatte. Doch warum er mich immer Heiliger Mann nannte, anstatt mich mit Nikolaus, meinem Vornamen oder Herr Weihnachtsmann, meinem Familiennamen anzureden, wagte ich mich die ganzen Jahre über trotzdem nicht zu fragen.
Ich konnte also gar nicht anderes tun, als gesenkten Blickes nur zu nicken. Doch seine warmen Worte taten mir dabei doch sehr gut und ließen mich das Donnerwetter von der letzten Weihnacht beinahe ganz vergessen.

>>Vatter Claas, was ist denn nu? Ich maloch` und was machst du?<<

Kiragola, natürlich! Dieser Vorwitzige. Dieser zwar dienstwillige, aber im erhöhten Maße Aufgedrehte.
Dieser Elf, der vom Alten zu meiner zweiten Hand Geadelte, dabei aber immer etwas zu forsch auftretende Kerl. Naja, seine Anwesenheit war ja insgesamt noch zu verkraften und sein Hang zur Dichtkunst hatte mir dann schon an so manchem langweiligen Tag im Frühling doch noch die Zeit vertrieben. Aber zeitweilig konnte er auch schon eine wahre Plage sein. So wie gerade jetzt wieder.

Dem Drang, liegen zu bleiben und Elf einfach erstmal Elf sein zu lassen, mich nur wortlos umzudrehen, um noch ein Viertelstündchen raus zuschlagen, musste ich doch wohl erstmal widerstehen.

>>Also wo oder was? Wer hat dir eigentlich erlaubt, ohne anzuklopfen hier einfach rein zuschneien? Wie spät ist es? Und sag mal, schläfst du dich selber niemals aus?<<

Ich hatte es soeben geschafft, mein linkes Auge aufzumachen und tastete nach meiner Brille, die eigentlich irgendwo auf meinem Nachtschränkerl….

>>Sucht ihr die hier? Die hab ich euch heute Nacht von der Nase gezupft. Ich dachte mir, bevor ihr sie wieder zerdrückt mit eurem schweren Körper…! Sie hing schon da ganz lose…<<

>>Nicht so laut!<<

Ich musste seiner Geschwätzigkeit einfach Einhalt gebieten. Nicht, dass er etwa wirklich zu laut gerufen hatte, aber dieser Glühwein… gestern? Wohl nicht die allerbeste aller Lagen.

>>Ja ich weiß, ich werde von nun an nur noch flüstern, damit euch nicht auch noch die Birne platzt.<<

Ein Glucksen entwich seiner Kehle, sehr viel lauter als seine vorher auch schon so nervenden Worte.

>>Zu fürsorglich, Kiragola, ihr seid mir zu fürsorglich und was heißt denn hier, schwerer Körper? Glaubt ihr, nur weil ein so elender Wicht wie ihr keiner unschuldsvollen Waage etwas zuleide tun kann, müsst ihr meinen stattlichen Körperbau verunglimpfen? Passt mal auf und kommt ihr erstmal in mein Alter! Ach und übrigens, nennt mich nicht andauernd Vatter Claas! Und das mit der platzenden Birne will ich eben nicht wirklich gehört haben! Klaro?<<

>>Ist o.k., Vatter Claas, im neuen Jahr wird alles besser. Lasst Weihe-Nacht und großes Geschenke-Umtauschen erstmal vorbei sein. Aber nun bitte ich euch noch einmal untertänigst, steht endlich auf! Und die Uhr zeigt ganz genau auf »Erster Advent«!<<

Ich hatte dem Rotbäckigen meine Brille aus der Hand genommen, die Bügel über die Ohren gestreift und, nachdem dann auch das rechte Auge vollständig geöffnet war, konnte auch ich es sehen.
Die ganze Landschaft erglühte in einem makellosen Weiß, wie es die Winterzeit in den letzten Jahrzehnten wohl doch nicht mehr erinnerte. Das ließ auf nichts Gutes schließen. Oh je, nicht schon wieder, lieber Gott! Aber wenn ich so an mir herunterschielte, konnte ich doch ganz zufrieden sein, oder etwa nicht?

Kiragola reichte mir die Stiefel, die glänzten wie schon seit langer Zeit nicht mehr und seiner Nasenspitze konnte ich es ansehen, dass er nun auf eine Belobigung hoffte.

