Die bunte Welt von Vivienne
von Vivienne – Juli 2001
Frauen oder
Die subtile Form der Rache
Es gibt vielerlei Diskussionen darüber: den Unterschied zwischen Männern und Frauen, allgemein, warum Frauen untereinander nie wirklich Freundinnen sein können, warum Männerfreundschaften besser halten, dass Frauen mit Frauen anders umgehen als Männer mit Männern und vieles mehr. In dem Zusammenhang wird auch gern und ausgiebig philosophiert, dass Frauen etwas falsch oder freundlicher formuliert subtiler sind im Umgang untereinander oder mit dem anderen Geschlecht. Die heutige Geschichte möchte ich gern der Rache der Frau widmen, weil Frauen sehr oft in der Opferposition verharren statt selbst die Initiative zu ergreifen…
Wen könnte ich mir in dieser Rolle auch besser vorstellen als meine Freundin Vicky, die ja lange genug an einen Jammerlappen nach dem anderen geriet diesmal drehte sie den Spieß ein bissel um – endlich.
Wie Sie vermutlich wissen, schleppte Vicky, eine meiner längstgedienten und besten Freundinnen, seit einer Schulung im Frühjahr in Deutschland eine unbefriedigende Beziehung zu einem jungen Mann, der diese Schulung mitgemacht hatte, mit sich herum. Er heißt Paul, aber das wissen Sie vermutlich ohnehin noch. Wie gesagt, Paul tat ihr ein wenig schön, ließ sie für sein Country-Magazin schreiben, kostenlos natürlich, traf sich öfter mit ihr, redete dabei über alles Mögliche, das ihm wichtig war und sonst niemandem, aber ein richtiges Verhältnis hatten die beiden nicht. Außerdem gab es da Carola…
Ich hatte Vicky schon des öfteren gesagt, dass sie sich keine Illusionen machen sollte über den Typ: Du bist nur die Nummer 3, versuchte ich ihr immer wieder klar zu machen. Hinter Mama und Carola. Im Grunde wusste Vicky genau, dass ich recht hatte. Dass sie wieder auf einen Kerl hereingefallen war, der sie mehr oder weniger nur benutzte. Aber sie gab es nicht zu. Carola, pflegte sie mir zu antworten, ist eine alte Freundin von Paul, die er schon seit Jahren kennt. Und dass er als einziges Kind nach dem schweren Herzinfarkt seines Vaters im letzten Jahr wieder daheim eingezogen ist, um im Fall des Falles seiner Mutter beistehen zu können, kannst du ihm auch nicht verübeln.
Ich grinste dann immer wissend und meinte nicht ohne ein wenig Ironie: Du musst es wissen, du kennst ihn besser… Vicky sah mich dann immer wütend an, und ich wechselte das Thema weils nix bringt. Und weil sie selbst begreifen musste, dass der Kerl nix taugt, früher oder später halt. Bei Vicky halt meistens später. Aber in der Regel war sie dann wenigstens wieder einige Zeit normal…
Vor ein paar Wochen musste ich dann für ein paar Amtswege, die ich zu erledigen hatte, nach Linz. Anschließend traf mich dort mit meiner Schwester Beatrice und wir setzten uns in ein Kaffeehaus. Wie üblich vergaßen wir dabei die Zeit völlig. Nach fast zwei Stunden und drei Verlängerten pro Nase sah Beatrice erschreckt auf die Uhr und reagierte fast mit Panik: Du, ich muss weg. Zu den Schwiegereltern in die Schneiderei! Sie sprang auf, schnappte ihre Tasche und wollte zur Kellnerin. Dabei kollidierte sie mit einem Pärchen, das gerade händchenhaltend an unserem Tisch vorbei ging. Beatrice entschuldigte sich wortreich. Eine mir bekannte männliche Stimme wehrte das freundlich ab. Keine Ursache. Kann passieren.
