Der neue Job – Geschichten aus dem Cafe Steiner

Man könnte meinen, daß der Titel dieses Beitrages auf keine allzu spektakuläre Geschichte schließen läßt. Diese Einschätzung ist auf den ersten Blick betrachtet vielleicht auch gar nicht so unrichtig. Doch die Vorkommnisse und Gedanken, von denen mir Stammgast Reinhard zuletzt erzählt hatte, haben mich durchaus längere Zeit beschäftigt, sodaß ich mich entschlossen habe euch davon zu erzählen.

Laßt mich Reinhard, der zweifellos auch einen fixen Bestandteil der Stammgästeriege des „Cafe Steiner“ darstellt, kurz vorstellen. Reinhard gehört wohl zu den ruhigeren Charakteren, die fallweise dazu neigen ihr Licht ein wenig unter den Scheffel zu stellen. Auch wenn ich selbst mit Reinhard aufgrund seines aufgeschlossenen Wesens schon zahlreiche interessante Diskussionen im „Steiner“ geführt habe, wird er aufgrund seiner oftmals zurückhaltenden Art von manchen Menschen einfach falsch eingeschätzt.

Der 35jährige hatte seine Berufslaufbahn nach dem Schulabschluß in der Zentrale eines Fachhandelsbetriebes am Wiener Stadtrand begonnen. Das Unternehmen beschäftigte rund 100 Mitarbeiter und betrieb einige Filialen in größeren Städten. Reinhard erzählte mir oftmals sehr positiv von dem – wie er es formulierte – „familiären“ Klima unter der Kollegenschaft. In den über 15 Jahren seiner Betriebszugehörigkeit hatte Reinhard das Unternehmen schließlich intensiv kennengelernt. So hatte er anfangs im Bestellwesen gearbeitet, konnte aber letztlich auf eigenen Wunsch in das kleine IT-Team des Unternehmens wechseln.

Es hatte sich im letzten Jahren offenbar bereits abgezeichnet, daß die Zeichen für den mittelständischen Betrieb aufgrund der verschärften Konkurrenzsituation nicht zum Besten stehen würden. Die Verunsicherung hatte sich unter den Kollegen bereits abgezeichnet als immer wieder Gerüchte durchsickerten, daß sich der Firmenchef zurückziehen wolle. Letztlich wurde das Unternehmen gegen Ende des Vorjahres an einen Handelskonzern verkauft. Im Zuge der Übernahme hatte der neue Eigentümer aber gerade für die in der Zentrale eingesetzten Mitarbeiter keine Verwendung mehr. Auch Reinhard war davon betroffen und hatte vor wenigen Wochen seinen letzten Arbeitstag in dieser Firma.

Reinhard schilderte mir in einem Gespräch seine Sichtweise mit sehr offenen Worten. Es sei ihm schon vollkommen klar, daß die heutige Situation am Jobmarkt kaum mehr Anstellungen vorsehen würde, mit denen man davon ausgehen dürfe bis zur Pension ausgesorgt zu haben. Davon wäre schließlich auch er selbst nie ausgegangen. Aber es kam eben, wie es gekommen ist. In der Firma, in welcher er die letzten 15 Jahre verbracht hätte, wurde er schließlich gebraucht. „Aufgrund meiner langen Erfahrung kannte ich mich bei allen Abläufen einfach aus. Dieser Umstand ist doch auch für das Unternehmen von Vorteil.“, versuchte Reinhard zu argumentieren.

Reinhard hat es für mich durchaus auf den Punkt gebracht. Natürlich kann eine langjährige Betriebszugehörigkeit im Sinne der Kontinuität für beide Seiten von großem Wertl sein. Dennoch lassen sich aber wirtschaftliche Entwicklungen nicht ausschließen – in der heutigen Zeit weniger als je zuvor. „Wo ist jetzt aber das große Problem?“, hörte ich die Stimme von Kellner Martin, der unserem Gespräch an der Schank gefolgt war. „Du bist jung, hast Erfahrung im Umgang mit Computer. Es ist natürlich nicht schön, dass du deinen Job verloren hast. Aber wenn du keinen neuen Job findest, wer sonst?“

Ja, wo ist denn das große Problem? Die Worte von Martin dazu waren bestimmt nicht unrichtig, wenngleich sie vielleicht nicht allzu sensibel formuliert waren. Der Jobverlust soll natürlich auch nicht schlimmer dargestellt werden als er ist und die Berufschancen von Reinhard sollten auch tatsächlich nicht die schlechtesten sein. Es liegt vielleicht eher am Wesen des jungen Mannes, welches relativ leicht bestimmte Selbstzweifel zu Tage fördert. So meinte er etwa, daß er zwar die Unternehmensabläufe gekannt habe, er diese Erfahrung aber nicht an einem neuen Arbeitsplatz 1:1 umsetzen könne. Ich habe euch schon eingangs auf die vermeintlichen Tendenzen von Reinhard zur Tiefstapelei hingewiesen.

Natürlich ist das Hineinleben in eine neue Kollegenschaft eine Sache, mit der nicht alle Menschen gleich gut umgehen können. Der kommunikative Charakter wird diese Herausforderung am leichtesten bestehen, der verschlossene Typ – wie etwa unser Reinhard – wird gefordert sein sich nach Möglichkeit zu öffnen. Auf der anderen Seite müssen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Kollegen aber zweifellos auch immer beide Seiten mitspielen.

Wie ich bei meinem letzten Besuch im „Cafe Steiner“ gehört habe hat Reinhard mittlerweile einen neuen Job in einem größeren Unternehmen finden können. Ich wünsche ihm dazu natürlich das Allerbeste.

Pedro

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