Bin ich arm? – Aus dem Leben

Manche Leute, so sinniere ich, die kaufen nur Marken. Jeans, Jacken, Schuhe, T-Shirts – niemals No-name, aber dafür mit klingendem Namen. Zum Herzeigen: Ich habe was! Qualität, Status… Tolle Sache, und sicher nichts, das man jemandem zum Vorwurf machen könnte. Steht jedem zu. Nur ich – ich konnte mir Marken noch nie leisten. Es fehlte immer am Kleingeld. Mag sein, dass eine Markenjeans etwas länger hält, keine Frage. Aber die ist einfach nicht drin bei mir. Mein Budget ist begrenzt.

Ich erinnere mich genau, als mich eine junge, damalige Kollegin quasi auslachte, weil ich zugab, dass ich mir nur Jeans kaufe, die selten mehr als EUR 19,90 kosten. Ihre Jeans kaufte sie um EUR 80,00 und darauf war sie so stolz, dass sie mich verarschte deswegen. Sie kapierte nicht, dass mir einfach das Kleingeld fehlte. Vielleicht war sie aber auch nur zu dumm, um zu begreifen, dass sie mich verletzte, wer weiß…

Bin ich arm? so frage ich mich. Mag sein, dass ich das bin, in den Augen oberflächlicher Menschen wie jener Ex-Kollegin, die Gott sei Dank aus meinem Leben verschwunden ist. Sparen muss ich, wenn man arm ist, weil man sparen muss, dann bin ich das. Ich kaufe manchmal abgelaufene, reduzierte Ware im Supermarkt und gelegentlich auch Multipacks. Vorzugsweise greife ich immer zu den Eigenmarken der Supermärkte und nicht zu den großen Marken. Ständiges Sparen, das habe ich gemerkt, es verändert einen Menschen. Es macht ihn hart und bitter, aber auch gierig auf alle Sonderangebote. Neulich, da habe ich mir einen neuen Drucker/Scanner gekauft, gute Qualität, das gebe ich schon zu, aber auch EUR 30,00 ermäßigt. Das hat mir den Kauf versüßt…

Meine Jeans, die kaufe ich noch immer billigst möglich, viel mehr als EUR 20,00 sind einfach nicht finanzierbar. Aber das können sich Leute nicht vorstellen, die gut verdienen. Oder auch in einer Lebensgemeinschaft leben, in der beide verdienen – geteilte Lebenskosten sind halbe Lebenskosten für den Einzelnen. Das stimmt. Da lässt es sich leichten Herzens zu Nike, Levi und Jack Wolfskin greifen. Aber da fehlt manchmal auch das Verständnis für Menschen wie mich, die mit einem Gehalt alles abdecken müssen.

Marken, sie fehlen mir zudem nicht wirklich. Ich habe im Ausverkauf schon Hübsches ergattert und: es muss nicht das Allerteuerste sein. Das habe ich gelernt. Für mich selbst. Ich muss nicht etwas darstellen, das ich nie sein werde. Wenn mich jemand verächtlich anblickt, weil ich zum Beispiel nicht das teuerste Smartphone mein Eigen nenne, dann wird er wohl noch auf seine hoch getragene Nase fallen. Wer vorrangig nach Marken urteilt, hat noch nicht viel gelernt in seinem Leben. Sind nicht einmal so wenige, die nie kapieren, dass Status kein Gradmesser dafür ist, welchen Charakter ein Mensch hat. Und vor allem nicht, dass hinter einem sparsamen Menschen meist auch eine besondere Geschichte steckt. Nicht immer, hat man es sich ausgesucht, wie man lebt. Oft gibt auch der Job nicht mehr her um großartig Marken zu erwerben.

Würde ich mir Marken kaufen, wenn ich genug Geld hätte? Mag sein, ich weiß es gar nicht. Genau genommen habe ich nie wirklich in meinem Leben Marken gekauft. Einmal ein Nike-Rucksack, stark reduziert, dann noch der besagte, neulich erworbene Drucker – detto. Ich musste eigentlich immer sparen, mein ganzes Leben. Ganz besonders die letzten vier Jahre, seit ich in der Stadt lebe. Begriffen haben nur die Wenigsten, warum ich mir keinen geldigen Lover, einen gut situierten, älteren Herrn etwa, angelacht habe, um bei ihm ein bequemes, versorgtes Leben zu führen… Aber das war nie mein Weg. Böses, emanzipiertes Weib, das ich nun mal bin, sarkastisch formuliert, oder besser gesagt: weil mein Selbstverständnis es nicht zulässt. Ich will stark sein, selbständig, autark. Und mich aushalten zu lassen, das wäre das allerletzte…

Ungewöhnliche Einstellung, nicht wahr? Aber so bin ich. Auch wenn das nicht in diese Zeit zu passen scheint – oder von einer Frau eher nicht erwartet wird. Aber lieber schränke ich mich ein – und spare eben. Mag sein, dass ich in den Augen der anderen arm bin. Ganz besonders aber bin ich stolz. Spät habe ich mich entschlossen, so zu leben, wie ich jetzt lebe… Und der süße Geschmack der Freiheit und der Eigenständigkeit – die sind unbezahlbar. Dafür verzichtet man gerne auf manches… Auch auf Marken. Und wie kann einem etwas fehlen, das man nie als so notwendig empfunden hat? Arm sind für mich eher die Leute, die jeder neuen Innovation nachlaufen, etwa auf dem Handymarkt. Oder immer das neueste Modell ihrer bevorzugten Automarke fahren müssen. Die sind eigentlich Sklaven, finde ich, Sklaven ihres Markenzwangs. Natürlich werde ich nie en vogue sein, aber das muss ich auch nicht. Und ein Shirt ist ein Shirt, ob es von C & A ist oder von Ed Hardy, ich ziehe gerne an was mir passt und was erschwinglich ist…

Arm bin ich nicht, meiner Anschauung nach. Mein Leben ist eigentlich sehr reich, mit all den kleinen Freuden, die ich genieße. Es gibt so vieles, für das es sich für mich lohnt zu leben – und das sind alles keine teuren Marken…

Vivienne

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