Nun gut, der Herr, Gottvater, hatte mich bei unserem letzten, möglicherweise doch nicht ganz so zufälligen Zusammentreffen, wie da noch von mir vermutet, ein wenig über Körperhygiene, maßhalten und abspecken und der unbedingt hierzu gehörigen Instandhaltung von Kleidung und Frisur ausgefragt, doch auf die Idee, mein Schuhwerk selber zu putzen, hätte ich auch schon vorher selber kommen müssen.
Ob da der Junior, der Herr Christus, möglicherweise auf den Wunsch seiner Mutter, beim Alten vorstellig geworden war? Möglich war`s ja. Maria, wie auf Erden genannt, oder vom einen Teil der Christenheit, Heilige Mutter, war dafür bekannt, äußerst peinlich auf die Etikette zu achten. Hierin glich sie wohl all den anderen Müttern auf Erden, auch wenn es da doch auch noch genügend Ausnahmen geben dürfte.

>>Der Chef, ich meine der Alte, hat mir genaue Anweisungen gegeben. Drum wundert euch nicht, Meister Claas. Ich meine, die rote Robe wurde auch von mir einer, gelinde gesagt, pfleglichen Behandlung unterzogen. Doch, die hatte es wirklich mal nötig, Vatter Claas! Ihr wisst ja noch 2010!<<

Soso, Dieses Bürschchen! Was ging in so einem vor? Würde es mir jemals gelingen können, die Motivation einer Hilfskraft von möglicherweise sehr bescheidener Intelligenz, aber dafür umso ausgeprägterem Ehrgeiz zu erforschen? Nein, nicht dass es mir nicht schmeichelte in solch einer Ergebenheit bedient zu werden. Nein, mich beschlich doch ein wenig ein Zweifel. Konnte es sein, dass der alte Herr mich wirklich langsam von meiner geliebten Arbeit abzuziehen plante? Wegen Weihnachten 2010? Mir, per Ordre de Mufti sozusagen, den Nachfolger schon ins heimische Nest gesetzt hatte? Mich damit enteignete? Damit das Letzte entzog, was mich doch eigentlich nur noch am Leben erhielte?

Nun gut, junger Mann, nun war es an der Zeit, wach und überaus vorsichtig zu sein. Ich werde dich so mit Arbeit überschütten, Kiragola, dass dir die Lust vergeht die nächsten 1500 Jahre lang immer ab ersten Advent auf Erden Glückseligkeiten, den ewigen Frieden und darüber auch noch Sternschnuppen die Mass zu verteilen. Obwohl, ewigen Frieden hatte ich ja gar nicht versprechen können und der Alte hatte ja auch schon ganz zu Anfang schließlich darauf verzichtet, mir hierfür das Gelübde abzunehmen.

Ich hatte ihn möglicherweise damit auf dem falschen Fuß erwischt, als ich ihm die Unzulänglichkeiten dieser Rasse, großkotzig Mensch gerufen, an nicht allzu wenig Beispielen aufzeigte.

Schon bei Herodes, dem Judenkönig, dem Kaiser der Römer, mit Namen Cäsar und nicht erst bei Dschingis Khan, hatte er die Augenbrauen fest zusammengekniffen. Als ich dann schlussendlich bei Napoleon und diesem Österreicher mit Hang zu Khaki-Hemden ankam, waren seine Augen gramvoll geschlossen.
Zumindest stellte ich sie mir da ganz plastisch vor! Seine innere Zerrissenheit und die abgrundtiefe Verzweiflung bei dem Gedanken, an Fehler erinnert zu werden, die schon beinahe gar nicht mehr gut zu machen waren.

