Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne
19.10.2005, © Vivienne
Der Igel
Wie ich schon öfter berichtet haben, hat es im Haus meiner Eltern immer Tiere gegeben: Unsere treue Rex, zum Beispiel, mit ihren Babys, die beiden Kater Peter I und Peter II bis hin zu unserer Minki und ihrem Sohn Stocki. Nicht zu vergessen unsere Susi, den letzten Neuzugang. Einen Winter lang hatten wir allerdings ein Haustier der besonderen Art, das noch eher unüblich in Österreichs Haushalten ist: vor gut zwanzig Jahren etwa hauste tatsächlich ein paar Monate lang ein Igel in unserem Haus, im Keller genau genommen. Aber nicht nur dort
Zu unserem Haus gehörte auch immer ein großer Garten, nicht nur mit Gemüse und Blumen sondern auch mit vielen Bäumen und Sträuchern. Meine Mutter lebt hier schon eine halbe Ewigkeit ihre bäuerlichen Wurzeln aus, so auch damals im Spätherbst. Wir waren erstaunt als sie uns in den Keller holte. In einem alten Eimer saß ein kleiner Igel, zusammengerollt und voller Flöhe, wie ich bald bemerkte. Unsere Mutter berichtete uns, dass sie ihn unter den Bäumen entdeckt hatte, und da er zu klein war, um einen Winterschlaf zu halten, hatte sie mit ihn ins Haus geholt: mit dem Spaten hatte sie den stacheligen Halbwüchsigen geschickt in den Eimer befördert
Wir füllten dem Igel zwei Schalen mit Wasser und Katzenfutter und beobachteten gespannt, was sich tun würde. Es dauerte schließlich eine ganze Weile, bis der Igel sich auseinanderrollte und uns seine süße Nase zeigte. Dann kletterte er aus dem Eimer, kippte ihn dabei um und begann vor unseren Augen zu fressen, ganz ungeniert. Ich war entzückt, der kleine Igel war ganz hinreißend und wenn mich seine Flöhe nicht abgeschreckt hätten, hätte ich ihn fast in den Hand genommen. So aber fixierten wir unseren neuen stacheligen Hausbewohner. Ich begann schon fieberhaft wegen eines Namens für ihn zu überlegen, aber keiner ob Meki oder Pieksi fand Anklang bei meiner Familie.
Und schließlich war der Kleine von einem Tag auf den anderen verschwunden. Er war unauffindbar, obwohl wir vermeintlich jeden Zentimeter im Keller abgesucht hatten. Ein Mysterium für mich, etwas, das ich mir nicht logisch erklären konnte. Aber der Igel ließ sich auch am nächsten Tag nicht mehr bei seinem Futter blicken. Auch wenn es verrückt klang: er musste einen Weg nach draußen gefunden haben Ich war verärgert und traurig zugleich. Es war so aufregend gewesen einen Igel zu haben und nun war unser Stacheltier schon wieder weg! Meine Schwester Bea, die damals noch mit mir ein Zimmer teilte, sah die Situation stoischer, sie hatte den ganzen Abend ein Buch gelesen und schließlich drehten wir das Licht aus.
Ich war fast eingedöst, als mich ein Rascheln aufschrecken ließ. Mein Herz klopfte laut. Was war das? Ich schielte im Dunkeln zum Bett meiner Schwester. War sie wach? Hatte sie das auch gehört? Und da war schon wieder dieses Geräusch. Wie eine Maus fast oder etwas noch Größeres. In dem Moment rief Bea meinen Namen. Leise und auch etwas ängstlich. Ich machte das Licht an. Wir starrten uns an. Dann war das Geräusch wieder zu hören. Es schien sich neben unserem Schreibtisch lokalisieren zu lassen. Wir standen beide auf und ließen unsere Blicke über den Boden kreisen. War da irgendwo eine Maus? Plötzlich stieß mich Bea an. Zitternd zeigte sie auf den Papierkorb. Richtig, da drin raschelte es, immer deutlicher vernehmlich.
Angespannt näherten wir uns dem Papierkorb. Das Rascheln war plötzlich ganz laut. Dann fiel der Papierkorb um und jede Menge Papier fiel heraus. Schließlich schob sich die süße Nase des kleinen Igels durch den Unrat. Er sah uns interessiert und ohne Scheu an. Hierher hatte sich also der kleine Igel verzogen, er musste tatsächlich an einem unbeobachteten Augenblick durch die offene Kellertür auf die Stiege ins Erdgeschoß gekommen sein. Von dort war es für ihn sicher nicht schwer gewesen, in einen der Räume zu laufen. Und die Wahl war auf das Zimmer von Bea und mir gefallen Meine Schwester und ich haben noch in dieser Nacht den Igel wieder in den Keller verfrachtet und natürlich ausgiebig gefüttert. Immerhin hatte der kleine Kerl fast zwei Tage kein Futter gehabt
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