Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Februar 2005



Von Beruf Sohn…

Es ist wohl eine kleine Ewigkeit her, da hatte ich durch Zufall in einem so genannten AMS-Kurs mit einem jungen Burschen zu tun, groß, stark und alles andere als dumm, der, wie ich erst später erfuhr, ein Sohn der reichsten Familie in einem Mühlviertler Bezirk war. Sein Vater war ein erfolgreicher Unternehmer, die Mutter hatte als Mitgift einige Mietshäuser mitbekommen. Im Grunde stammten wir aus zwei völlig verschiedenen Welten, aber für ein paar Wochen vereinten sich diese und uns verband eine bizarre Freundschaft. Mich, die vom Leben nicht immer mit Samthandschuhen angefasste Mittdreißigerin, und ihn, den fast zehn Jahre jüngeren Burschen, der sein Leben auch nicht wirklich in den Griff bekam. Eine bizarre Freundschaft entwickelte sich also zwischen uns, und ich empfand bei aller Komplexität seines Charakters durchaus Sympathie für ihn  – weil ich ihn auch irgendwie zu nehmen wusste. Und neulich sah ich ihn wieder auf der Linzer Landstraße gehen, und ohne großes Auto sondern zu Fuß unterwegs – und die Erinnerung kam wieder…

Glücklich sah er nicht aus, der Max, und dass der Autonarr, der früher nur mit den schweren Wägen seines Vaters herumgefahren war und das zum Spaß, sich jetzt auf Schusters Rappen den Weg durch die Landstraße bahnte, hatte sicher einen triftigen Grund. Ich musste ein wenig schmunzeln und das nicht ohne Ironie. Max’ Worte kamen mir wieder in den Sinn, als er mir erzählt hatte, wie oft er im BMW seines Vaters stockbetrunken mitten in der Nacht von seinen Sauftouren heimgefahren war und sich königlich darüber gefreut hatte, dass ihn die Gendarmen nie und nimmer erwischen würden. Vielleicht hatte er sich in dieser Einschätzung getäuscht, denn ohne flotten Schlitten war dieser junge Mann sicher nicht freiwillig unterwegs.

Er war überhaupt immer ein wenig naiv gewesen oder auch unbewusst provokant. Vielleicht auch beides. Mir fiel wieder ein, wie er sich einmal bei mir beklagt hatte, dass ihn ein Teil seiner Kollegen im Kurs schneiden würde. Als ich nachfragte, musste er indirekt zugeben, sich taktisch unklug verhalten zu haben. „..na ja, ich hab erzählt, dass ich 10.000 Schilling Arbeitslose bekomme und mein Vater noch einmal so viel draufgibt… Jetzt spinnen sie alle.“ Ich deutete ihm einen Vogel. In Max Gesicht zuckte es, aber er sagte nichts. „Pass auf…“, begann ich ihm zu erklären. „Die Hälfte der Leute da herinnen hat nicht einmal einen Bruchteil von deinem Einkommen. Du machst dich nur unbeliebt, wenn du herausposaunst, dass du so schon weit mehr Geld hast, als wenn einer von denen arbeiten ginge.“

Max, das Riesenbaby, blickte teils betroffen, teils irritiert. Ich war mir sicher, dass er nur in einer Art kindlichen Anwandlung angeben hatte wollen, vielleicht auch eines der hübschen Mädels hier beeindrucken hatte wollen, aber der Schuss war nach hinten losgegangen. Ich hatte mir damals öfters Gedanken darüber gemacht, dass Max’ Charakter nicht von Grund auf schlecht war, sondern einfach verdorben. Verdorben durch das viele Geld seiner Eltern. Verdorben auch durch die mangelnde Notwendigkeit, sich jemals ernsthaft Gedanken um seinen Lebensunterhalt machen zu müssen. An sich war er kein unsympathischer Kerl. Ihm waren nur nie wirklich Grenzen gesetzt worden. Ich blickte Max noch ein Stück auf der Landstraße nach. Schwerfällig wirkte er, fast tapsig wie ein großer Bär. Als er an mir vorbeigegangen war, war ich ihm nicht einmal aufgefallen, aber mittlerweile waren ein paar Jahre ins Land gezogen. Und wer weiß wo er mit seinen Gedanken war…

Geld… Max hatte nie einen Gedanken darüber verschwenden müssen, woher er es bekam, und deshalb hatte er sich auch einige finanzielle Missgriffe leisten können. Nie werde ich vergessen, wie er ausplauderte, dass er vor einem Grand Prix auf den Rennfahrer Häkinnen in einer privaten Wette 3000 Schilling auf Sieg gesetzt hatte. Häkinnen war aber bei diesem Rennen bereits am Start mit seinem Wagen hängen geblieben. Ich musste lauthals losprusten, konnte nicht mehr zu lachen aufhören, so köstlich amüsierten mich die Geschichte und Max’ Gesicht, dem die Enttäuschung noch immer anzumerken war. Was hasste er nicht Michael Schuhmacher! Als ich so lachte, spürte ich einen Teil dieses Hasses in Max aufsteigen, aber er beherrschte sich. Uns verband wirklich ein seltsames Verhältnis, eine Astrologin hat mir einmal erzählt, ich hätte einen gewissen Hang für „schräge Vögel“ und Max gehörte offensichtlich auch zu dieser Spezies…

Ich  hatte mittlerweile alles um mich vergessen, als ich plötzlich Alis Hand auf der Schulter spürte. Richtig, wir hatten uns hier treffen wollen, und beinahe hätte ich wegen Max darauf vergessen. Also kehrte ich in die Gegenwart zurück. Ali küsste mich und bemerkte sofort, dass ich nicht völlig bei ihm war. „Was ist los?“ Ali zog fragend die Stirn in Falten. Ich schüttelte den Kopf, heftig, als wollte ich Max aus den Gedanken schütteln. „…nichts, gar nichts. Wo stehst du mit dem Wagen?“ Ich drehte mich um. Max war längst außer Sichtweite und die Erinnerung zog sich zurück wie eine blassgraue Wolke. Ali nahm mich bei der Hand.  „Dort hinten, komm…!“

Vivienne

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