Der betrogene Ehemann – Die bunte Welt von Vivienne

„Nein!“ Vicky lachte am anderen Ende der Leitung laut auf. „Chlamydien? So ein Pech für euren Nachbarn. Oder Glück, je nach dem. Sonst wäre die Dreiecksgeschichte noch länger gelaufen, wer weiß…“ Als mich Vicky wenige Tage nach dem unerwarteten Besuch unseres Nachbarn anrief, erzählte ich ihr die Geschichte mit allen Details. „Ich verstehe wirklich nicht, warum er ausgerechnet zu uns gekommen ist… Weißt du, wir lachen, aber wie würden wir uns wohl an seiner Stelle fühlen? Und hätten wir nicht auch das Bedürfnis, unseren Kummer los zu werden?“ Vicky schwieg einen Moment. „Natürlich hast du Recht. Wenn man glaubt, dass alles in der Beziehung in Ordnung ist, dann wird einem durch eine derartige Entdeckung der Boden unter den Füßen weggezogen. Das ist schon richtig.“ Wir ließen unseren Gedanken freien Lauf. „Weißt du, Vivi,…“ fuhr Vicky schließlich fort. „…meine Großmutter aus dem Ennstal, die hat uns einmal eine ähnlich gelagerte Geschichte erzählt – und die eskalierte sogar zu einem richtigen Kriminalfall… Lass mich nachdenken. Die Sache ereignete sich in den Nachkriegsjahren…“

Ich lauschte interessiert. Jetzt war ich wirklich gespannt, was mir Vicky da zu erzählen hatte, und das ließ nicht lange auf sich warten. „Meine Großmutter hat nach dem 2. Weltkrieg als junges Mädchen auf unterschiedlichen Bauernhöfen in der Umgebung gearbeitet. Für Essen und eine Schlafgelegenheit. Einer der Höfe wurde von einer resoluten Bäuerin und ihrer halbwüchsigen Tochter bewirtschaftet. Ihr Mann galt als vermisst, der Sohn war gefallen. Eines Tages verdingte sich ein Russlandheimkehrer bei der noch immer gutaussehenden Bauersfrau. Er begann dort zu arbeiten, wie meine Großmutter für Kost und Quartier. Bald aber entdeckte meine Großmutter, dass der ehemalige Soldat ein Verhältnis mit der Bäuerin hatte – und nicht nur mit ihr. Auch die Tochter der Frau, ein vielleicht 17jähriges Mädchen, wurde von dem Mann beglückt!

Ich staunte. Da schau her! Alle drei hatten wohl einen echten Nachholbedarf und es schien auch keine große Eifersucht unter den Frauen zu geben. Vicky bestätigte mir das. „Nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren tobten sich alle drei sexuell aus. Und das ging einige Zeit gut, bis unerwartet ein Brief des Bauern vom Briefträger abgegeben wurde. Der Bauer kündigte seine Rückkehr aus der Gefangenschaft an und hatte nur ein Ziel, nämlich zu seiner Frau und seiner Familie zurückzukehren. Vom Tod seines Sohnes ahnte er noch gar nichts. Am Bauernhof brach nun Panik aus, aber nicht nur, weil das Liebesnest so unsanft gestört werden sollte.“ Vicky räusperte sich. „Der Soldat, der mittlerweile auch schon Chef spielte, hatte sich in den Kriegsjahren mit Tripper angesteckt.“ „Au weia!“ entfuhr mir. „Das ist ja eine ganz dumme Situation. Der arme Bauer!“

„Das kannst du laut sagen!“ gab mir Vicky recht. „Da bahnte sich eine regelrechte Tragödie an. Die Bäuerin wusste, dass ihr Mann bald merken würde, dass sie Tripper hatte – angesteckt vom Liebhaber, den sie sich mit der Tochter teilte. Und die natürlich auch angesteckt worden war. Meine Großmutter konnte sich ganz genau erinnern, wie verzweifelt die drei waren. Und noch bevor der Bauer wieder zurückgekommen war, schmiedeten die drei ein Mordkomplott. Du hast richtig gehört, Vivi. Der Bauer sollte sterben, bei einem inszenierten Unfall, noch bevor er irgendetwas von der Untreue seiner Frau herausfinden würde. Und das Dolce Vita sollte weitergehen wie zuvor…“ Ich war schockiert. Was waren das eigentlich für Leute gewesen? Richtig erbärmliche Charaktere, anders konnte man das nicht formulieren. Pfui Teufel!

Vicky schien meine Gedanken lesen zu können. „Weißt du, Vivi, Gelegenheit macht nicht nur Liebe sondern auch Verbrechen. Diese Leute dachten sich gar nichts dabei, einen Mann zu töten. Die Zeiten waren hart und grausam und manche waren dadurch richtig entmenscht.  Roh und triebhaft – so hatte es meine Großmutter beschrieben. Als der Bauer auf seinen Hof heimkam, musste er nicht nur gleich die Nachricht vom Tod seines Sohnes verkraften sondern es empfing ihn auch eine sehr frostige Atmosphäre. Seine Frau verhielt sich abwehrend, sie wollte nicht mit ihm schlafen. Und den unerwünschten Knecht, der in der Abwesenheit des Bauern schon das Zepter übernommen hatte, wollte er ganz schnell loswerden. Auch wenn er noch nichts vom Verrat seiner Familie ahnte – bis ihn ein alter Freund in die Dreiecksgeschichte einweihte. Ein heftiger Streit entbrannte unter den Bauersleuten. Der geplante „Unfall“ wurde spontan verworfen, stattdessen sollte der Knecht den Bauern erschlagen – angeblich um die Bäuerin zu beschützen, also in Notwehr.“

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. „Das war ja entsetzlich! Und?“ Vicky machte eine kleine Pause. „Nun meine Großmutter, die wollte das alles nicht mittragen. Sie schlug Alarm, die Gendarmerie kam gerade noch rechtzeitig bevor sich die beiden Männer fast gegenseitig erschlagen hätten. Die Bäuerin, ihre Tochter und der gemeinsame Liebhaber wanderten ins Gefängnis. Den dreien wurde der Prozess gemacht… sie erhielten langjährige Haftstrafen. Der Bauer selber war gezwungen sein Leben neu zu ordnen. Er hat noch einmal geheiratet, blieb aber ein wortkarger, trauriger Mann. Meine Großmutter ist aber am Hof geblieben und sie hätte sich keinen besseren Chef wünschen können. Als sie heiratete, steckte er viel Geld zu und schenkte ihr sogar ein Grundstück. Zum Hausbauen, wie er meinte.“ Ich dachte nach. Eine üble Geschichte und das Leben des Bauern war wohl in seinen Grundfesten erschüttert worden. Kaum vorstellbar wie weit manche Menschen gehen, wenn es um die Erfüllung ihrer Ziele und Pläne ging – bis hin zum Mordkomplott. Haarsträubend!

Vivienne

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