Kein Mensch, der sich Glück nicht wünscht, wobei fast jeder die Erfüllung seiner persönlichen Wünsche darunter versteht. Dass das eigentliche Glück nichts mit materiellen Dingen zu tun hat sondern im Grunde in nichts anderem als in einer positiven Lebenseinstellung zu finden ist, begreift so mancher das ganze Leben lang nicht, während er allem Möglichem hinterher jagt. Glück ist relativ, der eine freut sich über einen großen Gewinn bei der Millionenshow bis er die Anfeindungen der anderen zu spüren bekommt. Neid vergällt die Freud, vermeintliches Glück wird zum Pech…
Hartmut Schneeberger aus meiner Heimatgemeinde führte mit seiner Familie ein ganz normales Leben. Seine Frau arbeitet halbtags in einer Trafik, er selber war bei der Bezirkshauptmannschaft Beamter und die beiden Kinder besuchten die Pflichtschule mit gutem Erfolg. Ein schmuckes Haus mit Garten hatten Herr und Frau Schneeberger gebaut und der Kredit war schon fast abbezahlt. Eine ganz durchschnittliche Familie in gemächlichem Trott. Keine Höhepunkte aber dafür Beschaulichkeit in großem Stil. Und das seit bald zwanzig Jahren, die das Ehepaar Schneeberger miteinander verheiratet war. Die Veränderung schneite völlig unerwartet in das Leben der Familie…
Hartmut Schneeberger kaufte einer Kollegin, die in Wels eine größere Veranstaltung organisierte, ein paar Lose für die Tombola ab. Hauptpreis: ein Citroen, das neueste Modell, in elegantem Metallic schwarz, den eine große Autofirma gesponsert hatte. Schneeberger dachte sich, so erzählte er später einmal, nichts weiter dabei. Gemeinsam mit seiner Frau nahm er zum Jux und weil man an dem Wochenende ohnedies nichts Spezielles vorgehabt hatte, an dem Sommerfest teil. Das Unfassbare trat ein: der Hauptpreis ging an ein Los, das Schneeberger erworben hatte! Das Foto der beiden Schneebergers vor ihrem neuen Auto, „ging um die Welt“, oder besser gesagt, machte es in unserer Gemeinde die Runde. Und plötzlich waren die Schneebergers jemand bei uns und nicht wenige versuchten ein Stück vom Glück der Familie zu erhaschen.
Etwa, in dem man sich gut mit ihnen zu stellen versuchte oder auch nach außen hin so tat, als wäre man schon ewig gut Freund mit Ihnen… Die Schneebergers wussten damit durchaus umzugehen, die Kinder allerdings nicht so gut. Sie lernten die Boshaftigkeit so mancher Mitschüler kennen, sowie Neid, Hass und Ablehnung. Der ältere Sohn wechselte nach einem Jahr in ein Internat um seine Ruhe zu haben – der ruhige Bursch war in seiner Klasse nach dem Gewinn des Autos zum Außenseiter geworden. Der jüngere Bruder hatte nicht so große Probleme, ging aber nach der Pflichtschule auch nach Linz in die HTL weiter, weil sich so mancher scheinbare Freund als Neider entpuppt hatte. Das Beste, was die beiden Buben tun konnten, denn nur etwa ein dreiviertel Jahr nach dem Gewinn des Autos griff Frau Schneeberger in den Glückstopf.
Sie knackte den Jackpot bei Lotto 6 aus 45 und streifte über zehn Millionen Schilling ein. Krampfhaft versuchte die Familie – gewitzigt durch die Erfahrungen – das erneute Glück für sich zu behalten, allerdings vergeblich. Dass Frau Schneeberger mit ihrem Gewinn problemlos die Restschuld des Hauses abdecken abdecken hatte können, ließ sich auf der kleinen Bank im Ort nicht verbergen. Jemand Unberufener muss da ein paar Worte, die nicht für ihn bestimmt waren, aufgeschnappt haben und die Geschichte verbreitete sich wie im Fluge. Binnen weniger Tage war die Gemeinde bestens informiert, vor allem auch mit Fakten, die sich à la „Stille Post“ dazu gesellt hatten ohne der Wahrheit zu entsprechen. Es gab in der Folge zwei Einbruchsversuche im Haus der Schneebergers – Gott sei Dank ohne Erfolg. Und ein paar ganz Unverschämte versuchten mit Druck Geld von den Schneebergers „auszuleihen“. Erst als Herr Schneeberger einen dieser Leute schließlich anzeigte, beruhigte sich die Situation…
Beruhigen? Irgendwie schon. Denn die Schnneebergers schotteten sich immer mehr von der Gemeinde ab. Man wollte mit den Leuten hier nichts mehr zu tun haben, weil man nicht wirklich wusste, wem man noch trauen konnte. Die öffentliche Meinung war gespalten. Manche sympathisierten sogar offen mit den „Erpressern“, weil die Schneebergers jetzt ohnedies genug Geld hätten. Andere ärgerten sich, dass das Ehepaar noch immer seinen Jobs nachging und damit wirklich Bedürftigen die Arbeit wegnahm. Hartmut Schneeberger machte sich am meisten unter der quälenden Situation mit. Er litt oft unter Kopfschmerzen und verlor innerhalb von kürzester Zeit viel an Gewicht.
Während das Gerücht die Runde machte, Hartmut Schneeberger wäre an Krebs erkrankt, erfuhr ich zufällig, dass dieser „nur“ an einer schweren Zuckerkrankheit laborierte. Einem Leiden, dass es schließlich mit sich brachte, dass Schneeberger in Pension gehen musste. Er erholte sich nur nach und nach und schließlich stand das hübsche Haus der Familie überraschend zum Verkauf. Familie Schneeberger zollte den Anfeindungen und dem negativen Stress Tribut und zog weg. Nach Linz, in eine noble Gegend, wie es hieß, um wieder anonym zu sein…
Ich bin davon überzeugt: Hätte die Schneebergers geahnt, was auf sie zukommen würde, sie hätten gerne auf ihre großen Gewinne versichtet…
Nach einer wahren Begebenheit
© Vivienne