So verwunderte es mich kein Bisschen, als er sehr bedacht und im Gegensatz zu seiner sonstigen gewaltigen Sprachkraft, leise, die Augen immer noch fest geschlossen, auf mich einsprach:

>>Darum, Heilger Mann, ist es ja so wichtig für mich, dass gerade am Geburtstag meines Sohnes die Kinder, die es schließlich sein müssen worauf meine ganze Hoffnung ruht, an diesem Fest froh und glücklich sind. Sei dir dessen gewiss, es wäre mir ein Leichtes, dieses kriegslüsterne Volk in alle Richtungen des Universums zu schleudern, aber glaube mir, noch habe ich die Zukunft nicht ganz aufgegeben. Darum sind es ja auch gerade die Kinder, auf denen die Hoffnung aller Welt lastet. Irgendeines dieser Kinder muss doch mal die Idee des ewig währenden Friedensschlusses in die Wirklichkeit umsetzen. Sie können doch nicht alle so geistig umnachtet sein, dass diese Idee nicht irgendwann mal ihr Handeln zum Inhalt machte. Drum gebt gut Acht, Heiliger Mann, dass diese Weihenacht die Menschheit ein wenig friedvoller erleben lässt.<<

In diesem Augenblick übermannte mich eine ungewöhnlich tiefe Zuneigung zu diesem Großen Herrn, unserem Vater und Gott. Er hatte den 24. Dezember 2010 noch nicht einmal mit nur einem einzigen Wort erwähnt.
Doch trotzdem hatte ich es auch diesmal wieder nicht gewagt, ihn zu unterbrechen, geschweige denn, ihm zu widersprechen. Meine so ganz eigenen Erfahrungen mit diesen, sich selber als intelligente Wesen Sehenden, ließen doch verd… wenig Spielraum für Hoffnungen aller Arten zu. Noch zu meinen eigenen Lebzeiten als ganz normaler Mensch hatte es da mal so eine ganz kurze Phase der Hoffnungen gegeben. Irgendwer, ich kann schon gar nicht mehr sagen, wer es eigentlich war, hatte doch tatsächlich die Ideen des Juniors begierig aufgegriffen und sowas wie Friede auf Erden gepredigt. Doch, wie schon so oft auch vorher, keiner schien ihm wirklich richtig zugehört zu haben.

>>Vatter Claas, ich bitte euch, lasst euch doch nicht so hängen.<<

Während ich so sinnierend dasaß hatte dieser vorwitzige Elf mir doch tatsächlich das rote Wams, ohne vorher die Knöpfe zu öffnen, einfach über den Kopf gezogen und versuchte nun, meine Arme in die Ärmel zu pfropfen. Nur, ich habe ein kräftiges Geärm, also hatte Kiragola hierdurch ein Problem. Aber mir vorzuwerfen, ich ließe mich hängen? Na warte, strampele er sich ruhig ab…!
Nur meine bekannte Kurzatmigkeit, die durch das rote Wams, welches immer noch Mund und Augen bedeckte, nur noch verschlimmert wurde, ließ mich schließlich einlenken und so stand ich vier Minuten später mit Kiragola in der Auffahrt zur Rentierstallung und schaute der versammelten Elfenschar zu, elfe an der Zahl die mittels Schneebesen die weiße Pracht zur Seite räumte.

>>Vatter Claas, ich dachte mir, dass ihr möglichst frühzeitig wegkommen wollt. Diese Nutzlosen da, haben zwar zuerst ziemlich rumgeknöttert, so mit, sie hätten mit dem Verpacken und Adressieren schon genügend zu tun und außerdem, was ginge sie Schneeschaufeln an. Davon hätte in ihrem Arbeitsvertrag überhaupt nichts gestanden. Doch, mit meiner Überzeugungskunst waren sie dann schon ganz schön schnell am Ende mit ihren scheinheiligen Argumenten.<<

Ich brauchte gar nicht erst zu fragen, was er meinte. Diese verkniffelten Gesichter einiger der Schuftenden ließen in mir so eine Ahnung aufkommen. Na gut, Elf, darüber, über den Umgang mit Beschäftigten, wird in absehbarer Zeit schon noch zu reden sein. Jetzt aber kam es erstmal darauf an, dass sich Weihnachten 2010 nicht doch nochmal wiederholte. Also winkte ich zu den in einer Reihe aufgestellten Elfen, die im Gleichtakt ihre Schneeschaufeln schwingten, hinüber und sagte zu Kiragolu gerade nur so laut, dass es auch wirklich alle hören konnten:

>>Alle die hier so schwer schuften, bekommen heute zur Nacht eine Sonderportion an Traumpulver mit Schönträumschaum verrührt und nicht zu vergessen, einen Kuss von einer dieser Glockenblumen-Elfinnen.<<

Ich wusste ganz genau, was nun folgen würde. Während die Elfen kurz in ihrer Tätigkeit einhielten, einige sogar ungläubig ihr Kinn auf die Stiele ihrer Schaufeln stützten, überzog Kiragolas Gesicht ein wissendes Grinsen.

