Leider gibt es für Klugscheißer kein stilles Örtchen.
Lothar Bölck
Ein sehr weiser Spruch. Wir kennen sie doch alle – Klugscheißer. Die meinen, die Weisheit gepachtet zu haben für sich. Und oft muß ich mich herumschlagen mit ihnen. Ich schweige oft und lange bis es mir eines Tages zu viel wird. Und dann… Dann lasse ich das Rouleau herunter. Für immer. Damit ich meine Ruhe habe. Kürzlich habe ich das wieder gemacht. Und wenn ich ehrlich bin, es war lange fällig. Ja, und ich habe es gewissermaßen provoziert. Halb unbewusst. Ich wollte herauslocken aus dieser Person wie sie wirklich über mich denkt. Und sie ging in die Falle. Nachher klopfte ich mir auf die Schulter und ich war erleichert. Das Gewäsch dieser Person, es war mir schon lange auf die Nerven gegangen. Schlimm, wirklich schlimm, wenn Menschen meinen sie hätten das Monopol auf die einzige Wahrheit. Dabei gibt es für jeden Menschen seine eigene Wahrheit…
Wer sich selbst verleugnet, seine Neigungen, sein tiefstes innerstes Gefühl, der geht vor die Hunde. Seelisch und körperlich. Garantiert. Hätte ich geheiratet, wie meine Schwestern, um eine Familie zu haben, dann würde ich wahrscheinlich jetzt saufen wie ein Loch. Nein, das ist kein Scherz. Ich hätte es nicht ertragen so zu leben. Weil ich nicht stark genug bin, um einem Durchschnittsmann Paroli zu bieten in einer Beziehung. Ich wäre nicht fertig geworden damit, mich einem Mann unterzuordnen, der es als sein Recht ansieht, daheim den Ton anzugeben. Während ich als vermeintlich kluge Frau ihn gewähren lassen müßte im Glauben, ich würde ihn ja doch in Wahrheit lenken… Wird den Frauen gerne von Klugscheißern und Besserwissern eingeredet. Die meisten Frauen akzeptieren ja dann, dass der Mann das Sagen hat. So war es halt immer… Und die Quotenköniginnen in der Politik denken ernsthaft, wir wären wieder ein Stück weiter gekommen in der Gleichberechtigung von Mann und Frau…
An guten Tagen lache ich darüber. An schlechten Tagen kommt mir die kalte Wut hoch… Manchmal ist es kaum zu ertragen wie viel Unrecht in der Welt passiert und ganz besonders uns Frauen. Mein Leben war diesbezüglich sehr abwechslungsreich – und dabei spielten Klugscheißer immer wieder eine bedeutende Rolle. Menschen, die besser wissen wollten, was gut ist für mich. Am schlimmsten war, wenn sie nicht offen auftraten sondern sich an der psychologischen Masche versuchten. Merke: wenn ich gewußt hätte, worum es ging, hätte ich mich ja verweigert. Pech dabei: ich lese privat so viel psychologische Literatur, dass ich gerade deshalb erkannte, worum es den Klugscheißern wirklich ging. Und mich erst recht verweigerte. Weil es gegen meine Interessen war, mußte ich mich gar nicht erst anstrengen. Ich weiß was ich will…
Ich vergesse nicht. Nicht nur, dass ich mir viel merke, weil ich viel lese. Ich vergesse auch nicht, was mir in meinem Leben widerfahren ist. Es liegt mir nicht, üble Ereignisse zuzuschütten und so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Manche Leute sind perfekt darin, aber ich rede ihnen nicht drein – weil ich kein Klugscheißer bin. Ich lasse jeden leben wie er möchte und schreibe niemandem etwas vor. Aber komischerweise möchte mir jeder vorschreiben wie ich leben und wonach ich streben soll. In gewisser Weise bin ich eben ein Außenseiter, das ist schon klar. Frauen wie ich, die sich in keine Schublade pressen lassen, ecken an und ziehen den Unmut der Angepassten auf sich. Ein altes Leiden der Menschheit. Ein gefundenes Fressen für Klugscheißer, die eine Frau wie mich auf den sogenannten richtigen Weg leiten wollen.
Welcher Weg ist richtig? Welcher Weg ist falsch? Das muß jeder und jede herausfinden, für sich selbst. „Ratschläge“ von Klugscheißern kann man dabei nicht brauchen. Die Lösung trägt man in sich selbst. Man findet sie, wenn man hineinhorcht in sich und auf seine Bedürfnisse achtet. Das tut nämlich sonst niemand. Wenn man sich selbst gefunden hat, ist es nicht mehr so schwer sein Leben zu leben. Bis auf… natürlich, die Klugscheißer, die geben nie auf. Das liegt in der Natur der Dinge. Sie sterben nie aus und werden nie verstehen, dass man auf den unglaublichen Schatz ihres Wissens und ihrer Weisheit gerne verzichten kann – ganz besonders dann, wenn man um die Ezzes gar nicht gebeten hat.
Klugscheißer – sie werden mich begleiten, so lange ich lebe. Damit muß ich mich wohl abfinden. Und irgendwann werde ich lernen so mit ihnen umgehen zu können, dass sie mich nicht mehr so nerven. Menschen am Wegesrand, die ich einfach stehen lasse und denen ich nicht mehr zuhöre. Sie selber, die Klugscheißer, werden sicher nie dazu lernen. Vor allem fehlt es ihnen an der Bereitschaft zu akzeptieren, dass jeder für sich selbst lebt. Leben muß. Mit der Verantwortung für sein eigenes Tun und seiner Vorstellung wie er leben möchte. Auch ich. Klugscheißer – sie sind keine Unterstützung, sie sind viel mehr Hürden und Hindernisse, die es für jeden zu überwinden gilt. Auf dem Weg zu sich selbst…
Vivienne
