Liebeskrank – Teil 33

I light a candle our love
In love our problems disappear.
But all in all we soon discover
That one and one is all we long to hear…
Paul McCartney

Ich sitze im Büro.
Kaue am Kugelschreiber.
Versuche mich zu konzentrieren.
Dabei ist mir schlecht.
Gleichzeitig würde ich gerne Vanilleeis essen.
Diese Kombination an Gelüsten ist nicht angenehm.
Ich stehe auf.
Ein Glas Wasser wird mir gut tun.
Eine Kollegin sieht mich von der Seite an.
Wie geht es dir denn?
Wenn’s noch besser wäre, wär’s fast nicht zum aushalten!
Ich beiße mir nachher auf die Lippen.
Ich wollte nicht so zynisch sein.
Aber die Kollegin reagiert nicht sauer.
Das geht wieder vorbei.
Wirst sehen.
Ihre Stimme klingt verständnisvoll.
In Momenten wie diesen hasse ich Frank fast.
Die Übelkeit wird vergehen?
Ich warte seit Wochen darauf…

Zu Mittag verlasse ich das Büro kurz.
Ich kaufe mir ein Leberkäsesemmerl.
Spontan.
Meine seltsamen kulinarischen Begierden verunsichern mich oft.
Torte und Gurkerl?
Die Hormone.
Ich kenne ja die Hintergründe.
Aber das macht es nicht leichter.
Ich fühle mich nicht wohl in meiner Haut.
Oft bin ich sinnlos grantig.
Fast aggressiv.
Oder ich weine.
Dann wieder reagiere ich fast überschwänglich.
Übertrieben.
Und das eine geht oft nahtlos in das andere über.
Warum kriegt eigentlich Frank unser Kind nicht?
Der Gedanke ist plötzlich da.
Ich esse meine Semmel.
Trinke Kräutertee dazu.
Alle sind sie mit einem Mal übervorsorglich.
Soll ich dir was mitnehmen?
Der Kollege flötete fast wie ein Pirol.
Dabei bin froh, wenn ich mal rauskomme!

Mein Arzt meint, ich trinke zu wenig.
Aber wie soll ich während der Arbeit daran denken?
Ich bin immer so vertieft.
Meistens vergesse ich darauf.
Aber diesmal stehe ich auf.
Hole mir einen ganzen Krug.
Und im Laufe des Nachmittags wird der Krug tatsächlich leer.
Mein Chef beginnt mit mir zu plaudern.
Na, wie geht’s uns?
Sie sehen blühend aus.
Arzttermine geben Sie einfach bekannt.
Er geht mir auf den Geist.
Aber das scheint er nicht zu merken.
Will er vielleicht einfach nett sein?
Bin ich einfach nur furchtbar empfindlich?
Das Telefon läutet.
Ein Kunde.

Kurz vor 16:00 Uhr ruft Frank an.
Er wirkt hektisch.
Alles in Ordnung?
Ich liebe dich!
Ja, er weiß, was sich gehört.
Ich liebe dich.
Du mich auch…!
Ich mach mir eine Tasse Tee.
Will zurück zu meinem Schreibtisch gehen.
Plötzlich dreht sich die Betriebsküche um mich.
Der Boden wird instabil.
Ich versuche mich festzuhalten.
Die Tasse fällt scheppernd auf den Boden.
Mir wird schwarz vor Augen.
Stimmen.
Dann falle ich ins Dunkel.

Ich öffne die Augen.
Alles weiß.
Die Wände.
Das Bett.
Wo bin ich?
Panik erfasst mich.
Eine Flasche hängt an meinem Unterarm.

Der Arzt ist noch jung.
Anfang dreißig.
Sein Stethoskop ragt aus der Seitentasche.
Ihr Kreislauf.
Sie hatten einen Kollaps.
Aber ihrem Kind geht es gut.
Wir haben ein Ultraschall gemacht.
Ihr Kreislauf ist aber sehr instabil.
Hatten Sie so was schon öfter?
Seine Stimme klingt nett.
Engagiert.
Ich nicke.
Ganz am Anfang der Schwangerschaft.
Und es fängt immer damit an, dass ich mich schon den ganzen Tag ärgere…
Über alles und jeden…
Der Arzt lächelt.
Kein Honiglecken, was?
Ihr Freund kommt bald.
Aber Sie bleiben über Nacht hier.
Zur Kontrolle.
Passt morgen alles, dürfen Sie wieder gehen…
Dann klopft er mir auf die Schulter.
Sie schaffen das schon, ja?

Frank steht an der Tür.
Er sieht blass aus.
Ringt um Worte.
Wortlos setzt er sich an mein Bett.
Hält mich im Arm.
Und ich erinnere mich.
Vor über drei Jahren war ich zuletzt im Spital.
Eine Allergie auf einen Bienenstich.

Damals habe ich niemandem gefehlt…

© Vivienne

Schreibe einen Kommentar