Home Prosa Aus dem Hinterhof der Seele
12.07.2005, © Vivienne
Ich hab dich mit ihr gesehen
Ich laufe planlos durch die Straßen.
Mein Kopf schmerzt.
Nein, er hämmert.
Ich kann kaum denken.
Schließlich bleibe ich stehen.
Lehne mich an eine Mauer.
Als wollte ich mich festhalten.
Und schließe die Augen.
Und sehe doch wieder euch.
Euch beide.
Wie ihr auf der Parkbank gesessen seid.
Euch angesehen habt.
Wie ein verliebtes Paar.
Was heißt wie
Ihr seid verliebt.
Ihre Augen haben gesprüht.
Sie ist so hübsch.
Und so jung.
Jünger als ich
Was war ich für eine Närrin!
Dass ich glauben konnte.
Ich möchte aufschluchzen.
Ich möchte schreien.
Aber alles erstirbt in einem rauen Krächzen im Hals.
Brauchen Sie Hilfe?
Die Stimme der Frau klingt besorgt.
Sie ist nicht mehr ganz jung.
In ihrem dunklen Haar graue Strähnen.
Soll ich einen Arzt rufen?
Ich schüttle den Kopf.
Unmöglich, ein Wort zu sagen.
Sie sehen aber blass aus.
Sind Sie sicher?
Ich atme tief durch.
Nein.
Mir ist nur schlecht.
Danke.
Die Frau lässt nicht locker.
Aber dann sollte ich vielleicht doch
?
Ich spüre die Tränen in meinen Augen.
Nun doch
Hören Sie
Meine Stimme zittert.
Ich habe den Mann gesehen.
Den Mann, den ich liebe.
Mit einer anderen Frau.
Ich wusste nichts von ihr
Meine Stimme bricht.
Ich beginne zu weinen wie ein Schoßhund.
Höre die Stimme der Frau.
Gütig und freundlich.
Aber ich verstehe kein Wort.
Ich sitze wieder in meiner Wohnung.
Die Frau hat mich in ein Taxi gesetzt.
Einfach so.
Und so warte ich.
Starre die Wand an.
Mir ist die Situation peinlich.
Was muss sich die Frau gedacht haben!
Eine Frau, die sich nicht beherrschen kann!
Wird hysterisch wegen eines Mannes.
Eines Mannes, der nicht einmal ihr Partner ist.
Sondern nur ein Bekannter aus dem Tennisclub.
Keine Beziehung.
Nur Freundschaft.
Und ich heule wie ein Teenager?
Wieder spüre ich Tränen in den Augen.
Es tut weh.
Obwohl nie etwas war.
Weil du Hoffnungen in mir genährt hast.
Ungewollt wohl.
Die du nie erfüllen wolltest.
Warum auch?
Es gibt ja sie
Die junge, bildhübsche Frau.
Mit den großen Augen.
Ich habe es mir gewunschen.
Das mit uns beiden.
So sehr.
Zwei Menschen.
Und sie sehen eine Situation völlig anders.
Schätzen sie unterschiedlich ein.
Aber beide merken es nicht.
Nehmen es nicht wahr.
Weil sie es nicht wahrnehmen wollen
.
Ich bin vor dem Fernsehapparat eingeschlafen.
Das Klingeln des Telefons lässt mich hochschrecken.
Ich kenne die Nummer am Display.
Du!
Oh, dich habe ich gebraucht
wie Brotkrumen im Bett.
Ich begrüße dich nicht freundlich.
Und trotzdem zittere ich vor Nervosität.
Hast du schon geschlafen?
Ich wollte dich nicht aufwecken
Dein Tonfall voll Bedauern.
Bist du morgen am Court?
Ich beiße mir auf die Lippen.
Ich glaube nicht.
Wieso?
Besser so als anders.
Ich würde mich aber freuen, wenn du kommst.
Bitte.
Ich möchte dir jemanden vorstellen
Ach du lieber Himmel!
Das auch noch
Ich balle die Fäuste.
Bohre die Fingernägel in den Ballen.
Damit ich nicht gleich wieder zu weinen anfange.
Ich räuspere mich
Überlege, was ich sagen soll
Deine Stimme klingt fröhlich.
meine Nichte nämlich.
Die Tochter meiner älteren Schwester aus Paris.
Das Mädel ist das erste Mal in Österreich
Ich war heute Nachmittag mit ihr unterwegs.
Ich würde mich einfach freuen, wenn du dabei bist
Ich höre dir zu.
Meine Hand sucht eine Stuhllehne.
Ich setze mich.
Versuche zu begreifen.
Lausche dem zärtlichen Klang deiner Stimme
während sich das Chaos in mir ordnet.
Mühsam.
Und sehr langsam
Vivienne
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