>>Ach, ich verstehe! Yes sir, Glühwein für alle. Aber, Vatter Claas, glaubt ihr wirklich, ich wäre nicht von selber drauf gekommen. Schon der unterkühlten Füßchen, der roten Näschen und nicht zuletzt der verfrorenen Öhrchen unserer Genossen da drüben wegen, hatte ich selber schon an einen streifen Grog gedacht. Aber erst, wenn hier alles absolut schneebesenrein ist.<<

Dabei hatte er mit beiden Armen eine allumfassende Bewegung gemacht.
In diesem Augenblick musste ich doch tatsächlich Kiragolas Menschenkenntnis bewundern und all mein Respekt galt ihm daher auch. Denn kaum hatte er es ausgesprochen, und er hatte in der Tat sehr laut gesprochen, hatten die elf Elfen in die Hände gespuckt und der Schnee flog nur so, als dass es überall herum, weiß staubte. Mir war, als hätte sich das Tempo der Schneeschaufeln nun doch sogar noch verdoppelt.

>>Ja, aber doch nur, wenn ihr nicht selber alles aussauft, Meister Kiragola!<<

Letzteres hatte ich zwischen den Zähnen hindurch geknurrt, so dass nur der es tatsächlich hören konnte, der es auch hören sollte. Nämlich Kiragola!
Dessen rote Nase war mir schon bei unserem ersten Zusammentreffen aufgefallen. Da sich nun das ganze Gesicht von einer beinahe schon edlen Blässe in die Colorierung seines Riechorganes veränderte, durfte ich ganz sicher sein, damit bei dem Elf den wunden Punkt getroffen zu haben. Innerlich verspürte ich doch so etwas wie triumphales Ergötzen.

Die nächsten Stunde erlebten Kiragola und ich zusammen auf dem Schlitten.
Der Knecht, Ruprecht mit Name war schon zu Anfang des 21. Jahrhunderts in den vorgezogenen Ruhestand getreten und war bei seiner Heimlichen Liebe, Frau Holle, eingezogen. Er hatte gelächelt und mir von ihrem außergewöhnlichen Fettgebäck vorgeschwärmt, was in mir sofort wieder eine Fressattacke auslöste. Nein nicht, dass 2010 die Schuld bei Rupi läge. Die musste ich mir schon selber zurechnen.

»Da, die ersten Häuser von Berlin! Wenn ihr mir verzeiht, Vatter Claas, dann lasst mich mal machen. Ihr könnt ja einige Ehrenrunden mit dem Schlitten drehen und ich beschere schon mal die ersten Kinder in den Vorstädten!«

Und husch, war Kiragola mit Sack und Pack in den Essen und Schornsteinen verschwunden, wie ich in meinen besten Jahren. Ich bilde es mir nicht nur ein, doch die Idee mit Geburtstag Jesu und Bescherung unter einer festlich geschmückten Tanne, ging beinahe ganz auf meine damalige Inovationsphase zurück. Nun gut, ich war noch ziemlich unerfahren und somit könnte man mir nicht ganz zu Unrecht vorwerfen, etwas den Germanischen Götterhimmel geplündert zu haben.
Der Zeitpunkt, Mitte Dezember, also um die Zeit der längsten Nacht, für den Geburtstag Christi auszugucken, war schon sehr grenzwertig.
Aber, verd…, die Germanengötter glänzten schon lange durch Abwesenheit, drum, was Solls! Hätten sich ja durchaus kümmern können, oder etwa nicht?

Und husch, war Kiragola wieder, elfengleich da und hob auch direkt zum nächsten Sturzflug an, während ich das Schlittengespann auf »Autopilot« schaltete und mich meinen Träumen hingab. Die Rene drehten stoisch ihre Runde um Runde und Kiragola wurde auch von Runde zu Runde scheinbar schneller.
Insgesamt musste ich dem Herrn nun Recht geben. Man wurde wahrlich nicht jünger. Hatte das Alter wirklich viele Vorzüge, wie behauptet, so dürfte einer davon sein, einem Jüngling stundenlang bei der Arbeit zusehen zu dürfen. Wenn doch bloß die Sache mit der Prostata…!
Machte sich da schon wieder was bemerkbar?

