Im englischsprachigen Fachjournal „Nature“, welches sich vorwiegend mit naturwissenschaftlichen Disziplinen auseinandersetzt, wurde kürzlich eine Studie über die psychische Situation der Bewohner von Großstädten veröffentlicht. Das Zentralinstitut für seelische Gesundheit im deutschen Mannheim hätte in einer Studie zu belegen versucht, daß Stadtbewohner einem höheren Risiko ausgesetzt wären an Depressionen oder Angststörungen zu erkranken, als Menschen die auf dem Land aufgewachsen sind. Auch wären Kinder, die in Großstädten aufwachsen sind, einem zwei- bis dreimal so großen Schizophrenierisiko ausgesetzt.
Bevor ich meine Gedanken zur Studie ein wenig beleuchten werde möchte ich die Leser gerne auf meine persönliche Einstellung zu dem oft strapazierten Vergleich eines Lebens in der Stadt mit dem Leben am Land aufklären. Ich habe selbst immer in Wien gewohnt, wenn auch in unterschiedlichen Bezirken der Stadt. Für mich ist es praktisch unvorstellbar dauerhaft in einer ländlichen Umgebung zu leben. Das ergibt sich wahrscheinlich auch daraus, daß ich in Wien aufgewachsen bin – der Geburtsort ist aber bestimmt nicht der einzige Grund dafür, warum ich in einer Großstadt leben will. Diese Aussage soll selbstverständlich keine Beurteilung des Lebens im ländlichen Raum darstellen, sondern vielmehr meine höchstpersönliche Einstellung für mich selbst wiedergeben. Es mag sein, daß mir die Annehmlichkeiten einer urbanen Großstadt mehr wert sind als die Vorzüge einer ländlichen Umgebung. Ich möchte aber auch betonen, daß diese Entscheidung aus meiner Sicht jeder für sich selbst treffen soll.
Als ich von der eingangs erwähnten Studie heute erstmals las war ich schon nach wenigen Zeilen von einer gewissen Skepsis befallen. Dies ergab sich aber nicht aus dem Abschneiden der Stadtbewohner , sondern eher daraus daß ich die getroffenen Schlußfolgerungen nicht ganz teilen kann. Der Studie zufolge wäre das Depressionsrisiko bei Städtern um 39 Prozent höher, da die Amygala – „eine Art primitiver Gefahrensender“ – deutlich aktiver sei als bei Menschen, die am Land leben. Die Forscher vermuten, daß dies damit zusammenhängen würde daß viele Menschen auf engem Raum zusammenleben.
Ich lebe selbst in einem Wohnhaus mit rund 280 Wohnungen – daß dieser Umstand meinen Streßpegel beeinflussen soll ist aber für mich nicht nachvollziehbar. Es ist natürlich richtig, daß ich den überwiegenden Teil meiner Nachbarn gar nicht kenne – ein Umstand der für mich völlig normal ist, für andere aber auch das Schreckgespenst der Anonymität darstellen kann. Ich fühle mich bestimmt nicht anonym in der Stadt, umgekehrt ist für mich aber auch die Vorstellung der kleinen Gemeinde, in der sich jedermann kennt kaum vorstellbar. In einer Diskussion zwischen einem überzeugten Landbewohner mit einem überzeugten Stadtbewohner wird dazu auch kaum eine Einsicht möglich sein – außer natürlich wenn die beiden einsehen, daß jeder Mensch anders ist und andere Bedürfnisse, Ansichten und Vorlieben hat.
Nicht bestreiten läßt sich, daß die Zahl der psychischen Erkrankungen in Österreich deutlich im Steigen begriffen ist. Insgesamt nahmen im Vorjahr 900.000 Menschen eine entsprechende Leistung der Krankenversicherung in Anspruch. Dieser Umstand ist alarmierend und sollte zum Umdenken führen – in welcher Form auch immer…
Wer sich für die vollständige Studie interessiert findet auch zahlreiche deutschsprachige Artikel dazu unter anderem im „Spiegel“ oder auf orf.at.
Liebe Leser! Ihr seid herzlich dazu eingeladen uns eure Sichtweise zu dieser Studie im Kommentarsystem der Bohnenzeitung mitzuteilen.
Pedro