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19.12.2005, © Vivienne

Pyjamafahrt

Ich war an jenem Abend im September früh schlafen gegangen. Albert hatte sich mit ein paar Freunden getroffen und mir war schon klar, dass erst spät wieder kommen würde, man hatte sich ja viel zu erzählen… Und da sich das Fernsehprogramm alles andere als aufregend gestaltete, schlief ich längst tief und fest, als ich plötzlich aus den tiefsten Träumen hoch schreckte. Die Nachtkästchenlampe brannte und ich konnte undeutlich das Gesicht von Albert vor mir ausmachen. Er roch nach Bier, aber er grinste breit über das Gesicht und seine Augen schienen zu leuchten. „Vivi?“ Alis Stimme klang sehr zärtlich.

Ich brauchte einige Momente um wieder in die Realität zurückzufinden. „Was ist los?“ Ali setzte sich auf das Bett und nahm meine Hand. Seine Bewegungen wirkten etwas umständlich, wodurch sich mein Eindruck verstärkte, dass er an diesem Abend etwas mehr als üblich getrunken hatte. „Vivi!“ wiederholte er. „Meine Freunde und ich haben etwas zu viel getrunken. Wir hatten aber auch sehr viel Spa߅“ Komm zum Punkt, Mann! dachte ich mir, ich will wieder schlafen! Ali sah  mich unendlich zärtlich an. „Ein Freund von mir, Erwin, muss heim. Aber nicht mehr selber, er hat auch zu viel getrunken. Außerdem ist überall am Stadtrand von Linz Planquadrat. Wir kämen durch die Polizeikontrollen nicht durch, das Risiko ist viel zu groß. Aber wie soll Erwin heim kommen?“

„Warum nimmt er kein Taxi?“ Ich begann zu frösteln. Und zog mir die Decke wieder über den Körper. Ich trug zwar einen Satinpyjama, aber mir war wieder kalt geworden. Ali sah mich unverwandt mit gleich bleibender Zärtlichkeit an. „Erwin hat nicht genug Geld mit, Vivi. Da müssen wir was tun…“ Nein. Mein Kopf wehrte sich dagegen, was mir mein Mann da zu verstehen geben wollte. Nie würde ich jetzt – es war schon nach ein Uhr früh – aus meinem Bett steigen und den alten Spezl und Freund von Ali heimfahren, niemals! Und doch begrüßte ich fünf Minuten später Erwin, der in der Küche verlegen wartete und sicher noch mehr intus hatte als mein Mann, mit einigen pseudofreundlichen Worten und zehn Minuten später saß ich am Steuer von Alis Wagen.

Ich trug meinen dunkelblauen Satinpyjama mit süßen Bärlis drauf, war in ein paar feste Schuhe geschlüpft und hatte eine Weste angezogen, halb zugeknöpft. Außerdem kam ich mir unendlich blöd vor in meinem grotesken Aufzug. Ali saß neben mir, er grinste noch immer beim geringsten Anlass und sein Freund hatte hinten Platz genommen. Ich hatte ein wenig Angst vor dem Autofahren, schließlich fuhr ich weder oft noch gut und ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn ich die Herrschaft über das Fahrzeug verlieren würde. Es war bei den normalen Straßenverhältnissen dieser Nacht zwar nicht unbedingt damit zu rechnen, aber ich hasste diese Situation, in die mich Ali manövriert hatte. Mein Mann ahnte davon nichts, zärtlich versicherte er mir wieder und wieder, dass er mir das nie vergessen würde und sein Freund hinter mir starrte nur blöde vor sich hin. Ich fürchte, er war seiner Zunge nicht mehr mächtig…

Am Stadtrand von Linz wurden wir tatsächlich angehalten. Zwei Beamte baten mich auszusteigen und ich kam mir wie der der letzte Idiot vor, als ich die Blicke der Polizisten auf mir spürte. Braune Bärlis auf glänzendem blauen Satin, dazu eine helle Weste, ich muss einen Anblick für Götter abgegeben haben. Dennoch verzogen die beiden Männer nicht eine Miene, als sie meinen Führerschein und die Wagenpapiere überprüften. Sie wechselten ein paar Worte mit mir, in denen ich ihnen die Situation kurz erläuterte: „Ich bringe einen Freund von meinem Mann heim, er darf nach einer längeren Feier nicht mehr selber fahren.“ Es zuckte kurz im Gesicht des einen Beamten, dann gab er mir die Papiere zurück. „Gute Fahrt!“ Klang da etwas wie Hohn mit oder bildete ich mir das nur ein?

Kurz nach halb drei kamen Ali und ich wieder nach Hause. Ich war gar nicht mehr müde, aber Albert war neben mir fast eingeschlafen. Ich nahm ihn an der Hand, als wir mit dem Lift wieder nach oben in unsere Wohnung fuhren. Das Grinsen schien in Alis Gesicht fast festgefroren und als er ins Bett fiel, hörte ich, wie er flüsterte. „Vivi, ich liebe dich, du bist die süßeste Frau der Welt!“ Aber ja, dachte ich mir, deckte ihn zu und machte es mir auf meiner Seite des Bettes bequem. Was für eine Nacht! Und irgendwie brachte ich die beiden Polizisten nicht mehr aus meinem Kopf. Selbst als ich endlich wieder einschlief, verfolgten sie mich in meine Träume, die mich von einem Planquadrat zum nächsten führten…

Nach einer wahren Begebenheit…

Vivienne

 

 

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