>>Wie kam `s?<<

hatte der Alte gefragt
Ich konnte nur zu Boden stieren.

>>Na kommt schon, was war `s?<<

>>Ich…, ich meine, die neuen Heizungen, Herr, Gas und so!<<

Es sah ziemlich genervt aus, wenn auch seine Augen immer noch etwas sehr versöhnliches hatten.

>>Ihr wollt etwa behaupten, dass veränderte Heizgewohnheiten für diese Pleite verantwortlich gemacht werden können?<<

Sein Gelächter erschall und irgendwo auf Erden schlugen darum hohe Wellen auf die Strände und kleine Eilande wurden völlig vom Meer überspült. Nur gut, dass der Herr zu der Zeit keinerlei wirklichen Groll gegen die Menschheit mehr hegte, sonst…! I
Ich hatte ihn auch schon mal ganz anders erleben müssen.

>>Heiliger Mann, ihr müsst abspecken! Ihr seid in Ehren gealtert. Etwas, was mir sehr gefällt. Aber, schon im Schornstein des ersten Hauses der 2010er Kampagne fest zustecken…?<<

Wieder lautes Lachen, was diesmal den Effekt hatte, dass in den Alpen riesige Schneelawinen in die Täler krachten. Mir wurde da schon sehr, sehr mulmig.

<<Und dann so lange festgeklemmt, bis euch diese Elfen und Weihnachtszwerge mit vereinten Kräften wieder zutage förderten?<<

Noch lauteres Lachen!
Diesmal baute sich deshalb über Nordamerika ein Riesenwirbelsturm namens Maria auf. Der sich aber, Gott sei Dank, dann schließlich über den Prärien in Mittelwest wieder verlief.
Nun gut, eine Kleinstadt, Champaign Urbana in Illinois, musste nun wohl dran glauben.
Diese Amerikaner! Wann lernen die endlich, dass man Häuser nicht aus dünnem Sperrholz baut?

>>Und, wie saht ihr damals aus? Ein Bergknappe in rotem Seidenmohair mit geteertem Schneewieselkragen?<<

Diesmal, ich schwöre, hätte mich das Lachen des Herren Gott beinahe aus den Stiefeln kippen lassen.
Und das bisher Unfassbare geschah!
Über der südlichen Hemisphäre baute sich ganz plötzlich ein riesiges Loch auf.
Einige Wissenschaftler führten diese Veränderung in der Ozonschicht auf den ungezügelten Gebrauch der Menschheit von sogenannten Kohlenwasserstoffen zurück.
Zur gleichen Zeit überzog ein sogenanntes Co2-Gas, einem gemeinen Gewächshaus gleich, die gesamte Erde mit ihrem schädlichen Einfluss.
Sofort einigten sich die größten Wissenschaftler darauf, dass es mit der Industrialisierung der Entwicklungsländer der südlichen Hemisphäre zu tun habe und alle Regierungen beeilten sich, Besserung zu geloben.
Die Pole schmolzen, Eisbären schauten verunsichert in die Kamera-Objektive einer aufgeregten Medienclique.
Und nicht wenige, sogenannte Seher verkündigten das nahende Ende der Welt.

Nur ich war es, der die ganze Wahrheit kannte.
Ich war es auch, der mit Beginn der 2010er Kampagne den unverzeihlichen Fehler beging, in dem Schornstein eines schmucken Einfamilienhauses im Stadtteil Bergedorf in der Hansestadt Hamburg festzustecken.
Über Taschentelefon, in einem der Länder in Europa auch Handy genannt, konnte ich dann den Elf vom Dienst alarmieren.
Dieser ließ nichts unversucht, um mich dort heraus zuziehen. Doch, sosehr er sich auch bemühte, ich steckte fest. Bombenfest sogar!
Und der Herr Gott lachte!

