Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Juni 2004



Gedanken über die Berechnung

Ich bin ein geradliniger Mensch.
Fast naiv geradlinig.
Zu ehrlich manchmal.
Verschrecke ich mit meiner Offenheit auch meine Mitmenschen.
Die Welt ist Ehrlichkeit nicht mehr gewohnt.
Denke ich manchmal.
Umso mehr trifft es mich.
Wenn man sich meine Freundschaft erschleicht.
Oder auch meine Liebe.
Um mich zu benutzen.
Oh, wie ist mir deine Freundschaft wichtig!
Wie schätze ich dich!
Aber in Wirklichkeit will ich nur.
Dass du dieses und jenes für mich machst.
Zu meinem Vorteil.
Das ist mir am wichtigsten.
Dafür tu ich alles.
Rede dir nach dem Mund.
Gebe mich vertrauensvoll.
Aber mein Ziel verliere ich nie aus den Augen.
Und ich denke du merkst nichts…

Ich merke aber doch.
Immer öfter.
Vor allem.
Weil ich ein paar Mal auf die Nase fiel.
Sehr unsanft.
Weil ich zu viel vertraute.
Weil meine Freundschaft ehrlich war.
Weil meine Liebe aus dem Innersten kam.
Aber ich wurde nur benutzt…
Das hat mich hart gemacht.
Ich lache nicht mehr so viel.
Viel weniger eigentlich.
Und ich spüre das Misstrauen.
Das von  mir Besitz ergriffen hat.
Sensibel wie ein Seismograph.
Schlägt es beim geringsten Verdacht an.
Alarmstufe rot!
Ich habe meine Unschuld verloren.
Die Unschuld, den Menschen vorbehaltlos zu begegnen.
Aber ich habe mir geschworen.
Mich nicht mehr benutzen zu lassen.
Nur das zu tun, was ich wirklich will.
Für mich…

Liebe, Freundschaft und Berechnung lassen sich nicht immer trennen.
Sagt Chris.
Ein lieber Freund.
Ganz Unrecht hat er nicht.
Jemanden aus Liebe zu begehren.
Kann auch Berechnung sein.
Jemanden zu umwerben um mit ihm oder ihr leben zu können.
Auch das ist Berechnung.
In gewisser Weise.
Berechnung der Liebe.
Trotzdem anders.
Man handelt da aus tiefem Gefühl.
Und nicht aus Kalkül.
Berechnende Menschen haben materielle Gründe für ihr Tun.
Für das Erschleichen von Liebe.
Von Freundschaft.
Das ist der wesentliche Unterschied.
Der, auf den es ankommt.
Aber wer mich wahrhaft gern hat.
Braucht mir nicht nach dem Mund zu reden.
Muss nicht immer meiner Meinung sein.
Wenn seine Gefühle selber nicht echt sind.
Pfeife ich auf die Freundschaft.
Auf die scheinbare Liebe.
Dadurch habe ich schon so viel Leid erfahren.
Wäre ich beinahe in eine Beziehung geschoben worden.
In der ich mich selbst verloren hätte.
Aus den Trümmern dieser vermeintlichen Liebe stieg ich aber wieder heraus.
Mit Blessuren.
Aber auch stark.
Und mit dem Willen.
Es nicht mehr zu zulassen.
Dass man sich meine Gefühle erschleicht.
Mir etwas vormacht.
Im Namen der Liebe.
Im Namen der Freundschaft.
Aber nur vermeintlich.
Der Mensch Vivienne und seine Bedürfnisse spielten dabei immer wieder keine Rolle.
Nur die Bedürfnisse derer, die an mich appellierten.
Und an mein Herz.
Aber meine Fähigkeiten meinten.
Oder meine Kaufkraft.

Vielleicht bin ich oft zu gut.
Zu gut für diese Welt.
Aber ich gehör nur mir!
Wer mich also wieder vor seinen Pflug spannen möchte.
Sollte bedenken.
Dass ein Pferd scheuen kann.
Und durchgehen…

Vivienne

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