Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  März 2005


Das erste Mal…

Es gibt für alles ein erstes Mal! sagt der Volksmund, und gemeinhin sind damit die ersten sexuellen Erfahrungen gemeint, denen die meisten im Teenageralter ja entgegenfiebern. Aber darum soll es heute in dieser Geschichte nicht gehen, sondern um eine Premiere der anderen Art, die ich nach wie vor als sehr positiv empfinde, die aber nichts desto Trotz nur am Rande mit dem anderen Geschlecht zu tun hat. Für mich geht es da auch um Selbstfindung und das Faktum, dass man sich nicht abhängig machen muss, sondern immer auch Freiräume findet, in denen man selber einen anderen Weg findet…

Ich war daheim ausgezogen. Meine erste Wohnung im Bindermichel, einem Stadtteil von Linz, war nicht besonders groß, etwa 40 cm2 groß und fast völlig leer gewesen, als ich sie bezog. Nun, das Bett, meinen Kasten oder die Wohnwand mitzunehmen, war kein großes Problem gewesen. Einen Küchenblock hatte ich schon bei einem Möbeldiskonter bestellt und mein großer Ohrensessel stand jetzt in dem neuen Wohnschlafzimmer. Bis der Küchenblock geliefert werden würde, wollte ich mir mit der Microwelle behelfen und die neue Kaffeemaschine war ein echter Blickfang in dem knalligen Rot. Auch die Vorhänge hatte ich von daheim mitgenommen, nur für die Küche wollte ich mich noch in einem Möbelhaus nach passenden Gardinen umsehen.

So weit so gut. Ich hatte keine Lampe im Wohnschlafzimmer. Eine alte Stehlampe aus dem Fundus von Bea und Louis half mir zwar über die erste Zeit hinweg,  aber als ich mich in einem Möbelhaus wegen der Vorhänge umsah, brachte ich schließlich auch einen Lampenschirm nach Hause mit. Aber wie sollte ich den anbringen? Ohne Bohren war ich da aufgeschmissen, aber ich hatte noch nie eine Bohrmaschine benutzt. Deshalb traute ich mich nicht drüber. „Kein unautorisiertes Personal“ stand auf der Gebrauchsanleitung, und dieser eine Satz schreckte mich ab. Was, wenn ich die Wohnungsdecke ruinierte? Was, wenn ich den Lampenschirm dabei kaputt machte?

Schließlich bat ich einen Nachbarn um Hilfe. Ich konnte den Machotypen zwar absolut nicht leiden, aber ich sah keinen anderen Ausweg. So ungewöhnlich groß meine Familie auch ist, in dem Fall hätte es wohl doch mehrere Wochen gedauert bis mein Schwager Francois, gelernter Elektriker, Zeit gehabt hätte, sich dieses Problems anzunehmen. Der besagte Typ, Ende Dreißig, grinste arrogant und meinte, das würde er schon für mich hinbringen. „…aber revanchierst du dich dafür auch, Kleines, versprochen?“ Dieses Gesülze nervte mich und noch mehr nervte mich, dass er mich immer Kleines nannte.

Ich hätte es trotzdem in Kauf genommen, wenn er diesen Job schnell für mich erledigt hätte, aber Mr. Macho ließ sich Zeit. Ob er mich nur ärgern wollte, oder ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis schaffen wollte, kann ich auch jetzt nicht sicher sagen. Sicher weiß ich hingegen, dass ich mir an einem Sonntagnachmittag schließlich die Bohrmaschine des Hausmeisters auslieh, mir das Gerät erklären ließ und mit Hilfe von ein paar guten Tipps des Mannes in Bezug auf die Wahl des Bohrers den Schirm in etwa zwei Stunden an der Decke montierte. Ich erinnere mich noch ganz genau: Mit zitternden Knien stieg ich von der Leiter, ich war schweißgebadet und meine Kleidung und die Dauerwelle (tatsächlich!) waren voller Bohrstaub. Aber die Lampe leuchtete, ja, für mich strahlte sie, und damit war ich auch dem widerlichen Macho von Gegenüber nichts mehr schuldig. 

Ich war stolz auf mich, ehrlich stolz und als fast eine Woche später Mr. Macho vor meiner Türe stand und mit der Zigarette im Mund meinte, heute würde er mir den Lampenschirm montieren, erklärte ich ihm, das wäre nicht mehr notwendig. Mr. Macho wäre beinahe die Zigarette aus dem Mundwinkel gerutscht als er das hörte. Er drängte sich an mir vorbei in die Wohnung und starrte auf den Lampenschirm. „Wer hat dir das gemacht, hey?“ „Ich habe mir das selber gemacht, ich hatte keine Zeit zu warten, bis es dir endlich ausgeht. Und jetzt raus!“ Irgendwie war ich im Umgang mit diesem Burschen selbstbewusster geworden und er blickte mich etwas überrascht an. „Der hält nicht, das sage ich dir. Der hält keine zwei Wochen! Und dann kommst du wieder gekrochen, verlass dich drauf, Kleines…“ „Ist schon Recht!“ konterte ich ihm und schob ihn endgültig aus der Tür. Den war ich für’s erste los, und der Lampenschirm überstand nicht nur zwei Wochen sondern sogar über zwei Jahre, bis ich auszog und das gute Stück in meine neue Wohnung mitnahm.

Für mich zählt auch heute wie in diesem Fall die Erfahrung, dass man keinen ersten Versuch scheuen muss. Wenn es darauf ankommt, bin ich die letzte, die Hilfe ablehnt, aber in so einem Fall hatte sich dieser Versuch mehr als gelohnt. Mein Selbstbewusstsein wuchs enorm durch diesen Erfolg und die Erkenntnis, was alles in mir steckt, wenn ich nur zulasse, dass dieses Talent auch erblüht…

Vivienne

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