Mir gabs einen Stich. Ich drehte mich überrascht um. Hallo Paul, hörte ich mich sagen. Wie gehts dir denn? Der blasse Paul wurde erstens nervös und zweitens ziemlich rot im Gesicht, als er mich sah. Die junge Dame, deren Hand er ziemlich fest hielt, war wasserstoffblond, mit prachtvoll gestyltem Haar, ca. Ende zwanzig, Marke Girlie. Sie warf mir einen sehr unfreundlichen Blick zu und fixierte dann fragend Paul, der sich wand wie ein Ringelwurm.
Ja, äh, Vivienne, wenn ich mich richtig erinnere, stotterte er schließlich, einigermaßen um Fassung ringend. So klein ist die Welt. Ich lächelte stählern zurück und taxierte die Tussi an seiner Seite so liebevoll, wie sie mich, dabei schüttelte ich ihm die Hand. Ich fragte mich angesichts des schlaffen Händedrucks wieder einmal was Vicky an dem Typen fand… Seine Blonde dagegen hätte mich am liebsten angesprungen. Ja, gab ich ihm recht. Deine Freundin kenne ich aber noch nicht. Paul wäre am liebsten im Boden versunken. Er räusperte sich mehrmals bis er in der Lage war uns einander vorzustellen: Carola Vivienne.
Beatrice beobachtete die Szene offensichtlich belustigt. Im Moment hatte sie es nicht eilig, zu ihren Schwiegereltern zu kommen. Ich wechselte ein paar Floskeln mit Paul, grinste dabei breit und boshaft. Carola wurde immer aufgebrachter, je länger die Unterhaltung dauerte. Ihre Augen warfen mir Blitze zu, die aber völlig an mir abglitten. Nach dem ich die beiden meiner Meinung nach genug gepflanzt hatte, verließ ich mit Beatrice das Café. Beim Hinausgehen klärte ich Beatrice dann über die Geschichte auf. Mein Grinsen war eingefroren und auf dem Weg in die Parkgarage wiederholte ich nur mehr haareraufend: Der Schuft, der hundsgemeine Schuft! Beatrice musterte mich amüsiert. Du hast es ja ohnehin gewusst, also was hast du? Reg dich nicht künstlich auf! Ich strich wieder mit der Hand durch meine Haare. Es ist nicht wegen mir, grübelte ich, es ist wegen Vicky…
Abends, bei mir daheim, grübelte ich noch immer. Ich starrte das Telefon an, meine Gefühle waren im Widerstreit. Obwohl mir Beatrice dringend davon abgeraten hatte, wollte ich Vicky anrufen, ihr erzählen, welch treuloser A… ihr Paul war. Gegen 22.00 Uhr siegte die Unvernunft. Ich wählte Vickys Nummer. Zweimal. Dreimal. Niemand hob ab… Offenbar war Vicky nicht daheim. Damit war mir die Entscheidung aus der Hand genommen. Gut, sagte ich, dann nicht.
Am nächsten Morgen war ich froh, dass ich sie nicht erreicht hatte. Wie war das doch in der Antike mit dem Überbringer schlechter Nachrichten…? Hände weg! Ich meldete mich ein paar Tage nicht bei Vicky, das Wochenende rettete mich vor weiteren Verlockungen, Paul bei Vicky unmöglich zu machen: ich fuhr nach Salzburg und schaffte es, nicht an Vicky, Paul oder Carola zu denken. Beschwingt kehrte ich Sonntag nacht zurück und musste als erstes feststellen, dass der Anrufbeantworter wie verrückt blinkte: Vicky….
