Andrea lässt sich scheiden – Bemerkenswerte Filme

Im Februar 2024 kam der österreichische Film „Andrea lässt sich scheiden“ in die heimischen Kinos nachdem er bereits bei der 74. Berlinale in der Sektion Panorama uraufgeführt worden war. Grund genug, einen Blick auf den sehenswerten Streifen zu werfen, dem die in Linz geborene Schauspielerin Birgit Minichmayr ihren Stempel aufdrückt…

Vorab: der Film, klassifiziert als Tragikomödie, ist sicher kein Klamauk, wie man beim Cast oder dem Regisseur Josef Hader vermuten könnte. Eher ganz im Gegenteil… Andrea, eine Polizistin auf dem Land, plant einen radikalen Neuanfang: sie hat ihren trinkenden Mann verlassen und hat vor, nach St. Pölten zu gehen, um dort bei der Kripo neu durchzustarten. Ihr Noch-Ehemann erzwingt bei der Geburtstagsfeier eines Kollegen eine Aussprache in seinem Auto, um sie zurückzugewinnen. Andrea lehnt das ab, das Gespräch kulminiert, sodass sie schließlich den Wagen verlässt, aber nicht, ohne dem Betrunkenen die Autoschlüssel abzunehmen. Wütend verlässt dieser daraufhin die Feier und macht sich zu Fuß auf den Heimweg.

Wenig später hat auch Andrea genug von der Gesellschaft und fährt mit ihrem Fahrzeug, einem weißen VW, weg. Abgelenkt durch einen Anruf ihres Vaters, bei dem sie seit der Trennung lebt, überfährt sie jemanden – es handelt sich dabei um ihren Ex. Alle Wiederbelebungsversuche scheitern, so verlässt sie im Schock den Tatort und flüchtet nach Hause. Noch in der Nacht läutet der Kollege an der Tür: er informiert sie über den tragischen Todesfall und dass sich der Fahrer gestellt und die Polizei gerufen hat. Der Kollege bringt sie auch zum Tatort, der vermeintliche Unfalllenker entpuppt sich als der Religionslehrer Franz, ein trockener Alkoholiker.

Andrea fühlt sich schuldig, weil Franz nach dem Unfall das Leben mehr und mehr entgleitet. Er beginnt wieder zu trinken und verliert seinen Job an der Schule. Andrea versucht ihm zu helfen, etwa mit einem Rechtsanwalt, aber er schlägt alles in den Wind, weil er büßen will. Das Schuldgefühl bleibt, wird ihr ständiger Begleiter, während sie nach außen hin funktioniert. Die Kollegen und ihr Umfeld führen ihr verändertes Verhalten hingegen auf den Verlust zurück.

Ein Kollege von der Kripo in St. Pölten ist ihr aber schon auf die Spur gekommen – es wurden Lacksplitter von ihrem VW auf der Leiche entdeckt. Er schweigt aber, weil er sich in sie verliebt hat und sich eine gemeinsame Zukunft erhofft. Andrea lässt sich zunächst auf ihn ein, aber sie kommt mit den wachsenden Schuldgefühlen nicht zurecht und zeigt sich schließlich selber an. Auch Franz gegenüber gibt sie endlich zu, dass sie selbst für den Unfall verantwortlich ist. Das übliche Prozedere setzt ein, bei dem Andrea ihren Kollegen mehr oder weniger klar machen muss, welche Maßnahmen gegen sie in Gang gesetzt werden müssen.

Ein sehr ernster Film im Grunde, trotz des trockenen Humors, der immer wieder aufflackert. Alkohol spielt eine gewichtige Rolle, um das triste Dasein und die Einsamkeit in der Provinz leichter ertragen zu können…

Birgit Minichmayr ist eine großartige Schauspielerin, die in ihrem unaufdringlichen Spiel den Zwiespalt von Andreas Charakter offenlegt. Eigentlich ist sie ein guter, ein gerechter Mensch, was in vielen Szenen des Films offensichtlich wird. Und deshalb kann sie dann auch nicht anders als die Verantwortung für den Unfall zu übernehmen, mit allen Konsequenzen…

Josef Haders zeigt als Lehrer Franz eine andere Facette der Schuld, die er immer in sich sucht. Darum ist er auch Andrea nicht ernsthaft böse, nachdem sie ihm alles gestanden hat. Vielmehr überlässt er ihr sogar sein Auto und geht zu Fuß heim – „…weil das Wetter gut ist…“

Unbedingt ein sehenswerter Film für all jene, dies sich nicht schenkelklopfend amüsieren wollen, sondern sich ernsthaft mit schwieriger Materie wie Einsamkeit, Schuld, Sühne oder Verantwortung auseinandersetzen wollen…
Und vielleicht auch mit der brennenden Frage: Was hätte ich an ihrer Stelle getan?

Vivienne

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