Es ist ein Herbst wie damals.
Damals vor fünf Jahren.
Fünf Jahre älter.
Fünf Jahre gereift.
Und doch spüre ich manchmal den Hass wie gestern.
Lebendig und heiß.
Den Hass und die unglaubliche Wut.
Dass mir jemand das antun hatte können.
Eine unantastbare Frau.
Geschützt durch ihren untadligen Mann.
In gehobener Position.
Und durch noch eine unantastbare Frau.
Geschützt durch ihren Status.
Und durch ihre Gesinnungsgenossen.
Unglaublich, dass mir das passieren hatte können.
Unglaublich, dass sich Leute hergaben.
Diesen beiden Frauen Unterstützung angedeihen zu lassen.
Aber Opportunismus ist eine Seuche.
Fast alle sind befallen.
Jeder ist käuflich.
Wenn es um den eigenen Vorteil geht…
Jeder.
Außer mir.
Aber mein Rückgrad hätte mich fast zu Fall gebracht.
Immer wieder.
Ramponiert ist es.
Und mein Rücken schmerzt symbolisch.
Doch ich gebe nicht nach.
Ich gehe gerade.
Ich beuge mich nicht.
Ich bin kein Kriecher.
Nein.
Und kein Diplomat.
Heute schweige ich aber öfter.
Und kämpfe nur noch für mich…
Keiner aus jener Zeit ist mir geblieben.
Nicht Mann.
Nicht Frau.
Und das ist gut so.
Besser, ich hätte sie alle nie gekannt.
Aber es musste wohl sein.
Um heute die zu sein, die ich bin.
All das Unrecht erfahren.
Himmelschreiend.
Vorverurteilt.
Abgeschrieben.
Unvermittelbar!
Ein Mann musste her, mich zu biegen.
Mich zu brechen.
Zuerst verliebt gemacht.
Dann zurückgestoßen.
Gedemütigt.
Ich will dich nicht!
Er sagte es mir lächelnd.
Und wurde blass, als ich ging.
Alles hätte er erwartet.
Schreien und Weinen.
Beschimpfungen.
Aber nicht unsägliches Leid in mein Gesicht geschrieben.
Ich war nicht gut genug war für ihn.
Er hielt mich schließlich für verdorben.
Ich war verfemt.
Aber ich wusste von nichts.
Ich begriff nicht…
Er sollte mich in die Arme eines anderen treiben.
Eines Mannes, der mich trotzdem wollte.
Trotz des üblen Rufes.
Hässlich und selber getreten.
Er wollte mich.
Weil ich ihm nie davon laufen würde.
Wie er meinte.
Ewig dankbar für die Rettung aus dem Abgrund.
Und die Liebe.
Und untertänig…
Aber das war ich nicht.
Und ich wollte ihn nicht.
Er war ein Opportunist.
Als Günstling meiner Todfeindin lehnte ich ihn ab.
Von Anfang an.
Nicht, weil er hässlich war.
Nicht, weil er mir nachlief.
Nicht, weil er sich aufdrängte.
War es falsch ihn abzulehnen?
Ich fragte es mich nachher immer wieder.
Hätte ich ihn lieben können?
Irgendwann?
Vielleicht.
Vielleicht nicht.
Aber die Lüge wäre aufgeflogen.
Früher oder später.
Danach wäre das Kartenhaus zusammengefallen.
Ich hätte ihn nicht mehr ansehen können.
Nie mehr!
Nein.
Ich musste die werden, die ich bin.
Der Weg war mir vorgegeben.
Auch der heftige Sturm.
Und die schier endlose Nacht.
Beißend vor Kälte.
Er war mir nicht bestimmt.
Genauso wenig wie der andere.
Der mich von sich wies.
Der mich zu Boden trat.
Und ich ließ es geschehen.
Liebe macht blind.
Liebe nimmt auch den Verstand.
Heute bin ich klüger.
Aber auch einsam.
Ist mir die Einsamkeit bestimmt?
Vermag ich die Herzen der Menschen zu bewegen?
Nur nicht das eines Mannes, der mich wirklich liebt?
Ich weiß es nicht.
An manchen Tagen möchte ich verzagen deswegen.
An anderen lebt die Hoffnung.
Ich blicke zum Himmel.
Eins mit mir selbst.
Und weiß plötzlich.
Ich finde ihn.
Ich laufe ihm in die Arme.
Oder er mir…
Was würde ich tun?
Wenn ich einen der beiden heute treffen würde?
Ich meine.
Ich ginge einfach weiter.
Was reden?
Vor fünf Jahren wäre es Zeit gewesen zu reden.
Heute ist es zu spät.
Aber mein Stolz ist groß.
Wer mich verrät, ist tot wie ein Stein.
Gestorben für mich.
Und braucht nicht auf Verzeihung hoffen.
Nicht in diesem Leben.
Ich akzeptiere einen anderen Weg nicht.
Lassen wir doch Gras darüber wachsen.
Sie wird vergessen!
Oh nein.
Ich nicht.
Vergessen ist falsch.
Nachsicht gegen über solchen lässt die Lüge triumphieren.
Für mich sind sie gebrandmarkt.
Sie tragen ein Kainszeichen.
Nicht abwaschbar.
Vielleicht bin ich anders.
Aber nur dadurch bin ich die geworden, die ich bin.
Mich gibt es nur so.
Nicht geschönt.
Mit Profil.
Verständnislos gegenüber denen, die ihr Gewissen verwässern.
Wo immer es das Leben einfacher macht…
Vivienne