Du brauchst mich nicht mehr!

Wir waren Freunde.
Du und ich.
Gute Freunde.
Und ehrlich:
Ich liebte dich.
Wie einen Bruder.
Oder sogar mehr.
Ich hätte alles für dich getan.
Alles.
Ich war dir teuer.
Vielleicht nicht so sehr wie du mir.
Aber ich akzeptierte es.
Es tat nicht mehr so weh.
So weh wie einmal.
Ich fand Kraft in unserer Freundschaft.
Ich fand Kraft in dir.
Dass es dich gab.
Wenig, dass ich mich mehr glücklich machte.
Als diese Abende mit dir.
Wenig.
Wer war ich schon?
Komplexbehaftet.
Vom Leben frustriert.
Und voller Neurosen…
Du gabst mir Halt.
Auf deine unauffällige Art.
Du warst mir Sinn…

Wenn wir meinen.
Es dürfte sich nichts ändern.
Macht das Leben oft einen Sprung.
So war es auch mit uns beiden.
Du bekamst beruflich eine große Chance.
Unmöglich abzulehnen.
Und zogst weg.
Schon bald.
In eine große Stadt weit von hier.
Wir haben geweint.
Als wir uns trennten.
Du hast mich festgehalten.
Und ich wollte nicht.
Dass du gehst.
Niemals!
Aber schließlich ging dein Flug.
Und ich sah dir nach.
Beobachtete, wie du zum Schalter gingst.
Und du dich noch einmal umdrehtest.
Ich konnte nicht klar denken.
Wann werden wir uns wieder sehen?
Wann?
Es dauerte ein halbes Jahr.
Ein schlimmes halbes Jahr.
Mit Telefonaten.
Jeden dritten Tag.
Vielen Mails.
Und Träumen.
Träumen von dir.
Die das Leben erträglich machten.
Ein wenig zumindest.

Ich freute mich so wahnsinnig auf dich.
Heute würdest du auf Besuch kommen!
Heute.
Endlich!
Ich konnte kaum ausdrücken.
Was ich empfand.
Mein bester Freund.
Mein liebster Freund.
Mein Leben…
Ich wartete am Flughafen.
Mein Herz pochte wie wild.
Als hätte ich ein Rendezvous.
Aber du warst mir viel mehr!
Ich fiel dir um den Hals.
Und spürte sofort.
Du warst nicht bei mir.
Irgendwie abwesend.
Fast fremd.
Ich sah dich an.
Du warst derselbe.
Aber nur äußerlich.
Denn deine Augen hatten sich verändert.
Ich spürte eine Mauer.
Eine Mauer zwischen uns.
Und ich begriff.
Ich hatte dich verloren…

Später saßen wir beisammen.
Wie früher.
Und doch anders.
Befangen.
Distanziert.
Du warst so anders.
Dein Lachen.
Dein Reden.
Deine Gestik.
Du konntest mich noch täuschen.
Am Telefon.
Aber nicht.
Von Angesicht zu Angesicht.
Dein Leben hatte sich geändert.
Neue Freunde.
Und eine Liebe.
Eine Frau.
Du erwähntest sie verlegen.
Du konntest mir dabei nicht ins Gesicht sehen.
Weil es dir unangenehm war.
Ich wäre gerne davongelaufen.
Sofort.
Unsere kostbare Freundschaft.
Vergangenheit.

Du brauchst mich nicht mehr…

Vivienne

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