Fast, als hätte es so sein sollen…

Neulich stand ich mit Albert am Balkon unserer Wohnung und Hand in Hand beobachteten wir den herrlich klaren Sternenhimmel: die blinkende Mondsichel, und daneben wie funkelnde Steine in unterschiedlichen Größen die Sterne. Diese Nacht hatte überhaupt etwas Faszinierendes an sich, sie schien irgendwie besonders schön erhellt, in einem eigenen Licht, das der Stadt einen besonderen Zauber verlieh… Ali und ich sprachen kein Wort aber wir spürten genau, was der andere dachte. Sternschnuppen waren angesagt und gebannt hielten wir am Sternenhimmel Ausschau nach einem sterbenden Stern. Mein Mann war schließlich doch der erste, der unser vertrautes Schweigen brach. „Sieht das nicht wunderbar aus, Vivi? Schau, direkt über uns befindet sich das Sternbild des Stieres. Und dieser Lichterhaufen, diese gebündelten Sterne, das sind die Plejaden…“ Albert zeigte bisweilen Anwandlungen zum schwärmerischen Romantiker, obwohl er als echter Skorpion sonst seine Gefühle eher unter Verschluss hielt. Tief in seinem Inneren war er allerdings ein Träumer und heute kehrte er diese Seite wieder nach außen…

Ich war mit meinem Blick Alberts ausgestreckter Hand gefolgt und konnte mich kaum satt sehen an diesen herrlichen Lichtern. Ali legte den Arm um meine Schulter und seine Augen leuchteten, als wäre er wieder ein junger Bursche geworden. „Schade, dass keine Sternschnuppe zu sehen ist. Vielleicht sind wir ja zu früh daran, aber vielleicht können wir uns noch etwas wünschen…“ Ich schmunzelte ihn an. „Du glaubst daran, dass eine Sternschnuppe Glück bringt?“ Albert bekam einen versonnenen Gesichtsausdruck. Er sah mich einen Moment lang intensiv an. „Ja, ich glaube daran, Vivi. Seit mir vor ein paar Jahren etwas Eigenartiges passiert ist…“ Seltsam, Ali hatte mir nie davon erzählt, dass es in seinem Leben einmal eine seltsame Bewandtnis mit einer Sternschnuppe gehabt hatte. Er machte auch nicht gleich Anstalten, darüber zu reden, er fixierte die Nacht als würde er etwas Bestimmtes suchen. Aber schließlich wandte er sich wieder zu mir… „Weißt du, vor ein paar Jahren, als meine Beziehung mit Babsi endgültig gescheitert war, kämpfte ich mit einer echten Krise. Ich stellte alles in Frage, was ich bisher in meinem Leben getan hatte…“

Nach einer kurzen Pause fuhr Albert fort. „Babsi war ja damals schwanger von mir gewesen und deshalb machte ich mir die meisten Vorwürfe. Unser Kind war gedacht gewesen die Beziehung, in der es schon länger gekriselt hatte, zu kitten, das habe ich dir ja erzählt, aber wir hatten einfach sehr unterschiedliche Vorstellungen von unserem Zusammenleben. Ich zog nach Neujahr aus unserer gemeinsamen Wohnung aus, versprach Babsi aber, immer für unser Kind da zu sein. Aber das minderte mein schlechtes Gewissen wenig und die Schuldgefühle setzten mir mehr zu, als ich zunächst vermutet hätte. Irgendwie verlief mein Leben plötzlich etwas plan- und ziellos. Ich hatte das Steuer meines Lebens aus der Hand gegeben obwohl ich meinem Job und anderen Pflichten weiter nachkam. Aber ich betrank mich abends bisweilen öfter als nötig und fühlte mich danach noch schuldiger. Eines Abends, meine Tochter Melanie war schon geboren, ging ich spätabends von der Arbeit weg zum Parkplatz.“ Albert sah mich nicht an, es schien nicht einmal so, als ob er mich meinte, während er erzählte.

„Es war relativ kühl draußen, und die Frühlingsnacht war wunderschön. Ich hatte plötzlich einen ungewöhnlichen klaren Kopf und blickte nach oben. Das Sternbild Orion war deutlich zu erkennen, das weiß ich noch, und ich blieb einfach stehen, neben meinem Auto, und dachte nach…“ Albert zog mich näher an sich und ich fühlte, dass er seltsam erregt sein musste. „Weißt du, Vivi, plötzlich musste ich wieder an dich denken und daran, dass ich dich damals weggehen hatte lassen ohne einmal offen mit dir zu reden. Ich war mir ja sicher gewesen, dass ich irgendwann über dich und meine unglückliche Liebe zu dir hinwegkommen würde, schließlich hattest du einen Freund, wie mir erzählt worden war, aber wenn ich ehrlich bin: so richtig vergessen hatte ich dich nie, auch wenn es seltsam klingt. Vielleicht sind deshalb auch alle Beziehungen von mir wieder auseinander gegangen – weil ich im Grunde doch nur dich wollte…“ Albert umarmte mich plötzlich und ich schloss die Augen, eng an ihn gelehnt. War es mir nicht ähnlich gegangen? Ich hatte mich damals doch die ganze Zeit nur an die unpassendsten Männer gehängt…

Alis Stimme riss mich aus den Gedanken. „Es klingt verrückt, ich weiß es, aber plötzlich wünschte ich mir, ich könnte dich wieder sehen. Die Sehnsucht war in diesem Moment so stark, dass es fast wehtat. Und in diesem Moment, als ich so innig an dich dachte, zog eine Sternschnuppe über den Himmel und verglühte. Im ersten Moment dachte ich schon, ich müsste mich getäuscht haben, aber ich hatte mich nicht geirrt. Später schien es mir fast wie ein Zeichen, weißt du, denn ein paar Monate später sind wir uns am Attersee wirklich wieder über den Weg gelaufen, du erinnerst dich…?“ Albert strahlte mich an, und unser Wiedersehen in der Konditorei tauchte auf einmal so real in meiner Erinnerung auf, als wäre es erst gestern gewesen… Was für eine Geschichte, dachte ich, das klang doch fast wie ein Märchen und doch – warum sollte Ali so etwas erfinden? Ganz spontan? Aber wie auch immer: diese Episode klang herrlich romantisch, Ali hatte damit ein Licht in mein Innerstes gepflanzt: wir, er und ich, waren ja doch immer schon füreinander bestimmt gewesen, oder?

© Vivienne

Schreibe einen Kommentar