Er lachte sich beinahe die Seele aus dem Leib.
Sein Lachen erschütterte das ganze Universum und nicht wenige der ansonsten uninteressiert tuenden Planeten, brachten sich hinter ihren jeweiligen Zentralgestirnen in Sicherheit.
Und die Menschen auf Erden hatten ganz plötzlich die Klimakatastrophe.
Und ich war an dieser nicht ganz unschuldig.

>>Herrgott, ich bitte um Vergebung. Ich weiss ja, dass es meine Schuld ist und wenn es etwas gibt, das ich zutiefst bereue, dann dass…<<,

versuchte ich in einem Moment, in dem der Herr Luft holen musste, meine Chance zu nutzen.
Doch der plusterte einfach weiter.

Und als er endlich seine Augen wieder aufbekam und der Lachanfall in etwas gemilderter Form zurückkehrte, strahlte er mich an und sein sonorer Bass, den er nun von sich gab, munterte mich beinahe wieder auf.

>>Heiliger Mann, du hast mich, ach was, deine Schilderung waren, Gott sei Dank,…<<

ja tatsächlich er gebrauchte dieses abgewetzte »Gott sei Dank«

>>…haben mich schon wieder ein wenig aufgerichtet. Wenn ich euch mir vorstelle, wie ihr da in einem rußigen Schornstein kopfüber herumhängt und dieser Elf an euch rumzerrt und ihr beiden dadurch die ganze weihevolle Nacht, den Geburtstag meines Sohnes, ruiniert, nur weil ihr so verfressen gewesen seid, köstlich…!<<

Und wieder brach es los, dieses Lachen und schlagartig musste ich an den Kalender dieses Indianervolkes denken. Da war doch etwas mit dem 21. Dezember 2012. Weltuntergang oder so!
Meine Beteuerungen, sofort im Neuen Jahr mit meiner Diät zu beginnen, tat er mit einem Lächeln ab sobald er sich wieder gefangen hatte.

>>Ist schon gut, Heiliger Mann, ich freue mich doch, wenn es euch schmeckt. Doch bei aller Sympathie, wir hier droben im Himmel haben eine wichtige Aufgabe zu erledigen. Und der reibungslose Ablauf unserer Dienstbarkeiten ist der Schlüssel zum weltweiten Erfolg. So sehr sich der Einzelne auch anstrengen mag, ist es doch das Gesamtergebnis, was letztendlich zählt. Nun gut, ich sehe, dass ihr bereut. Lassen wir es einfach mal damit bewenden.<<

Das wars im Groben.

>>Lieber Gott…<<

wagte ich noch zu fragen,

<<und was ist nun mit Weltuntergang und Klimawandel und so?<<

>>Lasst das mal ruhig meine Sorge sein. Und diese Erdenmenschen lass er sie ruhig in ihrem eigenen Schweiß braten. Sie werden oder sie werden selber nicht wach. Aber wenn sie es werden, werden auch sie wissen was zu tun ist. Es vergehen kein Tag und auch keine Nacht, ohne dass ich ihnen reichlich Zeichen gebe. Und, da ich ihnen sogar eine gewisse Intelligenz mit auf den Weg gab, muss es ja irgendwann mal den Durchbruch geben. Und wenn es nur ein Einziger dieser Versager ist, der die Zeichen der Zeit erkennt, wäre schon verd… viel gewonnen.<<

Hiermit war ich für diesen Tag entlassen.

Als ich nun den treuen Kiragola mit Säcken voller iPods, iPhones und iPads unmd som Kram in den Schornsteinen verschwinden sah, nur um gleich darauf wieder aufzutauchen, war ich Gott dem Herrn unendlich dankbar, dass er mir diesen flotten Mitarbeiter einfach so mir nichts, dir nichts zur Seite gestellt hatte.
Der Kerl war doch sicherlich dazu geeignet, irgendwann mal meinen Job als Menschheitsbeglücker zu übernehmen.

Aber, bei all der Verbundenheit mit dem Herrn, unserem Gott, das mit der Prostata musste nun wirklich nicht sein.
Und schon wieder fühlte ich dieses verräterische Zwicken in der Leiste.

All den Weihnachtsmännern dieser Welt gewidmet!

(Alpha Sierra,  chefschlumpf im Dezember 2011)

 

 

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