Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne
29.05.2005, © Vivienne
Vielleicht gibt’s keinen Richtigen für mich
Der Mensch kann und will nicht allein sein, und vor allem Menschen, die sich selber nicht als schön oder einem gängigen Körperideal entsprechend empfinden, fürchten, als Single für immer allein zu bleiben. Ein Leben in Einsamkeit, ohne liebenden Menschen an der Seite, scheint wenigen erstrebenswert, aber man sollte nicht notwendigerweise davon ausgehen, dass nur die weniger Attraktiven solch ein Schicksal fürchten. Ganz im Gegenteil, gerade sehr hübsche und junge Menschen scheuen ein Leben allein und sind doch oft nicht in der Lage den richtigen Partner zu finden
Susi Föhringer war immer schon ein verdammt hübsches Mädel gewesen. Ich kannte sie, weil ihre Eltern ein Wochenendhaus bei uns hatten und gerade im Sommer oft ganze Wochen bei uns verbrachten, wann immer es passte halt. Mittelgroß mit kurzem strohblondem Haar und blitzblauen Augen lachte ihr der Schalk aus dem Gesicht und als sie ein Teenager war, schien unschwer zu erkennen, das sie keine Probleme hatte, Kontakt zum anderen Geschlecht zu finden. Mit vierzehn, das gab sie mir gegenüber unumwunden zu, nahm sie schon regelmäßig die Pille und in den diversen angesagten Lokalen war sie immer strahlender Mittelpunkt.
Die Burschen umlagerten sie, man konnte durchaus davon sprechen, dass sie meistens die Henne im Korb war. Trotz all ihrer Lebensfreude und einer gewissen Leichtlebigkeit – die Burschen in ihrem Leben kamen und gingen zeichnete sie doch eine starke Bindung an ihre Familie aus. Das zeigte sich an jenem Spätsommertag, als der Vater, ein Motorradfreak, bei einer Tour schwer verunglückte und Wochen um sein Leben rang. Es tat weh, Susi, dieses lebendige, lebensbejahende Wesen, fast nur mehr verheult anzutreffen, das Damoklesschwert, das über der Familie schwebte, ging nicht spurlos an ihr vorüber. Aber der Einsatz aller Schutzengel war erfolgreich: Susis Vater erholte sich wieder und kam in einem langsamen Genesungsprozess wieder auf die Beine
Ich sah mich in dem Drogeriemarkt um und musterte die Sonderangebote. Wollte ich diese wasserfeste Mascara haben, die da sozusagen 1+1 gratis angeboten wurde? Oder sollte ich doch auf mein angestammtes Produkt zurückgreifen? Eine leicht spitzbübische Stimme riss mich aus den weltbewegenden Überlegungen. Ja, Frau Vivienne! Könn ma uns mal wieder nicht entscheiden? Im Grunde kannte ich nur eine Person, die meinen seltenen Vornahmen nicht französisch sondern germanisiert, sprich, mit allen Buchstaben, aussprach. Das hatte mein Kopf schon realisiert als ich mich erst halb umgedreht hatte. ja, das ist eine Überraschung! Fräulein Susi! Wie geht es dir denn? Wir umarmten uns kurz und ich sah sie mir interessiert an: sie war noch immer gertenschlank und bildhübsch, obwohl schon ein paar Jahre vergangen waren, seit wir uns zuletzt gesehen hatten.
Das Sackerl mit der Kinderkleidung in ihrer linken Hand war mir sofort aufgefallen, ich hatte gehört, dass sie ein Kind bekommen hatte, einen Buben, um dem rekonvalenszenten Vater, der ob der Schwere seiner Verletzungen auch depressiv geworden war, wieder neuen Lebenssinn zu schenken. Und der erste Enkel sollte dem Vernehmen nach sehr wirksam dabei gewesen sein, den Großvater wieder auf die Beine zu bringen. Susi zuckte die Achsel, erzählte, dass sie nach der Karenz nicht mehr in die alte Firma zurückgekehrt war. Einige Zeit jobbte ich in einem Internetcafé, da konnte ich mir die Zeit sehr gut einteilen, weil immer jemand von daheim auf den Buben sah Sie schmunzelte. Aber das Internetcafé hat zusperren müssen und ich bin beim Land untergekommen, das ist nicht schlecht, was?
Ich nickte anerkennend. Was mir völlig fehlte, nämlich die Begabung für einen typischen Bürojob mit den bekannten Agenden, ging ihr Ruckzuck von der Hand. Sie war für diese Art von Arbeit geschaffen, kannte sich mit der EDV sehr gut aus und war sehr lernfähig. Wie geht es dem Junior? Ich deutete auf das Sackerl. Susi stöhnte kurz, aber ihre Augen leuchteten, als sie weiterredete. So ein Kind hält immer auf Trab, er ist ein rechter Racker, aber ohne ihn könnte ich mir das Leben fast nicht mehr vorstellen. Stell dir vor, im Kindergarten macht er schon mit den Mädels herum! Ich lachte. Was sagt denn der Papa da dazu? Mit einem Mal wirkte Susi distanziert. .ja, der ist recht stolz, aber seiner Freundin ist es nicht recht, dass er zu oft da ist
Na da war ich wieder in ein Fettnäpfchen getreten. Das tut mir leid, das wusste ich nicht. Susi zuckte die Achseln. Konntest du nicht wissen, dass ich ihn an die Luft gesetzt habe. Er klammerte so Ihr Gesicht verkrampfte sich kurz, ich spürte etwas an ihr, dass ich nie so gekannt hatte. Was ist los? Ich wusste genau, es ging mich nichts an und trotzdem konnte ich die Frage nicht zurückhalten. Susi ballte ihre kleine Faust. ..irgendwie ist es verhext, weißt du, ich verlieb mich so schnell, und alles ist wunderschön und herrlich, aber nach einer Weile gehen mir die Typen einer wie der andere nur mehr auf den Geist. Mit ihrer Fürsorglichkeit, und dass sie dauernd mit mir beieinander picken wollen Ich ertrag das nicht, verstehst du? Ich ertrag das einfach nicht!
Ich fühlte ihre Verzweiflung. Diese junge Frau wollte nicht gern allein sein, ganz im Gegenteil, und sie liebte das Leben, aber sie hatte ein große Scheu, eine Intimität auszuleben, die über Körperliches und Sex weit hinausging und die in einer Beziehung noch viel wichtiger ist. Denn diese bleibt auch, wenn das Feuer der ersten Leidenschaft erloschen ist Ich sah Susi an und merkte ein paar Tränen in ihren Augen Aber dann gab sie sich einen Ruck. Vielleicht . gibts einfach keinen für mich, weißt, das kann ja sein, und Sie blickte mich trotzig an. Ich hab ja den Buben! Ich hätte ihr gerne noch ein paar tröstende Worte gesagt, aber was hätte nicht hohl und leer in der Situation geklungen? Wenigstens hatte ich nicht auch noch erwähnt, dass ich demnächst heiraten würde, das wäre vielleicht noch unpassender gewesen
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