Vicky kam dann gleich zu mir, in Tränen aufgelöst…. Paul hatte eigenartigerweise so viel Anstand gehabt, Vicky ein paar Tage nach unserer unerwarteten Begegnung im Café um eine Aussprache zu bitten. Er hatte ihr neben vielen Dingen gestanden, dass Carola die Frau sei, die er heiraten möchte… Genau genommen aber dürfte wohl in erster Linie das schlechte Gewissen ausschlaggebend gewesen sein, neben der Furcht, ich könnte ihm zuvorkommen… Außerdem hatte wohl auch sein Girlie auf eine endgültige Klärung gedrungen. In diesem Moment konnte ich erst richtig ermessen, wie gut es war, dass ich den Mund gehalten hatte. An Schlaf war in dieser Nacht ohnehin nicht zu denken, aber wer hätte das schon angesichts der todunglücklichen Vicky vermocht? Ich lieh ihr meine Schulter und mein Ohr und irgendwann hörte sie zu schluchzen auf und schlief ein…
Vicky erholte sich überraschend schnell. Es bewahrheitete sich einmal mehr, dass der Schock heilsam war. Diese Beziehung war schon so eine Belastung für sie gewesen, dass der Bruch zwar schmerzhaft aber gleichzeitig der einzig richtige Weg gewesen war. Vierzehn Tage später flirtete sie schon wieder ungeniert mit einem neuen Bekannten, einem Nachbarn, wie sie mir augenzwinkernd verriet, der ihr aus der Hand zu fressen schien. Der Typ gefiel mir nicht nur weitaus besser als Paul, er passte auch wirklich besser zu ihr.
Bei Gelegenheit lud ich Vicky zu mir ein und bei Pizza aus der Pizzeria, Salat mit Mozarella, Oregano und Tomaten und einer Flasche guten Rotwein stellte ich schließlich vorsichtig die Frage: Und, wie hast du es so schnell geschafft, über … äh … Paul hinweg zu kommen? Vicky strahlte, ihre Augen hatten einen fast überirdischen Glanz. Sie knetete ihre Hände durch und begann zu erzählen: …weißt du, am liebsten hätte ich Paul ja umgebracht. Aber dann fiel mir seine Katzenhaarallergie ein. Genüsslich ließ sie jedes Wort auf der Zunge zergehen. Bert, mein lieber Nachbar, hat ja vier oder fünf Angorakatzen. Also beschaffte ich mir bei ihm jede Menge langer Katzenhaare, sammelte sie in einem Bogen Papier, den ich dann ganz vorsichtig in ein Kuvert steckte, so dass der Brief nach außen hin ganz normal und unauffällig aussah. Mein Nachbar, Bert, war so freundlich gewesen, das Kuvert vorher zu beschriften, zur Sicherheit haben wir noch alle Fingerabdrücke abgewischt. Man weiß ja nie… Dann haben wir Paul den Brief geschickt….
Nein, widersprach ich, nein, …! Vicky ließ sich nicht unterbrechen, unbeirrt fuhr sie fort: Dem Vernehmen nach muss Paul nach dem Öffnen fast explodiert sein… Es hat, schätze ich, sicher eine Woche gedauert, bis er sich davon erholt hat. Da konnte ich mich nicht mehr halten. Ich prustete los, unmöglich, mich zu beherrschen. Fünf Minuten und drei erfolglose Versuche brauchte ich um das Lachen zu stoppen, dann erst hatte ich mich wieder einigermaßen unter Kontrolle. Ja, das war meine Vicky, so gefiel sie mir.
Paul tat mir nicht wirklich leid, muss ich zugeben. Ob Sie es nun verstehen oder nicht. Carola wird ihn sicher getröstet haben. Was war diese Katzenhaar-Briefbombe außerdem schon im Vergleich dazu wie er über Wochen, ja Monate mit Vickys Gefühlen gespielt hatte? Sicher war das nicht angenehm für Paul, zugegeben, aber am Wichtigsten war für mich, dass es Vicky wieder gut ging. Und nebenbei war ich mir ziemlich sicher, dass der nette Nachbar, Bert, auch nicht ganz unschuldig war, dass es bei Vicky wieder so gut lief. Schön, hätte nicht schöner kommen können.
Sehen Sie, das nenne ich Rache. Das nenne ich subtil.
Vivienne
PS: Und wenn Sie glauben, dass der gute Paul diese Bombe nicht verdient hat, dann schreiben Sie mir. Meine Email-Adresse finden Sie in der Bohnengalerie. Unter Vivienne.
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