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15.10.2005, © Vivienne

Der erste Schwips

Wer mich kennt, dem ist es sicher schon aufgefallen: ich trinke kaum Alkohol. Mit meinem Jahresbedarf würde ein Kampftrinker an einem einzigen Tag vertrocknen. Kein Scherz! Selbst zu Geburtstagen oder Silvesterfeiern nippe ich allerhöchstens einmal am Sekt-Orange. Das wird nicht immer tolerant goutiert, nicht wenige schütteln den Kopf und blicken einen seltsam an, wenn man den Alk verweigert. Fast als ob man krank wäre im „Trinkerland“ Österreich. Ich habe gelernt, damit umzugehen, vor allem habe ich aber gelernt, nichts zu tun, was ich nicht will. Also auch nicht zwanghaft mitzusaufen, wenn ich absolut keinen Bock darauf habe. Wer mich akzeptiert, versteht das auch und macht die Freundschaft davon nicht abhängig…

Getrunken habe ich nie viel. Trotzdem ist mir vor einigen Jahren einmal ein Schwips unterlaufen. Das war auf der Hochzeit einer Kollegin, die ins Salzkammergut heiratete. Zu viert oder fünft machten wir Kolleginnen uns damals auf, fuhren mit dem Zug bis nach Gmunden und wurden dann von Freunden des Paares am Bahnhof abgeholt. Wir bekamen zwei Zimmer in einer Pension zur Verfügung gestellt, wo wir uns umziehen und schönmachen durften. Dann wartete schon der nächste Wagen auf uns: die kirchliche Trauung stand an und es war höchste Zeit! Ich erinnere mich gut, dass ich mitten im Sommer mit meiner Dauerwelle furchtbar schwitzte und mir auch sonst sehr warm war. ein paar gut aussehende Burschen waren mir schon aufgefallen, aber es schickt sich wohl nicht, in der Kirche frivolen Gedanken nachzuhängen…

Hatte ich einen Hunger, als die Feier am Abend losging! Seit dem wir frühmorgens aufgebrochen waren, hatte ich noch nichts gegessen und darum freute ich mich auf den Schweinsbraten. Unversehens stand Helga, die Braut, mit ihrem Mann bei uns und bedankte sich für das Geschenk, das wir im Namen der Firma übergeben hatten. Urplötzlich mussten wir miteinander anstoßen, und ehe ich es mich versah, hatte ich einige Sektgläser intus. Ich hatte einen Schwips. Dabei bemerkte es nicht gleich, erst als sich die Kolleginnen anstießen, weil ich dauernd und ohne Grund lauthals kicherte, begriff ich, dass ich für mein Verhältnisse schon etwas zu viel erwischt hatte. Ich wollte mich zurücknehmen, aber die Rechnung wurde ohne mich gemacht.

In der nächsten Stunde folgten den drei oder vier Gläsern Sekt auch noch zwei Achtel Roten. Ich bekam Schluckauf und fühlte mich irgendwie sehr beschwingt. So ganz leicht, vor allem, als einer der feschen Burschen, die ich schon in der Kirche beobachtet hatte, neben mir Platz nahm. Er begann mit mir zu flirten, und relativ schnell fühlte ich seine Hände überall: an meinem Gesicht, an meinen Brüsten und an meinem Hintern. Schließlich – wir saßen kurz allein am Tisch, weil die anderen tanzen waren – legte er den Arm um mich und küsste mich. Als ich seine Zunge im Mund fühlte wurde mir plötzlich bewusst, dass ich nicht einmal wusste, wie er hieß.

Ich riss mich los und erzählte dem verdutzten Burschen, ich müsst dringend auf die Toilette. Etwas Besseres fiel mir in dem Augenblick nicht ein, was auch kein Wunder war, denn der Gang auf das WC erwies sich als Hindernisparcour. Ich schwankte beim Gehen und konnte kaum klar denken. Du bist besoffen! dachte ich mir, als mir mein Gesicht blöde grinsend aus dem Spiegel zurückblickte. Und der Kerl wollte mich ab schleppen! Ich wusste nicht, was ich tun sollte und begab mich schließlich in die Bar, wo ich einen Verlängerten nach dem anderen orderte. Selbstredend mit viel Wasser und nach einer halben Stunde wagte ich mich wieder zurück an unseren Tisch. Man hatte mich vermisst, aber der junge Mann von vorhin schmuste nun mehr mit einer Kollegin! Ich hätte beinahe wieder blöd gekichert, mir konnte das nur Recht sein.

Die Hochzeitsorte wurde angeschnitten und ich griff dankbar zu. Ich glaube mich erinnern zu können, dass ich zwei Stück verputzte und das Essen reichte, um mich wieder einigermaßen nüchtern zu machen. Als mich der junge Mann nach einer Weile wieder inspizierte, weil ihm meine Kollegin abhanden gekommen war – sie unterstützte die Braut, der der Bräutigam entführt worden war –  warf ich ihm nur einen abschätzenden Blick zu. Er begriff dann sehr schnell, dass er hier kein erotisches Abenteuer mehr erleben würde und verzog sich. Mir tat der Magen schon weh vom vielen Kaffee und von der Torte aber ich hatte mich wieder in der Gewalt. Und ich rührte in jener Nacht, die fast bis 6:00 Uhr morgens dauerte, keinen Tropfen Alkohol mehr an.

Aber dafür war ich putzmunter als wir in die Pension marschierten währen die Kolleginnen vor lauter Müdigkeit kaum mehr stehen konnten. Die fielen nämlich förmlich ins Bett während ich noch bis fast 7:30 Uhr wach lag. Für mich hätte die Feier noch viel länger dauern können… Sehr schmerzhaft war es dann allerdings, als mich die Kolleginnen kurz nach Mittag weckten. Aber ich musste aufstehen, leider, man ließ mir kaum Zeit zum Frühstücken, denn unser Zug in heimische Gefilde würde nicht warten. Ein traumhaftes Wochenende ging zu Ende und der Bursch, der mich so begrapscht hatte, tauchte wieder vor meinem Auge auf, als wir dösend im Zug heimfuhren. Nett, war er ja schon gewesen, aber wenn ich so überlegte, wählerisch war er auch nicht… Schon gut, dass ich noch zur Besinnung gekommen war!

Vivienne

 

 

 

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