Die Astrologietante

Manche Menschen haben ihre Macken und Spleens, und besonders, wenn diese in der Esoterik angesiedelt sind, dann sollte man diese Leute mit Vorsicht genießen. Die Astrologie betrifft so einen Bereich, und sie polarisiert nach wie vor die Menschen. Unsinn oder eine echte, lebensnahe Wissenschaft? Ich darf da nicht mitreden, liebe Leser, Ihre © Vivienne ist selber eine Astrologietante vor dem Herrn und verlässt sich auch auf den Stand der Planeten. Aber diese Geschichte handelt nicht von mir sondern von einer Bekannten, die ich im Web kennen gelernt habe, Luise. Und Luise ist noch viel versierter in diesen Dingen als ich – und feinfühliger!

Ich traf Luise das erste Mal in einem Linzer Café im Zentrum. Sie trug Ohrringe und eine Kette aus Rosenquarz, ihrem Lieblingsstein – schließlich hat sie am 3. Mai Geburtstag und ist Stier. Und der Edelstein des Sternbildes ist der Rosenquarz… Auch der Stein am Ring schimmerte verdächtig rosa, und ich musste schmunzeln, als wir uns begrüßten. Immerhin war ich mit Bernsteinschmuck bestückt und der ist ja der Jungfraugeborenen zugeordnet… Ich denke, ihr ging es in der Beobachtung mit mir genauso wie mir mit ihr. Luise bestellte Pfefferminztee, während ich der obligaten Melange nicht widerstehen konnte…

Bald war eine nette Unterhaltung im Gange. Wir plauderten, wir lachten viel und Luise war sehr humorvoll, hatte aber auch schon viel gesehen in ihrem Leben. Sie war keine junge Frau mehr, das Geheimnis ihres Geburtsjahres hütete sie streng, aber die rötlichen Haare schimmerten im Ansatz schon sehr silbern. Und Hände kann man nicht jünger machen – die verrieten im Falle von Luise mit Sicherheit ein Alter jenseits der 55 oder 60. Aber das störte mich nicht. So begann ich eine Diskussion mit ihr, wem man wohl im Zweifelsfall mehr trauen konnte: seinem Instinkt, dem Gefühl, – oder doch der Astrologie? Luise lächelte und das Lächeln machte sie wunderschön, weil sie von innen her strahlte… „Nun, © Vivienne, ich erzähle dir jetzt eine Geschichte aus meiner Jugend – sie soll dir meine Antwort sein…“

Die Servierkraft stellte uns noch einmal Tee und Kaffee hin und Luise griff in ihre Handtasche, aus der sie eine Zigarettenpackung mit feinen, dünnen Zigaretten herausnahm – ganz exquisit. „Vor einiger Zeit, als ich noch eine sehr junge, attraktive Frau war und in der Steiermark lebte, da hielt man Astrologie großteils noch für völligen Hombug. Heute ist man ja vergleichsweise aufgeschlossen, weißt du, aber in diesem ländlichen Streifen im Umkreis von Graz lachte und witzelte man über mich und über mein Interesse. Damals gab es noch kein Internet und ich lieh mir regelmäßig esoterische Bücher in der Bibliothek aus. Manchmal setzte ich mich auch in ein Café und las bei einer Tasse Tee interessiert. Einmal sprach mich dort ein Mann an.“

Luise nahm einen Schluck von ihrem Tee. „Völlig ungeniert setzte er sich zu mir und fragte mich ob ich den Unsinn wirklich glauben würde, der da drinsteht. Ich war etwas verdattert und wusste nicht was ich sagen soll. Daraufhin lachte er und verließ wieder meinen Tisch.“ Luise zuckte die Achseln. „Man wird oft nicht ernst genommen mit seiner Passion, aber was man sich hier in dem Ort noch ausdenken würde um mich zu bekehren, das ahnte ich nicht im Geringsten. Also © Vivienne, ich arbeitete damals in einem Geschäft für Papierwaren. Meine Neigung für Astrologie war längst überall bekannt. Eines Tages bediente ich einen gut aussehenden Mann und verkaufte ihm ein Kugelschreiberset. Mir fiel gar nicht auf, dass er wie zufällig das Gespräch auf Astrologie brachte und etwas betont überrascht meinte: „Jetzt kenne ich Sie erst, Sie sind doch die Spezialistin für Astrologie, nicht wahr?“

Luise lachte. „Ich wurde rot und etwas verlegen gab ich es zu. Der Mann verwickelte mich in ein Gespräch über Astrologie und fragte. „Man kann doch aufgrund des Horoskops sehen, wie zwei Menschen zusammenpassen, die sich lieben, nicht wahr?“ Mir war nicht klar worauf er hinauswollte, aber ich bejahte ihm das. In Folge verabredete er sich mit mir, und dabei blieb es nicht. Immer wieder traf er mich, und es schmeichelte mir anfangs schon. Andererseits, liebe © Vivienne, hatte ich immer ein seltsames Gefühl dabei. Nicht dass mir der Mann unsympathisch war, aber verliebt, das war ich sicher nicht. Einmal bat er mich ein Horoskop für ihn zu erstellen, und ich war überrascht, wie sehr wir zusammenpassten – fast schon zu gut schienen sich unsere Aspekte zu ergänzen. Das machte mir Kopfzerbrechen, denn wie gesagt, eigentlich hätten wir ein Traumpaar abgeben müssen, aber merkwürdigerweise mochte ich ihn, nach dem ich das Horoskop berechnet hatte, noch weniger.“

Ich blickte Luise interessiert an. Sie verschränkte ihre Hände und einen Moment schienen sich ihre Gedanken zu verlieren… Dann fuhr sie fort. „ Nun, eigentlich traf ich den Mann dann gar nicht mehr besonders gern. Mir fiel bei jedem Treffen etwas anderes auf, das mir an ihm nicht gefiel. Als er mich eines Nachts heimbrachte, fiel er mir plötzlich um den Hals, küsste mich und berührte meine Brüste drängend. „Ich will dich!“ raunte er mir ins Ohr. „Ich will dich – und du doch mich auch, nicht wahr?“ Es war eine bizarre Situation, © Vivienne, ich wusste einen Moment nicht was ich tun sollte. Dann löste ich mich aus seinen Armen und ließ ihn stehen. Ich sagte kein Wort, ich hörte nur, wie er ärgerlich schnaubte. Aber es tat mir nicht Leid, überhaupt nicht…“

Luise lächelte mich wieder an. „Verrückte Geschichte. Irgendwann ist dann durchgesickert, dass das Ganze ein abgekartetes Spiel war. Man wollte mich belehren, wie sinnlos Astrologie genau genommen wäre und das Horoskop war ein Leger. Allen Ernstes meinte man mir beweisen zu können, dass ich mich durch ein Horoskop in die Irre führen lasse. Der Mann, der mich verführen wollte, war ein Löwe und kein Steinbock – damit erklärte sich wohl auch, dass ich trotz der scheinbaren Übereinstimmung nicht wirklich scharf auf den Kerl war. Stier und Löwe passt an sich überhaupt nicht zusammen… Luise seufzte. „Du verstehst, © Vivienne, ein Horoskop kann getürkt sein, es kann fehlerhafte Daten enthalten, aber das Gefühl, das sagt dir schon, ob du einen wirklich liebst – und er dich!“

© Vivienne

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