Beatrice

Horst schloss wütend das Fenster.
Er war gerade erst heimgekommen.
Ein Gewitter kündigte sich an.
Durch leises Donnergrollen.
Der starke Wind hatte die Vorhänge zerzaust.
Ein Blitz zuckte über den jungen Abendhimmel.
Horst ging zur Bar.
Goss sich ein Glas Johnny Walker ein.
Aber auch der kühlte sein Gemüt nicht.
Das warme Gefühl stellte sich nicht ein.
Das er sonst so genoss.
Zum Teufel!
Horst rekapitulierte die letzte Stunde im Kopf.
Er war bei Beatrice gewesen.
Beatrice Günter.
Eine Freundin.
Oder viel mehr eine Freundin von Klemens.
Gegenüber ihm, Horst, hatte sie sich immer eher kühl verhalten.
Fast abweisend.
Ihn selber hatte sie wegen Klemens akzeptiert.
Aber gemocht hatte sie ihn, Horst, nie.
Egal.
Er hätte die spröde Schönheit schon ein wenig Feuer gelehrt.
Wenn sie ihn an sich heran gelassen hätte.
Egal.
Horst knurrte aufgebracht.
Diese Frau mit ihrem verschrobenen Ehrenkodex!
Zum Lachen!

Er hatte sie also vorhin besuchen wollen.
Die stolze, ehrbare Beatrice.
Mit dem unglaublichen Organisationstalent.
Die immer die Leute herangebracht hatte.
Für seine Wohltätigkeitsbasare.
Er veranstaltete sie jedes Jahr wieder.
Meist drei oder vier im Jahr.
Und dank Beatrice waren diese Veranstaltungen gut gelaufen.
Jedes Mal wieder.
Beatrice kannte viele Leute in wichtigen Positionen.
Die gute Mundpropaganda tat ein Übriges…
Ein lauter Donner ließ das Fenster erzittern.
Horst zuckte kurz zusammen.
Dann ließ er die Jalousien herunter.
Er wollte das Blitzen jetzt nicht sehen.
In seinem Kopf ging auch gerade ein Gewitter nieder.
Voller schmerzhafter Gedanken.
Und voll ungläubigem Staunen.
Dazu noch kalte Wut…
Beatrice war verliebt in Klemens gewesen.
Und das von Anfang an.
Seit sie sich kannten.
Schon deshalb hatte sie kein Interesse an ihm, Horst, gehabt.
Egal.
Geplant wäre es anders gewesen.
Horst verzog in komischer Verzweiflung das Gesicht.
Er, Horst, hatte ein großes Herz.
Und beklagt hatte sich noch keine über ihn.
Und seine Qualitäten…
Aber Beatrice hatte ihn links liegen lassen.
Und sich lieber mit Klemens abgegeben.
Klemens.
Verheiratet.
Und seine Frau war gerade schwanger…

Wäre es besser gewesen, von Anfang an die Wahrheit zu sagen?
Klemens bejahte das entschieden.
Er, Horst, sah das anders.
Es war einfach Pech gewesen.
Großes Pech, dass Beatrice hinter das Geheimnis gekommen war.
Es hätte auch ewig so weitergehen können.
Und das hätte niemandem wehgetan…
Aber wie heißt es?
Shit happens…
Das Malheur war nun mal nicht mehr zu ändern…
Beatrice hatte fast zwei Jahre auf Klemens gehofft.
Klemens war die Sache schon unangenehm geworden.
Mittlerweile.
Als jungen Familienvater interessierten ihn die Treffs mit Beatrice nicht.
Nicht mehr.
Sie war ja ganz nett.
Und sicher unglaublich klug und belesen.
So übel sah sie auch gar nicht aus.
Aber mit der Zeit hatte Klemens sich zurückgenommen.
Mehr und mehr.
Und Beatrice war das aufgefallen.
Mitunter hatte sie ihm, Horst, Fragen deswegen gestellt.
Sag, hat Klemens eine Freundin?
Er hat sich so verändert!
Horst schnaufte kräftig durch.
Nein.
Gelogen hatte er nicht.
Zumindest nicht richtig.
Er hatte gemeint, er wüsste nichts.
Klemens würde sein Privatleben bedeckt halten.
Verrückt wäre er, Horst, gewesen die Wahrheit zu sagen!
Beatrice war unverzichtbar!
Und wer weiß!
Irgendwann hätte sich diese spröde Person auch einmal für ihn erwärmt.
Er hätte ihr schon ordentlich eingeheizt!
Um sie bei der Stange zu halten!

Aber so weit kam es nicht.
Bea war Klemens und seiner Familie über den Weg gelaufen.
Vor drei Wochen.
Bei einem Spaziergang im Stadtpark.
Rein zufällig.
Und völlig unerwartet.
Klemens war rot angelaufen.
Beatrice war ohne ein Wort weitergegangen.
Kalkweiß im Gesicht.
Und seither war sie nicht mehr erreichbar gewesen.
Nicht für Klemens.
Und nicht für ihn.
In zwei Monaten sollte der nächste Basar stattfinden.
Und wie würde der schon laufen?
Ohne Beatrice und ihre Connections?
Horst stand auf.
Lockerte seine Krawatte.
Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
Er verstand ja, dass Beatrice sauer war.
Gut.
Sie war gefoppt worden.
Ein wenig zumindest.
Aber sie schadete weniger ihm.
Als all den sozialen Projekten in der Stadt.
Die von den Einnahmen gespeist wurden.
Und das war verdammt unfair!
Die Leute konnten nichts dafür!

Horst zerwühlte sein Haar.
Er war vorhin bei Beatrice gewesen.
Um mit ihr zu reden.
Um sie zu beruhigen.
Und den sozialen Aspekt der Sache zu betonen.
Es ging ja nicht um ihn.
Es ging um die vielen Leute und ihre Not.
Das Verhalten von Beatrice war nicht gerechtfertigt.
Nicht in dieser Form.
Das hätte er ihr zwar nicht gesagt.
Aber er hätte schon die richtigen Worte gefunden.
Sie zu überreden.
Und wer weiß!
Vielleicht hätte er das Eis zwischen ihr und ihm auch gebrochen.
Klemens stand ja als Liebhaber nicht zur Verfügung.
Er, Horst, wäre gerne in die Bresche gesprungen.
Aber Beatrice hatte nicht geöffnet.
Obwohl sie daheim gewesen war.
Er hatte sie schon an der Tür gehört.
Also hatte er immer wieder geläutet.
Er hatte nicht vorgehabt aufzugeben.
Bis Beatrice doch geöffnet hatte.
Einen Spalt.
So weit es die Sicherheitskette zugelassen hatte…
Ihre Stimme hatte hassverzerrt geklungen.
Verschwinde!
Ich rufe die Polizei.
Wenn du noch ein einziges Mal läutetest.
Kapiert?
Horst barg das Gesicht in seinen Händen.
Er war dann heimgegangen.
Hilflos.
Voller Wut auf Beatrice.
Würde sie sich jemals beruhigen?
Aber niemand hatte ihr Böses gewollt!
Sie hatte sich doch selbst in diese Gefühle verlaufen.
Selber Schuld.
War das denn nicht ihr eigenes Problem????
Konnte sie jemanden dafür verantwortlich machen?
Dass Klemens ihre Gefühle nicht erwidert hatte?
Horst ballte die Fäuste.
Beatrice hatte nicht das Recht sich so zu verhalten!

Vivienne

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