Die Braut, die davon lief – Die bunte Welt von Vivienne

Meine Kollegin Caroline im Italienischkurs stieß mich an. „Kennst du dich aus?“ Ich nickte, meine Französischkenntnisse halfen mir dort, wo die etwas hilflos wirkende, kleingewachsene ältere Dame kein Wissen mehr vermitteln konnte. Mittlerweile wusste ich, der Kurs war ein Schlag ins Wasser gewesen, aber das störte mich nicht mehr. Zwei mal nächste Woche noch, dann war die Sache erledigt. Ich blickte genervt auf die Uhr. 10 Minuten noch… Caroline stieß mich an. „Hey, Vivi. Hast du noch Lust auf einen Kaffee?“ Ich überlegte kurz. Ali war sicher noch mit König Fußball verheiratet, dem würde nicht auffallen, wenn ich eine halbe Stunde später kam… Also nickte ich. Wir besuchten das Cafe in derselben Straße und ich bestellte eine Melange. Caro hingegen orderte ein Seiterl Bier und zündete sich eine Zigarette an. „Warum machst du den Kurs eigentlich?“ wollte sie wissen.

Ich zuckte die Achseln. „Interesse, ich brauche ihn nicht wirklich. Aber so wie ich das sehe, hat das gar nichts gebracht. Signora Müllerina ist keine gute Italienischlehrin.“ Caroline lachte. „Da hast du recht, selber hätte mir der Kurs in der Arbeit schon etwas gebracht aber sicher nicht in der Form. So ein Italienischstudium allein prädestiniert nicht für für den Job als Lehrerin in der Erwachsenenbildung.“ Sie schwieg und blies den Rauch der Zigarette verträumt neben mir ins Leere. „Sag, wie lange bist du verheiratet?“ fragte sie mich unvermittelt. Ich zuckte zusammen. „Über fünf Jahre. – Wieso fragst du?“ Caro war eine sehr attraktive Person, etwas älter als ich, eine Frau, nach der sich die Männer umdrehten. Wir hatten uns ein wenig näher kennen gelernt und ich hatte schnell erkannt, dass diese starke Frau unter ihrer robusten Fassade sehr verletzbar war.

Caro zog die Stirne kraus. „Reine Neugierde. Weißt du, Vivi, selber bin ich nicht verheiratet. Aber vor über zehn Jahren, da hätte ich einmal fast geheiratet.“ „Was ist passiert?“ wollte ich wissen. Caroline lachte. „Ich bin davon gelaufen. Oder sagen wir mal so. Ich bin gar nicht hingekommen. Der Standesbeamte, der Bräutigam, die beiden Trauzeugen, ein paar enge Verwandte und Gäste haben eine Stunde auf mich gewartet. Aber ich saß im Zug nach Wien.“ Im ersten Moment dachte ich, dass mich meine neue Bekannte auf den Arm nehmen wollte. Aber ich spürte sofort, sie meinte das ernst. Todernst… Ich zündete mir eine Zigarette an obwohl ich heute nicht mehr rauchen hatte wollen und trank meine Melange. „Was ist passiert?“ fragte ich noch einmal. Caro spielte mit dem Feuerzeug. „Was passiert ist, weiß ich selber nicht. Nämlich dass es so weit gekommen ist, dass ich den Kerl heiraten wollte. Es wäre nicht gut gegangen…“!

Die Servierkraft brachte noch ein Seiterl, dann begann Caro ihre filmreife Geschichte. „Ich habe ihn bei einem Seminar kennengelernt. In der Nähe von Salzburg. Piekfeines Seminarhotel, tolles Essen, luxuriöses Ambiente. Ich saß mit ein paar Kolleginnen an der Bar und führte die große Klappe. Du kennst mich ja.“ Sie schmunzelte. „Also wie gesagt, er sprach mich an und bald floss der Champagner. Der Mann hatte Geld, viel Geld.“ Sie seufzte. „Wir sind uns ein wenig näher gekommen, aber nicht so nahe wie du vielleicht denkst. Und am nächsten Morgen erwartete mich ein Strauß weißer Rosen, den man mir aufs Zimmer brachte. Daran eine Karte mit seinem Namen und seiner Telefonnummer…“ Tja, Caroline war zweifellos der Typ Frau, der die Männer fasznierte. Natürlich rief sie ihn an, sobald sie wieder in Linz war und natürlich trafen sie sich wieder. Nach dem ersten Rendez-vous waren sie ein Paar…

Caro zündete sich wieder eine Zigarette an. „Er hieß Sven, war Anfang 50 und Manager bei einem Konzern in Linz. Ich bin bald zu ihm gezogen und er verwöhnte mich. Aber… er war auch sehr besitzergreifend. Ich habe schnell gemerkt, dass er meine Mails, meine Telefonate und meine SMS kontrollierte. Er wollte immer wisssen wo ich gewesen war. Nicht dass ich ihn hintergangen habe…“ Versonnen ließ Caroline ihren Blick schweifen. „… aber einen Kontrollwahn hatte er zweifellos. Und er war eifersüchtig wie Othello – er hätte mich umgebracht, wenn ich ihn betrogen hätte… Anfangs schmeichelte mir das. Sven war ein toller, ein einfallsreicher Liebhaber, er schenkte mir kostbaren Schmuck und ich kaufte nur mehr in teuren Boutiquen ein. Gott, war das herrlich! Der Urlaub mit ihm in Dubai in diesem Luxushotel war einfach atemberaubend. Aber so verrückt das klingt, irgendwie schnürte er mir damit die Luft ab. Ich konnte immer öfter nicht mehr schlafen. Vielleicht verstehst du das nicht, aber es war mir zu viel. Einfach zu viel… Ich saß in einem goldenen Käfig.“

„Ich verstehe genau, was du mir sagen willst“, widersprach ich ihr. „Du bist eine starke, selbstständige Frau und er wollte dich zu einem Luxusgegenstand degradieren. Du solltest sein Eigentum sein…“ Caro antwortete nicht, sie sprach weiter als ob ich nicht da wäre. „Er hat mir einen Antrag gemacht. Und dann sollten wir in Salzburg heiraten, wo wir uns kennengelernt hatten. Nur ich kam nicht in das kleine Standesamt, in dem alle auf mich warteten.“ Ich atmete tief. „Was gab den Ausschlag?“ Caro sah mich lächelnd an. „Ich hätte mein Auto verkaufen sollen. Sven hätte dann jeden Schritt von mir kontrolliert. Und das wollte ich nicht. Ich bin am Morgen der geplanten Hochzeit nach Wien zu einem guten Freund geflohen – und als ich nach zwei Wochen retour nach Linz kam, zog ich zu einer Freundin. Den Luxus ließ ich zurück. Aber ich blieb ich selbst…

Vivienne

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