Geschundene Kreatur

Er sitzt am Boden.
Mit überkreuzten Beinen.
Fast zärtlich hat er einen hellbraunen Teddy umklammert.
Während er sich leise hin und her wiegt.
Und manchmal einfach laut schreit.
Richtig losbrüllt.
Die Leute an der Bushaltestelle beachten ihn kaum.
Sie weichen lieber aus.
Vorsichtig.
Manch einer dreht sich verstohlen um.
Und schüttelt den Kopf.
Der Mann ist noch nicht alt.
Und angezogen ist er auch nicht schlecht.
Nur der Teddy sieht ein wenig mitgenommen aus.
Zerschlissen.
An manchen Stelle speckig und verfärbt.
Und der Mann schreit wieder los.
Fast, als weine er um seinen verletzten Teddy…

Im Bus sitzt er mitten unter den Leuten.
Der Teddy auf dem Schoß hängt fast achtlos auf die Seite.
Aber mit einer Hand hält er den Bären immer fest.
Jetzt murmelt er immer wieder.
Fast Unverständliches.
Bis er seine Stimme wieder hebt.
Brüllt.
Und seinen Hinterkopf gegen das Busfester schlägt.
Immer wieder.
Man meint, die Glasscheibe müsste bersten.
So laut kracht es.
Ständig wiederholt der Mann die schmerzhafte Prozedur.
Aber in seinem Gesicht keine Regung.
Als spüre er nichts.
Überhaupt nichts…

Die Fahrgäste weichen dem Mann aus.
Die Sitze um ihn sind schnell leer.
Einer redet leise.
Deutet auf den Mann mit dem Bären.
Flüstert von Alkohol und Drogen.
Der Bus fährt in die nächste Haltstelle.
Eine alte Frau verlässt ihren Sitz.
Da kollidiert sie mit dem Bärenmann.
Der gerade aufgestanden ist.
Er streift sie mit der Hand am Kopf.
Die alte Frau weicht zurück.
Da verzieht der Mann das Gesicht.
Fast weinerlich klingt seine Stimme.
Entschuldigung.
Es tut mir leid.
Er sagt es immer wieder.
Den Teddy in der linken Hand umkrampft.
Die Frau nickt schließlich.
Passt.

Der Bus bleibt stehen.
Die Tür öffnet sich.
Der Mann mit dem Bären steigt aus.
Die alte Frau wendet sich kurz an eine Bekannte.
Dem darf man nicht böse sein…

Vivienne

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