Die gestörte Nachtruhe

Tatsächlich sah es so aus, als würde Stocki nach seiner Trotzphase wieder ganz der alte werden. Er begann sich augenscheinlich nach und nach mit der kleinen Susi abzufinden. Unser vierpfötiger Neuzugang steckte zwar manche Ohrfeige von Stocki ein, weil Susi ihn immer wieder bejagte und belauerte, aber sie machte sich auch wenig aus den tätlichen Attacken. Sekunden später plante sie auch schon wieder den nächsten Angriff. Unbeirrbar. Und neulich, als ich das Haus verließ, spielte die Kleine vor der Haustür doch tatsächlich mit einer toten Maus. Ob selbst erlegt oder zufällig entdeckt, ließ sich nicht restlos klären, aber zutrauen würde ich unserer Susi wirklich alles!

Stocki wurde also wieder ein Schmusekater mit hohen Raubtierambitionen. Mir schien sogar, als wäre sein Bedarf an Zärtlichkeiten noch größer geworden als vorher. Fast hatte ich schon vergessen, wie süß der Kater sein konnte. Vor einigen Tagen – ich arbeitete in dieser Woche nachmittags – fiel ich abends nach einem anstrengenden Tag todmüde ins Bett. Ich hatte nur noch das Bedürfnis zu schlafen und das möglichst lange. Ein sanftes Miauen weckte mich mitten in der Nacht. Es dauerte einige Zeit, bis es an mein Bewusstsein drang. Ich bemühte mich die Augen zu öffnen und las entgeistert die Uhrzeit am Radioweckerdisplay. 01.00 Uhr früh. „Stocki?“ mit leiser Stimme richtete ich mich auf. Der Kater miaute wieder, diesmal lauter.

„Mistvieh!“ dachte ich verärgert und ging zur Tür. Stocki freute sich sichtlich mich zu sehen und umschmeichelte meine Beine. Dann folgte er mir eine Treppe hoch bis zur Haustür und ich ließ ihn hinaus. Dabei gähnte ich ununterbrochen. Minuten später lag ich schon wieder im Bett, dreht die Nachttischlampe aus und flüchtete erneut in Morpheus Arme. Stunden später räkelte ich mich gerade in meinem warmen Bett, als wieder ein leises Miauen an mein Ohr drang. Ich war sofort hellwach. Das konnte doch nur eine Hallunzination sein, oder? Unmöglich, dass mein Stocki schon wieder vor der Tür stand und etwas wollte. Da unterschätzte ich aber meinen Kater gewaltig. Er begann an der Tür zu kratzen und miaute drängend. Bitte, komm doch endlich! hieß das übersetzt aus der Katzensprache. Ein Blick zur Uhr zeigt 05.55 Uhr.

Ich wiederholte das Prozedere, stand auf und schlurfte in meinen Hausschuhen zur Tür. Stocki wollte gleich zu mir herein laufen, aber das wusste ich zu verhindern. Da erst bemerkte ich, dass sich Stocki ganz nass anfühlte. Mein Bruder, der vorhin von der Arbeit heimgekommen sein musste, würde ihn wohl wieder ins Haus gelassen haben. Wie in Trance folgte ich dem Kater, der sich intensiv streicheln ließ, zur Haustür. Ich öffnete sie ihm. Es regnete gleichmäßig. Stocki blickte durch den Spalt, dann wandte er sich wieder ab. Er hatte keine Lust nach draußen zu gehen, das war offensichtlich, dafür umschnurrte er mich und bettelte förmlich um Streicheleinheiten. Müden Auges koste ich ihn, während er Trockenfutter fraß und unsere Susi ihn neugierig beobachtete.

Jetzt kannst du mich! ging mir nach Minuten durch den Kopf. Fressen darfst du auch ohne mich! Ich fühlte mich schwach, als ich diesmal das Licht bei mir abdrehte und sehnte mich innig nach Schlaf… Etwa eine Viertelstunde später schreckte ich wieder hoch. Was war das? Das konnte doch nicht schon wieder Stocki sein? Es konnte aber Stocki sein. Denn er und kein anderer kratzte und miaute vor meiner Tür. Mit roten Augen stand ich diesmal auf und wankte zu ihm. Stocki schnurrte und schnatterte mich an, ich folgte ihm zum dritten Mal in dieser Nacht und öffnete ihm schließlich die Haustür. Offenbar verspürte Stocki nun ein dringendes Bedürfnis – bei seinen Futtermengen kein Wunder – so dass er trotz des Regens nach draußen begehrte. Nicht ohne noch einmal um die obligaten Streicheleinheiten zu bitten…

Ich weiß nicht mehr genau, wie ich ins Bett gekommen bin. Der Kopf tat mir weh und ich fühlte mich wie gerädert. So, als hätte ich eine Nacht durchgemacht… Irgendwann verlor sich mein Denken und als ich wieder wach wurde, war es fast neun Uhr. Wach war ich nicht. Stocki kam mir sofort in Erinnerung und dass ich dem Kater die Ohren lang ziehen wollte, dass er aussah wie ein Osterhase. Ich habe es dann doch nicht gemacht. Als ich nämlich nach oben ins Wohnzimmer kam, fraß Stocki gerade wieder und miaute mich erfreut an. Darum schaffte ich es nicht, so sehr ich auch das Bedürfnis verspürte. Ich tröstete mich mit einem heißen, starken Kaffee und beim Frühstück sinnierte ich darüber nach, wie ich meinem Kater solche Touren abgewöhnen konnte…

Vivienne

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